AERZTE Steiermark | März 2023

22 Ærzte Steiermark || 03|2023 Fortbildung scheinlichkeit für Multimorbidität imAlter steigt auch die Multimedikation und damit das Auftreten möglicher klinisch relevanter Arzneimittelinteraktionen. „Sinnvoll ist daher nicht die unbedingte Reduktion von Arzneimitteln, sondern der gezielte patientenindividuelle Einsatz“, erläutert Friedl. „Es muss ein klares Therapieziel definiert werden“, fordert auch Wirnsberger. „Und dieses muss regelmäßig überprüft werden – im Sinne eines Advance Care Plannings.“ Als Voraussetzung für eine durchdachte Medikamentenreduktion sind Ärzt:innen oder Pharmazeut:innen gefragt, die den Überblick über sämtliche Präparate haben, die jemand einnimmt. Nicht nur über die ärztlich verschriebenen Arzneimit tel, sondern auch über OTC-Medikamente, Nahrungsergänzungsmittel und selbst über regelmäßig getrunkene Heilkräutertees. „Es muss sich jemand drübertrauen, einen Strich in der Medikamentenverschreibung zu ziehen“, fordert Wirnsberger. „Das die derzeitige Medikation noch sinnvoll ist und wo sich ein Ansatzpunkt für Reduktion und/oder Verbesserung findet. Vorsichtig ausschleichen Der MA-Index beginnt gleich mit der Frage, ob es überhaupt noch eine Diagnose zum verschriebenen Medikament gibt, hinterfragt die altersgerechte Dosierung, die Möglichkeit von Doppelverordnungen und Arzneimittelinteraktionen. Risikoreiche Medikamente können nicht immer einfach weggelassen werden, aber manchmal hilft auch schon der Umstieg auf ein alternatives Präparat. „Im Schnitt kann man bei multimorbiden Patientinnen und Patienten jedes dritte Arzneimittel weglassen“, so Wirnsberger. „Wichtig ist aber, dass man Medikamente immer vorsichtig ausschleicht.“ Die Grundmaxime seines Vorgehens entlehnt Wirnsberger beim US-amerikanischen Geriater Jerry Gurwitz, der einmal gesagt hat: Jedes Symptom eines geriatrischen Patienten sollte so lange als Medikamentennebenwirkung betrachtet werden, bis das Gegenteil bewiesen ist. Das Seminar „Multimedikation bei älteren Patient:innen“ findet am Montag, 27. März 2023, von 15.00 bis 18.00 Uhr in der Ärztekammer für Steiermark statt. Detailinformationen und Anmeldung unter www.seminareimmaerz. at. Teil des Seminars sind auch konkrete Fallanalysen. wird in der Regel der Hausarzt oder die Hausärztin sein, aber es kann auch jeder andere ,Arzt des Vertrauens´ diese Aufgabe erfüllen.“ Wenn derjenige oder diejenige die Zeit dafür findet. Listen heranziehen Als Unterstützungssysteme dienen sehr gut im klinischen Alltag etablierte Tools. Dazu gehören Listen von sogenannten PIMs (potentiell inadäquate Medikationen), deren Verschreibung a priori für ältere Patient:innen ein signifikant höheres Risiko darstellt. Die Auswahl altersadäquater Medikamente muss über potentielle Wechselwirkungen hinaus die Darreichungsform berücksichtigen: Wer schon Schluckstörungen hat, wird nicht dreimal täglich eine große Kapsel schlucken. Je schwieriger die Einnahmen und je komplexer das Einnahmeschema, desto mehr wird die Compliance darunter leiden. Neben eventuell vorhandenen kognitiven Beeinträchtigungen sind bei der Arzneimittelgestaltung und deren Verpackung Sehschwächen und feinmotorische Einschränkungen und die erwähnten Schluckprobleme zu beachten. Neben Negativ- und Positivlisten (PIM, START-STOPP, FORTA) gibt es noch andere hilfreiche Tools, die Verordnung des geriatrischen Patienten zu optimieren, wie den Medication Appropriateness Index (MAI). Mit seiner Hilfe lässt sich anhand von zehn Fragen überprüfen, inwieweit » Je mehr meine Patienten über ihre Erkrankung wissen, desto aktiver nehmen sie an ihrer Therapie teil! « Schulung für Bluthochdruck-Patienten +43 5 0766-151855 www.gesundheitskasse.at/herzleben Foto: © didesign021 – Shutterstock.com „Sinnvoll ist daher nicht die unbedingte Reduktion von Arzneimitteln, sondern der gezielte patientenindividuelle Einsatz.“ Ingrid Friedl „Es muss sich jemand drübertrauen, einen Strich in der Medikamentenverschreibung zu ziehen.“ Gerhard Wirnsberger Foto: Fotoatelier Moser, Wiesner

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