Walter Hoch Hier die über Jahrhunderte erkämpfte Redefreiheit, dort das Verbot gewisser Äußerungen zum Schutz vor Diskriminierung. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) nahm eine Differenzierung vor und ging primär von Artikel 17 der Europäischen Menschenrechtskonvention aus. Dieser untersagt einen Missbrauch der Rechte durch Handlungen, die den grundlegenden Wertungen der Konvention entgegenstehen. Die Kardinalfrage lautet: Ist eine Äußerung nur abstoßend oder schockierend, aber noch zulässig, oder kann sie bereits Hass erwecken? Ist eine Kritik an einer ärztlichen Behandlung im Rahmen oder ist sie bereits rufschädigend? Zu berücksichtigen sind dabei konkrete Umstände wie Ziel und Inhalt einer Äußerung, der Kontext, in dem diese getätigt wurde, wie öffentlich diese erfolgte. Urteile zu Hate Speech gibt es in Österreich kaum, am ehesten noch infolge des Verbotsgesetzes wegen Wiederbetätigung. Rassismus, religiöse Hate Speech, Verhetzung, Homophobie, Cyber Mobbing sind weitere Inhalte der Hassrede. Von der bloßen Beleidigung hebt sie sich dadurch ab, dass sie entweder über einen längeren Zeitraum wiederholt wird oder dass sie bereits bei einem Mal extrem ausfällig ist. Wortgewalt Am häufigsten wird verbale Gewalt ausgeübt. Beschimpfungen, beleidigende und aggressive Äußerungen sowie aus der Luft gegriffene Negativ-Bewertungen auf ärztlichen Online-Plattformen bilden das Hauptarsenal gegen Ärzt:innen. Dabei wird Hate Speech durch den niederschwelligen Zugang zum Internet gefördert. Sie geht über normale Frustrationsbekundungen, die rein affektierte, irrationale Handlungen darstellen, hinaus. Ihr geht es gezielt darum, über die Kommunikation, etwa auch über Bilder oder diskriminierende Memes, eine Form von gravierender menschlicher bzw. fachlicher Minderwertigkeit sowie einen sozialen Schaden herzustellen. Bei Ärzt:innen kann eine gehässige Bewertung und Beschreibung auf den entsprechenden Plattformen nicht nur ein Misstrauen bei den Patient:innen zum angegriffenen Arzt bewirken, sondern auch einen (finanziellen) Schaden verursachen. Verwendet werden dafür sowohl ein ausgeprägter eigener Wortschatz als auch auf den ersten Blick harmlos wirkende Slogans wie „Wir zuerst“. In einem entsprechenden Kontext verwendet mutieren sie zu Schimpfwörtern. Beides zusammen bildet einen Schmähwortschatz. Aggressive Patient:innen lassen sich vereinzelt zu gewalttätigem Handeln hinreißen. So erhielt ein Wiener Arzt von einem Patienten einen Schlag ins Gesicht, einem anderen wurde das Nasenbein gebrochen und ein Kardiologe wurde mit einem Messer angegriffen. In Spitälern sind vor allem die Bediensteten in den Notaufnahmen oder Notfallabteilungen, in der Psychiatrie und Geriatrie Aggressionen ausgesetzt. Vielfach liegt es daran, dass d ie Pat ient : i nnen verunsichert, angespannt und in einer Ausnahmesituation sind. Im ex t ramur a l en Be - reich sind die Kassenä rz t : i n n e n s t ä rker b e - t rof fen. A b e r a u c h hier richten sich, ä h n l i c h w i e i m Spi t a l sbe - reich, die Aggressionen noch häufiger gegen Ordinations- und Sprechstundenhilfen. Im Herbst 2019 gaben in einer bundesweiten Umfrage im Auftrag der ÖÄK 71 % der teilnehmenden Ärzt:innen an, verbale Gewalt erfahren zu haben, 25 % waren gar körperlicher Gewalt ausgesetzt. Häufig entzündet sich ein Streit daran, dass ein:e Patient:in zu einem falschen Termin kommt, weil die Wartezeit zu lang und das Arztgespräch zu kurz war, er:sie eine andere Behandlung als die von Arzt:Ärztin vorgeschlagene will. 2022 klagten auch viele Patient:innen, dass sie nicht mit dem von ihnen gewünschten Impfstoff geimpft wurden, wofür sie den Arzt/die Ärzt in ve r a nt wor t l i c h machten, obwohl lange Zeit zentral zugeteilt wurde, welHate Speech ist keine Bagatelle In Ordinationen und Spitälern hat sich Hate Speech gleichsam als „Long Covid“ gegen das Gesundheitspersonal über die Pandemie hinaus verstärkt. Das macht Gegenreaktionen notwendig. Illu: Shutterstock, Montage: Conclusio wirtschaft&Erfolg 32 Ærzte Steiermark || 06|2023 Nach Hass-Attacken im Netz (und in der Wirklichkeit) 1. Sofort handeln Notrufnummer 133 wählen oder Vorfall umgehend bei der nächsten Polizeiinspektion anzeigen 2. Hilfe finden AMBOSS (Anti-Mobbing-Burn-Out-Supervisionsstelle der Ärztekammer Steiermark) E-Mail: amboss@aekstmk.or.at, Betreff „Hass im Netz“ Anonymer Telefonkontakt: +43 664 96 57 749, jeden Donnerstag, 17–18 Uhr Zara: www.zara.or.at Eine Initiative des Referats für Ärztliche Sondereinsätze der Ärztekammer Steiermark mit der Landespolizeidirektion Steiermark und der Beratungsstelle ZARA Information ist wichtig. Dieser Info-Aufsteller liegt daher AERZTE Steiermark bei. Mehr Informationen: www.aekstmk.or.at/233?articleId=12375&referer=%2Fc ms.php%3FsearchString%3Dhass
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