niedergelassene Ärztinnen und ärzte Ærzte Steiermark || 06|2023 49 Der ganz normale Praxiswahnsinn praktisch täglich Von Ulrike Stelzl Im Kreuzverhör Ich finde unsere Ordination und unsere Art zu arbeiten echt gut – besonders den Umgang und die Kommunikation mit den Patienten. Wir legen sehr viel Wert auf Freundlichkeit, Geduld, Service und darauf, dass die Menschen uns vertrauen können und sich wohlfühlen. Trotzdem habe ich unlängst ausreichend Beispiele dafür geliefert, wie man es nicht macht. Und das Blöde ist: Bei manchen wichtigen Dingen bin ich kein Blitzgneißerchen, sondern habe eine ewig lange Leitung. So auch diesmal, denn es hat einen Tag gedauert, bis ich im Nachhinein klüger war: Zu Gast in meiner Ordination war eine junge Kollegin, die eine Turnuspause eingelegt hatte, um ihr Zweitstudium zu beenden. Um nicht ganz den Kontakt zur Medizin zu verlieren, bat sie um Gelegenheit zur Hospitation. Intelligent, engagiert und sympathisch erschien sie mir ideal dafür, ihr etwas von dem, was mir wichtig ist, weitergeben zu können. Der Tag begann wie üblich mit Gesundenuntersuchungen. Die ersten zwei waren unproblematisch: gesund, schlank, sportlich. Die nächsten beiden waren allerdings ganz andere Kaliber: Ein Endzwanziger und ein Sechzigjähriger mit BMIs weit jenseits der 35. Also begann ich an vorgesehener Stelle der VU wie üblich mit der Sport- und Ernährungsanamnese, um dann in Beratungsgespräche überzugehen. Was die Kollegin, selbst Leistungssportlerin, dazu veranlasste, sich begeistert ins Gespräch einzubringen. Zusammen produzierten wir jede Menge herausragender Vorschläge und Verbesserungsideen fürs adipogene Alltagsleben. Irgendwann fiel mir auf, dass der arme Adipöse uns gegenüber immer kleiner wurde und richtig im Sessel einschrumpelte. Viel später dämmerte mir dann, wie unangenehm die Gesprächssituation für ihn gewesen sein musste: Zwei gegen einen, die dann noch in ziemlichem Tempo einen Satz nach dem anderen abfeuern. Ein richtiges Kreuzverhör. Und das noch ausgerechnet bei Übergewichtigen, die ja meist ohnehin schon ein schlechtes Gewissen haben und von der Gesellschaft als faul und dumm attribuiert werden. Es ist schon schwer genug, als Patient bei heiklen Themen einem Arzt gegenüber zu sitzen. Aber wenn es gleich mehrere sind, ist es wirklich furchtbar. Ich erinnere mich noch, vor ein paar Jahren hatte ich eine größere Operation. Jeden Morgen rauschte die Chefvisite durch mein Krankenzimmer: Frisch geduscht und duftend, voller Elan und einer fescher als die andere. Selber hockt man elend im Bett, sieht aus wie etwas, das die Katze hereingeschleppt hat und riecht auch so. Bis heute hat sich mein Selbstbewusstsein davon nicht ganz erholt. Dr. Ulrike Stelzl ist niedergelassene Ärztin für Allgemeinmedizin. Mehr von ihr gibt es im Buch „Hallo Doc! 2 Der ganz normale Praxiswahnsinn“ (erhältlich bei Amazon) Foto: Furgler Masern sind sehr ansteckend. Auch für Healthcareworker. Ohne Impfung erkranken 95 von 100 Menschen. Bei 10 von 100 MasernFällen ist mit schweren Folgeerkrankungen zu rechnen. Die Masern-Impfung schützt. Verlässlich. Bitte denken Sie an Ihren Impfschutz – und an den Ihrer MitarbeiterInnen! Gratis für Menschen jeden Alters! Fotolia
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