wissenschaft 26 Ærzte Steiermark || 04|2023 MARTIN NOVAK Der Infektiologe weiß, wie sich die Impfung auf die Gesundheit des einzelnen Menschen auswirkt. Nehmen wir an, er sagt, sie sei hilfreich. Was die Grundlage dafür ist, sich eine hohe Impf beteiligung zu wünschen. Wie hoch die Impf betei ligung konkret sein muss, um einen bestimmten Effekt zu erreichen, weiß er aber schon nicht mehr. Dafür ist die Epidemiologin zuständig, das ist ihr Fachgebiet. Sie wird aber Hilfe brauchen. Vielleicht einen Statistiker, vielleicht eine Simulationsforscherin. Aus deren Expertise ergibt sich die Antwort auf die Frage, wie hoch die Impfbeteiligung tatsächlich sein muss, damit die erwünschte Zahl von Menschen mit einer definierten Wahrscheinlichkeit davor geschützt ist zu erkranken. Die verkürzte Impfpflicht-Debatte Ob eine Impfpf licht dazu beiträgt, das Schutzziel zu erreichen, wissen die bisher genannten Expert:innen aber nicht. Dazu braucht es eine Person, die sich in der Gesundheitskommunikation auskennt und daher die Auswirkungen der Impfpflicht auf die Impfbereitschaft abzuschätzen weiß. Das werden in der Regel einschlägig bewanderte Psycholog:innen und Soziolog:innen sein. In diesem Bereich ist – unt e r Be i z i ehung von Pädagog:innen – auch die Frage zu beantworten, wie die Sanktionen auszusehen haben, die zu einer möglichst hohen Akzeptanz für die Impfpflicht sorgen. Dann braucht es verwaltungsjuristisches Fachwissen, um die Rechtstexte zu formulieren, die nötig sind, um das Gewollte auch durchsetzen zu können. Für die auch sprachlich verständliche Form ist sprachwissenschaftliche Expertise erforderlich. Und zur Beurteilung der Wirkung auf die Bürger:innen wiederum sozialwissenschaftliche. Wenn dann noch Politik-Expert:innen herangezogen werden, um die parlamentarische Umsetzung herbeizuführen, ist bereits viel getan. Nur geimpft ist deswegen noch niemand. Dazu braucht es weitere Fachleute … Ist es so komplex? Ja. Wie komplex, zeigt ein einfaches Beispiel, das der Psychologe Robert Cialdini in seinem Buch „Pre-Suasion. Wie Sie bereits vor den Verhandlungen gewinnen“ beschreibt. Zwei Sprachwissenschafter, San Bolkan und Peter Andersen, fanden heraus, dass nur 29 Prozent bereit waren, an einer persönlichen Befragung tei lzunehmen, wenn sie gefragt wurden, ob sie einige Minuten ihrer Zeit für die Befragung zu opfern. Die Bereitschaft verdreifachte sich nahezu auf gut 77 Prozent, wenn vorweg gefragt wurde, ob sie sich für einen hilfsbereiten Menschen hielten. In der Impfpf licht-Debatte wurde aber offenbar nur eine Frage mit Fachleuten erörtert: ob Impfen hilft. Dann folgten nur mehr Annahmen. Vor allem die, dass eine Impfpflicht die Erhöhung der Impfbeteiligung bewirkt. Was mehrere Studien, darunter auch eine der MedUni Wien (Team um Tanja Stamm vom Institut für Outcomes Research), in Frage stellen. Experte Donald Trump Stamm leitet gemeinsam mit dem habilitierten Epidemiologen Gera ld Gar t lehner (Donau-Universität Krems) Cochrane Österreich. Der hat kürzlich bei einer Fortbildungsveranstaltung im Rahmen der Seminare im März der Ärztekammer Steiermark Expert:innen. Egal, wofür. Grundsätzlich ist es richtig, auf Expert:innen zu hören. Es müssen aber die richtigen Expert:innen sein. Die Gesamtexpert:innen gibt´s nicht. Ein Hammer ist ein richtig gutes Werkzeug. Aber das falsche, um Schrauben ins Holz zu bringen. Genauso können auch Expert:innen richtig gut, aber dennoch die falschen sein. Foto: Adobe Stock
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