AERZTE Steiermark | Mai 2023

22 Ærzte Steiermark || 05|2023 Fokus Impfen „Der Aberglaube gehört zur Medizin wie der Senf zur Wurst“, erklärte der Rektor der MedUni Wien, Markus Mül ler, in seinen Begrüßungsworten zu Beginn der hybriden Veranstaltung von MedUni Wien, der Österreichischen Gesellschaft für Vakzinologie sowie der Akademie der Ärzte. So sei die Impfskepsis einzuordnen. „Es gibt kaum eine medizinische Intervention, die so unstrittig sein sollte wie die Impfung.“ Sollte, wohlgemerkt. Masern auf dem Vormarsch Der erste Redner, Mark Muscat, „Technical Officer“ der WHO für die Europäische Region und zuständig für „Disease Control and Elimination“, sprach über die pandemiebedingten Impflücken: Weltweit haben 67 Mil lionen Kinder in dieser Zeit zu wenig Impfschutz gegen die klassischen impfpräventablen Krankheiten erhalten; 48 Millionen gar keine. Am Beispiel der Masern könne man beMuscat kündigte an, dass von der WHO kürzlich veröffentlichte Fact Sheets zur Aufklärung der Bevölkerung demnächst auch auf Deutsch verfügbar sein sollen. Reiseroute nachvollziehbar Lukas Weseslindtner, Spezialist für Diagnostik am Zentrum für Virologie der MedUni Wien, zeigte die Reise der Masern quer durch die Länder. Aufgrund der Genotyp-Analysen sei zweifelsfrei nachvollziehbar, wie sich beispielsweise der aktuelle Masernausbruch in der Steiermark weiterverbreitet habe. Betroffen waren auch sechs Kinder unter einem Jahr und mehr als zehn in der Altersgruppe bis 4 Jahre, also jene, die eigentlich während der Pandemie ihren Impfschutz erhalten hätten sollen. Nicht in allen Fällen – und besonders nicht bei Impfdurchbrüchen – sei die Antikörperdiagnostik zur Verifizierung des Masernverdachts ausreichend. Weseslindtner appellierte daher an die Ärzte, in Verdachtsfällen zusätzlich einen PCR-Test zu veranlassen. „Proben einschicken!“ Annette Mankertz vom Robert Koch Institut, die per Video aus Berlin zugeschaltet war, leitet das regionale Referenzlabor für Masern in der WHORegion Europa. „Schicken Sie Ihre Proben ein“, lautete ihre Aufforderung an die österreichischen Ärztinnen und Ärzte. Mankertz zeigte Bilder von sechs Masern-ähnlichen Hautausschlägen, von denen jedoch nur einer durch Masern induziert war, um das Risiko einer Verwechslung darzustellen. Auch könne eine frühe Serologie oft falsch positiv sein (manchmal auch falsch negativ), daher sei zur Sicherheit eine PCR zu machen. Die WHO stel le den Anspruch, dass bei 80 Prozent der Masernausbrüche der Genotyp bekannt sein müsse, um nachverfolgen zu können, wie lange eine Ausbruchskette laufe. Von 24 bekannten Genotypen (nur teilweise typisiert) zirkulierten derzeit nur zwei, weshalb eine GeDie Rückkehr der verschwunden Geglaubten Diphtherie, Polio und Masern – je erfolgreicher Impfungen sind, desto impfmüder – und auch impfskeptischer – wird die Bevölkerung. Im aktuellen Webinar „Fokus Impfen“ stand daher die Rückkehr impfpräventabler Erkrankungen im Rampenlicht. reits die Folgen sehen: Gab es in der WHO-Region Europa im Jahr 2021 159 gemeldete Masernfälle, waren es 2022 schon 904 und heuer allein im Jänner und Februar 993 Fälle. Für die aktuell dringendsten Maßnahmen hält Muscat die Nachimpfungen gegen Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Polio, Masern und Röteln. Die wichtigsten Vorhaben der European Immunization Agenda 2030 seien die Herstellung von Impfgerechtigkeit quer über alle Regionen und Bevölkerungsgruppen, lokale Lösungen für lokale Probleme sowie dafür zu sorgen, dass die Immunisierung in jedem Lebensalter im Bewusstsein bleibe. „Masern in der Steiermark: Betroffen waren auch sechs Kinder unter einem Jahr und mehr als zehn in der Altersgruppe bis 4 Jahre, also jene, die eigentlich während der Pandemie ihren Impfschutz erhalten hätten sollen. Lukas Weseslindtner, Med Uni Wien „Gab es in der WHO-Region Europa im Jahr 2021 159 gemeldete Masernfälle, waren es 2022 schon 904 und heuer allein im Jänner und Februar 993 Fälle.” Mark Muckat, WHO „Schicken Sie Ihre Proben ein!” Annette Mankertz, Robert Koch Institut

RkJQdWJsaXNoZXIy NDYwNjU=