Das Magazin der Ärztekammer Steiermark Oktober 2023 Toll. Arzt Kornhäusl ist Gesundheitslandesrat. Großartig. Markus Herrmann macht Lust auf die Labormedizin als spannendes Fach. Sensationell. Bernhard Kowalski, Elena Noé, Jakob Laumer und Carola Tamm holten Gold beim Paramedic Cup für Notfallmedizin. Österreichische Post AG MZ 02Z033098 M Ärztekammer für Steiermark, Kaiserfeldgasse 29, 8010 Graz, Retouren an PF555, 1008 Wien STEIERMARK Foto: Adobe Stock Foto: Land Steiermar Landeshauptmann Christopher Drexler im AERZTE Steiermark-Gespräch „… man darf nie zufrieden sein“ Sehr gute Ausbildung Impfen ist Ärztesache
Betriebsrat für das wissenschaftliche Personal KarenzZeiten? Schwangerschaft? BetreuungsGeld? VertragsBefristung? ElternTeilzeit? KinderBetreuung? Pioneering Minds arenti INFO-TAG 08.11.2023, 15:00 LKH-Univ. Klinikum Graz, Hörsaalzentrum Dŝƚ ĨƌĞƵŶĚůŝĐŚĞƌ hŶƚĞƌƐƚƺƚnjƵŶŐ ĚƵƌĐŚ͗ FRAGEN ANTWORTEN &
Bereich themen Ærzte Steiermark || 10|2023 3 BUCHTIPP Der Notfall. Erste Hilfe, bis die Notärztin/der Notarzt kommt Von: Robert Mader, Gerhard Prause, Georg Kurtz, Markus Gschanes 5., komplett überarbeitete und aktualisierte Auflage Verlagshaus der Ärzte ISBN: 978-3-99052-295-0 EUR 21,90 Ärzt:innen im niedergelassenen Bereich und jene, die in ihrem Alltag selten mit Notfällen konfrontiert sind, haben zumeist wenig Routine bei Reanimationen, Lagerung von Notfallpatienten oder Umgang mit komatösen Zuständen. In diesem kompakten Handbuch geben vier (steirische) Notärzte einen Überblick über den aktuellen medizinischen Stand in der Erstbehandlung von Notfällen, noch bevor eine Übergabe an den/die Notärzt:in möglich ist. Neben allgemeinen Notfällen werden auch jene bei Vorerkrankungen sowie im Kindes- oder Greisenalter thematisiert. DATUM 20. Oktober Seit 1996 wird alljährlich am 20. Oktober der Welt-Osteoporosetag begangen, mit medizinischer Aufklärung und Awareness-Projekten. Auf der entsprechenden Homepage www.worldosteoporosisday.org gibt es ein Wissensquiz und einen Risikocheck zum Selbstausfüllen. LINK: https://www.fh-joanneum.at/news/masterup/ Begleitend zum Universitätslehrgang „Angewandte Ernährungsmedizin“ von FH Joanneum und Med Uni Graz wurde der Podcast „Master up!“ ins Leben gerufen. Zu Wort kommen in den gut halbstündigen Beiträgen Studierende, Absolvent:innen und Vortragende – zu Themen von der Ernährungsmedizinischen Basis bis zur Ernährung in der Intensivmedizin. Zahl 36.000.000 Laut Angaben der WHO leben allein in der WHO-Region Europa mittlerweile 36 Millionen Menschen mit Long COVID; viele davon sind aufgrund diverser Symptome in ihrem Alltag eingeschränkt. Foto: Elisabethinen Fortbildungstipp Vom 23. bis 24. Oktober 2023 veranstaltet die Grazer Universitätsklinik für Chirurgie mit ihren Klinischen Abteilungen am Campus der Med Uni Graz die Grazer Chirurgischen Herbsttage unter dem Motto „wir.gemeinsam.zukunft.gestalten“. Detailinformationen und Anmeldung unter: www.chirurgische-herbsttage.at IMPRESSUM: Medieninhaber (Verleger): Ärztekammer für Steiermark, Körperschaft öffentlichen Rechts | Redak- tionsadresse: 8010 Graz, Kaiserfeldgasse 29, Tel. 0316 / 8044-0, Fax: 0316 / 81 56 71, E-Mail: presse@aekstmk. or.at | Chefredaktion: Martin Novak | Koordination: Mag. Ursula Scholz | Redaktionelle Betreuung und Produktion: CONCLUSIO PR Beratungs Gesellschaft mbH, Schmiedgasse 38, 8010 Graz | Gestaltung: Konrad Lindner | Anzeigen: Gernot Zerza, Tel.+43 664 2472673, E-Mail: Zerzagernot@gmail.com; Mit „Promotion“ gekennzeichnete Texte sind entgeltliche Veröffentlichungen im Sinne § 26, Mediengesetz. | Druck: Stmk. Landesdruckerei GmbH, 8020 Graz | Abonnements: Eva Gutmann, Ärztekammer Steiermark, Tel. 0316 / 804440, Fax: 0316 / 81 56 71. Jahresabonnement (11 Ausgaben) EUR 25,–. Gedruckt nach der Richtlinie „Druckerzeugnisse“ des Österreichischen Umweltzeichens, Medienfabrik Graz, UW-Nr. 812 Klimakompensierte Produktion www.climate-austria.at Ident-Nr Klimakompensierte Prod www.climate-austria Kennzeichnu für vorbildlic Waldwirtscha HCA-COC-100 Förderung nachhaltiger Waldwirtschaft PEFC/06-39-22 PEFC zertifiziert r ckt nach der Richtlin e „Druckerzeugnisse“ ster eichischen Umweltzeichens, ienfabrik Graz, UW-Nr. 812 Klimakompensierte Produktion www.climate-austria.at Ident-Nr. A Klimakompensierte Produk www.climate-austria.a Kennzeichnung für vorbildliche Waldwirtschaft HCA-COC-10029 Förderung c lti er l i ft - PEFC zertifiziert update im Oktober Schlagzeile „Karlheinz Kornhäusl verbindet reiche politische und als Facharzt für Innere Medizin am LKH Graz II/West medizinische Kompetenz. Er hat die besten Voraussetzungen für die schwierige Aufgabe. Juliane Bogner-Strauß hat mit Mut und Beharrungsvermögen vieles richtig gemacht, das ist wenig bedankt worden.“ Michael Sacherer, Ärztekammer. Kleine Zeitung, 10. Oktober 2023
Bereich themen 4 Ærzte Steiermark || 10|2023 Fotos: Adobe Stock, Shutterstock Themen Cover. LH Drexler: „... menschlich verständlich“ 8 Gesundheitsressort: Karlheinz Kornhäusl folgt Juliane Bogner-Strauß 13 Arzt im besonderen Dienst. Philipp Lamprecht Mit eisernem Willen zum Ironman 14 Essay. Kurt Völkls Gedächtnisvorlesung für Werner Leodolter: I did it my way 16 Labormedizin. Im magischen Dreieck von Medizin, Technik & Management 18 Fortbildung: 14. Grazer Impftag 21 WAVM. Staffelübergabe in der Wissenschaftlichen Akademie für Vorsorgemedizin 22 Versorgung. Kinderfachärzt:innen: Dem großen Mangel zuvorkommen 25 Serie. „Auf jeden Fall eine Ordi wagen!“ 27 Gesunder Genuss. Harte Schale, gesunder Kern 28 Prävention. HPV, Influenza, COVID 30 Grazer Fortbildungstage. Zu allen Themen gibt es Studien – aber was genau sagen sie aus? 32 Wirtschaft&Erfolg. Angehörige abgesichert 33 Wirtschaft&Erfolg. Multimodaler Schutz vor Einbrüchen in Praxen 35 Expertinnentipp. Mögliche Tätigkeiten von Wohnsitzärztinnen und -ärzten 37 CIRS. Patient mit Schädelverletzung heimgeschickt 37 Forschung. Genetischer Marker für Multiple Sklerose erforscht: Prognose zur Schwere der Erkrankung 38 Angestellte Ärztinnen und Ärzte Steirische Ärzt:innen fühlen sich sehr gut ausgebildet 40 Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte Serie KASSENCHECK. Allgemeine Vorsorgeuntersuchung sowie Junior-Check bei der SVS 43 Apotheken: Impfen, statt Medikamentenversorgung zu verbessern? 44 Serie. Praktisch Täglich. Sankt Bürokratius: der Schutzheilige der Hausärzte 45 Debatte 6 News 39 Referate 47 Kleinanzeigen 48 Personalia 51 Karikatur 53 Ad Personam 54 Gute Ausbildung ... Die steirischen Ärzt:innen mögen ihre Ausbildung. Das ist der Succus der österreichweiten Ausbildungsevaluation, die die ETH Zürich heuer durchführte. Seite 40 ... Ist WirklichWichtig ÖGKJ-Präsidentin Karall forderte bei der 61. Jahrestagung der ÖGKJ in Leoben rasch eine Erhöhung von Ausbildungsstellen für Pädiater:innen an Zentren mit Ausbildungskapazitäten. Seite 25
Ærzte Steiermark || 10|2023 5 Bereich themen Eine persönliche Einladung an alle, die älter als 60 Jahre sind – laut aktueller „Frage des Monats“ ist das für knapp 40 Prozent das beste Mittel, um die Menschen zur COVID-Auffrischungsimpfung zu bewegen. Rund ein Drittel der Befragten ist der Meinung, dass Ärztinnen und Ärzte selbst entscheiden sollen, wie die Patientinnen und Patienten angesprochen werden sollen. Am wenigsten Zustimmung findet eine breite Informationskampagne (über die Medien). Das hält nur ein schwaches Viertel für eine brauchbare Maßnahme. Und 5 Prozent halten sich bedeckt oder wissen nicht, was funktioniert. „Persönlich“ und „ärztlich“ ist also für eine deutliche Mehrheit der beste Weg zu einer hohen Impfbeteiligung. In Summe sehen das mehr als 70 Prozent so. Jetzt muss es also nur mehr gemacht werden. epikrise Kurze Nachrichten aus der Redaktion Soziale Medien: X/Twitter: www.twitter.com/ AERZTE_NEWS Facebook: www.facebook. com/aerztekammer.stmk/ und Facebook-Gruppe für steirische Ärztinnen und Ärzte Youtube: AERZTE_NEWS Instagram: www.instagram. com/aerztekammerstmk Foto: unbekannt bild des monats. Vor 120 Jahren, am 1. Oktober 1903, starb der Physiologe, Histologe, Universitätsprofessor, Dekan der Medizinischen Fakultät, Rektor der Karl-Franzens-Universität und erster Präsident der Ärztekammer Steiermark, Alexander Rollett. Er war auch Vater von Oktavia Aigner-Rollett, die als erste Ärztin in Graz eine Praxis innehatte, sowie Landtagsabgeordneter und Gemeinderat in Graz. Auch der jüngere Bruder des gebürtigen Wieners Alexander Rollett war Arzt und Hochschullehrer, allerdings in Wien. Der Vater Karl Rollett war Stadt- und Badearzt in Baden bei Wien. AERZTE Steiermark Frage des Monats: Wie kommt die COVID-Impfung am besten zu den Menschen? Persönliche Impfeinladung an alle über 60 Ärzt:innen informieren nach eigenem Ermessen Informationskampagne Weiß nicht/Sonstiges n=158 39,0 % 23,3 % 32,7 % 5,0 % Mit persönlicher Einladung zur Impfung
6 Ærzte Steiermark || 10|2023 Bereich Gerhard Posch Es ist Großartiges für Sie gelungen Im März diesen Jahres wurde bekannt, dass das Burgenland die Bezahlung seiner Spitalsärztinnen und -ärzte deutlich verbessert hat. Im September, ein halbes Jahr später, hat der burgenländische Landeshauptmann berichtet, dass es gelungen ist, wieder mehr Ärztinnen und Ärzte für die Spitäler im Burgenland zu finden. Die Vermittlung guter Nachrichten braucht ihre Zeit. Warum sollte das in der Steiermark anders sein? Auch hierzulande wird es eine Zeit dauern, bis genug Ärztinnen und Ärzte wissen, dass unser Gehaltsschema deutlich verbessert wurde und wir uns in den österreichischen Spitzenbereich katapultiert haben. Wir werden jetzt die detaillierten Informationen zu Ihnen bringen, elektronisch natürlich, gedruckt und darüber hinaus bei Spitalsärzteversammlungen vor Ort. Damit Sie genau wissen, was die Verbesserungen ganz konkret für Sie bedeuten. Das geht natürlich nicht von einer Sekunde zur anderen. Aber – und auch das ist ein Punkt des Verhandlungsergebnisses – Sie haben bis zum 31. Mai 2024 Zeit, um in das neue Gehaltsschema zu optieren. Bitte informieren Sie sich ausführlich. Scheuen Sie auch nicht, in der Kurie angestellte Ärztinnen und Ärzte rückzufragen. Es ist etwas Großartiges gelungen. Es soll auch für Sie ganz persönlich großartig werden. Vizepräsident Dr. Gerhard Posch ist Obmann der Kurie Angestellte Ärzte. intra kont a „Die Politik ist das Paradies zungenfertiger Schwätzer“, hat sich schon George Bernhard Shaw geärgert. Und mir scheint leider, dass die Lage auch über Generationen hinweg nicht viel besser geworden ist. Denn: Was dieser Tage von oberster Stelle im Gesundheitsministerium zum Thema Impfen kam, ist schlicht unsäglich. Offenbar hat die hohe Bundespolitik keinen Blick mehr auf die Realitäten: Etwa dass die niedergelassene Ärzteschaft seit 1997 – also ohnehin nur seit 26 Jahren – die Gratisimpfprogramme für Kinder mit großem Erfolg umgesetzt hat (jahrzehntelang gab es Gratisimpfungen eben nur für Kinder). Bei den Kleinkindern haben wir sogar während der Pandemie noch Steigerungen bei der Durchimpfung erzielen können. Um diese Raten beneidet uns Europa. Offenbar begreift man seitens der hohen Bundespolitik nicht, dass Impfen nicht bedeutet, einfach eine Nadel in einen Körper zu stechen, sondern es bedeutet Überzeugungsarbeit in einem langen Prozess. Zu glauben, dass die Durchimpfungsraten steigen würden, wenn im Hinterzimmer von Apotheken (und sei es im Hochglanzfoyer) frisch fröhlich herumgestochen wird, ist einfach unsäglich. Besonders ärgerlich dabei: Gerade das, was wir Ärztinnen und Ärzte verschreiben – seien es zum Beispiel antibiotische Säfte für Kinder, Schmerzmittel für Krebskranke oder simpel und einfach Scheidenzäpfchen usw. usf. –, ist nicht erst seit Monaten, sondern seit Jahren in der Arzneimitteldistribution nicht verfügbar. Das kümmert die hohe Politik aber scheinbar nicht. Eigentlich klar: Da handelt es sich um ein kniffliges Problem, da müsste man sich wirklich anstrengen, um es zu lösen. So etwas strengt an. Das kostet. Also löst man etwas dort, wo es gar kein Problem gibt. Shaw hätte wahrscheinlich gesagt: Put it in your pipe and smoke it! Bei uns heißt es: Schmecks Kropferter! Dr. Michael Adomeit ist niedergelassener Arzt für Allgemeinmedizin in Birkfeld und Obmann der Wissenschaftlichen Akademie für Vorsorgemedizin. Dieser Text ist ähnlich als „Catchup“-Kommentar erschienen. 2 d batte Michael Adomeit Die Arzneimitteldistribution ist das Problem
Bereich Ærzte Steiermark || 10|2023 7 Die Gesundheitsversorgung „ist insgesamt großartig – dank des Einsatzes so vieler Ärztinnen und Ärzte, der Pflegekräfte und aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesundheitswesen“. Das sage nicht ich, das sagt der Landeshauptmann der Steiermark, Christopher Drexler. Nun ist es natürlich nicht falsch, Probleme zu benennen und alles daranzusetzen, sie zu lösen. Aber so zu tun, als gäbe es nur Probleme, ist ein schwerer Fehler. Das haben sich die Menschen, die in diesem Gesundheitssystem arbeiten, nicht verdient. Zumal die Wirklichkeit eine andere ist. Täglich werden in den steirischen Krankenhäusern und in den Ordinationen Heldentaten vollbracht, ganz selbstverständlich und ohne große Worte. Große Worte werden nur gemacht, wenn etwas nicht nach Wunsch läuft. Dann gibt es mächtige Schlagzeilen und gewaltige Erregung. Das ist genau genommen sogar eine gute Nachricht, zeigt es doch, dass die Fehlleistung nicht die Normalität, sondern die Ausnahme, der Sonderfall, ist. Denn nur der Sonderfall wird breit wahrgenommen. Wenn die Fehler selbstverständlich geworden sind, interessiert sich niemand mehr dafür. Dennoch: Es wird Zeit, der Normalität wieder mehr Aufmerksamkeit zu schenken und öfter ein einfaches Wort zu sagen. Nicht nur in der Intimität des Behandlungsraums. Sondern öffentlich. Im Landtag. In den Medien. Das einfache Wort heißt Danke. Der Landeshauptmann macht es vor. Dr. Michael Sacherer ist Präsident der Ärztekammer Steiermark. Gesundheitsfonds und Gesundheitsversorgungsgesellschaft haben die Organisation des Bereitschaftsdienstes an sich gezogen. Was sie dabei aber offenbar übersehen haben, ist die Information der Bevölkerung: „Wir haben das Problem, dass die Bevölkerung nicht weiß, dass Kinderärzte da sind“, sagte der Geschäftsführer der Gesundheitsversorgungsgesellschaft, Klaus Pessenbacher, kürzlich in der Kleinen Zeitung über den „Pädiatrischen Bereitschaftsdienst“ in Graz. Das bedeutet: Die Ärztinnen und Ärzte im Bereitschaftsdienst sind nicht ausgelastet, die Krankenhausambulanzen dagegen sind überlastet. Das ist ein generelles Problem solcher Institutionen: Sie begnügen sich damit, Angebote bereitzustellen und vergessen darauf, sie den Menschen, denen diese Angebote zugedacht sind, auch nahezubringen. Im speziellen Fall wurden sie zumindest dafür verantwortlich gemacht, im Allgemeinen sind die Patientinnen und Patienten „schuld“, wenn sie wieder einmal etwas nicht wissen. Das gilt für Bereitschaftsdienste genauso wie für das Impfen. Es wird Zeit, endlich zu begreifen, dass die Vorhaltung von Angeboten ohne intensive und wiederholte Information wenig bringt. Und dass Patientinnen und Patienten nicht wie Vogel- oder Fischschwärme agieren, die blitzartig die Richtung ändern können. Ärztinnen und Ärzte wissen, dass ihre Patientinnen und Patienten keine Sardinen oder Graugänse sind. Sie sind Menschen. Und brauchen ihre Zeit, bis sie eine Möglichkeit erkennen und auch wahrnehmen. Das gehört endlich in die Köpfe der Verantwortlichen: Behandelt die Menschen wie Menschen, nicht wie Schwarmfische. Vizepräsident Prof. Dr. Dietmar Bayer ist Obmann der Kurie Niedergelassene Ärzte. extra Dietmar Bayer Menschen sind keine Schwarmfische Standortbestimmung Michael Sacherer Einfach öfter Danke sagen d batte Fotos: Ludwig Schedl, Schiffer, Grafik: Konrad Lindner
8 Ærzte Steiermark || 10|2023 „… menschlich verständlich“ AERZTE Steiermark: Sie waren von 2014 bis 2019 in der Landesregierung für Gesundheit zuständig. Rückblickend: Hätten Sie etwas anders machen sollen? Christopher Drexler: Bestimmt. Auch wenn man sich noch so bemüht, noch so viel Expertise einholt, ich denke nicht, dass man immer alles richtig machen kann. Das gilt wahrscheinlich mehr noch als anderswo für das komplexe Gebiet der Gesundheitspolitik – mit den vielen unterschiedl ichen Playern und den mitunter komplizierten Strukturen. Ich denke aber, dass wir in dieser Zeit ganz entscheidende, richtige und wichtige Weichenstellungen getroffen haben. Mit dem RSG 2025 haben wir Weitblick bewiesen. Die zunehmende Spezialisierung, die ganz neuen Möglichkeiten moderner Medizin, die teilweise zu niedrigen Fallzahlen, aus anderen Bundesländern. Deswegen sollten wir die Augen nicht vor Problemen und Herausforderungen verschließen, sie entschlossen angehen, aber unser Gesundheitswesen auch nicht schlechter reden als es ist. Es ist nämlich insgesamt großartig – dank des Einsatzes so vieler Ärztinnen und Ärzte, der Pflegekräfte und aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesundheitswesen. Überlange Wartezeiten müssen wir gemeinsam abstellen. Die Gesundheitspolitik im Bund ist bisher mehr durch Reformankündigungen und Forderungen aufgefallen als durch tatsächlichen Reformeifer, der Nutzen für das Personal und die Patientinnen und Patienten bringt. Aber ich will nicht auf den Bund zeigen – Bund, Länder und Sozialversicherungen müssen einen gemeinsamen B a u c h a u f s c hw u n g schaffen. Ursprünglich war das Argument für die Zusammenlegung der Gebietskrankenkassen in der ÖGK eine deutliche Senkung der Kosten ohne Qualitätsverlust. Darum ist es mittlerweile sehr still geworden. Was bringt die ÖGK aus heutiger Sicht den Steirerinnen und Steirern? aber auch die derzeitige Personalnot zeigen jeweils für sich, dass es nicht mehr zeitgemäß war, an allen Spitalsstandorten jedes Leistungsangebot vorzuhalten. Das geht schlichtweg nicht und das haben wir trotz aller Kontroverse klar ausgesprochen. Verbünde, Schwerpunktspitäler und die vielen anderen Maßnahmen, die wir gesetzt haben, sichern die Spitalsversorgung in unserem Land. Wie zufrieden sind Sie selbst mit der Gesundheitspolitik in der Steiermark und im Bund? Ich glaube, man darf als politisch Verantwortlicher nie zufrieden sein. Denn das kann der erste Schritt zum Stillstand sein. Mein Anspruch ist es aber zu gestalten. Ich werde auch als Landeshauptmann sehr oft auf Themen der Gesundheitsversorgung angesprochen – von Ärztinnen und Ärzten genauso wie von vielen anderen Bürgerinnen und Bürgern. Man merkt, da ist Unruhe, da gibt es genug zu tun. Wovon ich überzeugt bin: Die Probleme, die wir in der Gesundheitsversorgung haben, sind keine steirischen Phänomene. Die gibt es in ganz Österreich – denken wir nur an die Berichte aus den Wiener Spitälern oder Ich habe leider den Eindruck, dass die Sozialversicherung, besonders die Gesundheitskasse, nach ihrem Fusionierungsstillstand noch nicht in die Rolle zurückgefunden hat, ein treibender Partner für Verbesserungen und nötige Maßnahmen zu sein. Auf die Positiveffekte der Zusammenlegung in der Praxis – in mehrerlei Wortsinn – warte ich immer noch sehnlich. 130 Millionen für höhere Gehälter von Ärzten und Pflege werden nun in der Steiermark bereitgestellt: Wird das von den Betroffenen und der Bevölkerung genug wertgeschätzt? Schließlich ist die Bezahlung einerseits Ausdruck der Wertschätzung und soll den Personalmangel dämpfen. Für mich war und ist klar, dass unsere steirischen Ärztinnen und Ärzte, unser Pflege- und Gesundheitspersonal nicht weniger verdienen dürfen Cover Der steirische Landeshauptmann Christopher Drexler erklärt im AERZTE Steiermark-Gespräch, warum es wichtig ist, Ärztinnen und Ärzte, aber auch anderes Gesundheitspersonal, sehr gut zu bezahlen und welche Rezepte gegen den Vertrauensverlust der Politik aus seiner Sicht wirken. „Für mich war und ist klar, dass unsere steirischen Ärztinnen und Ärzte, unser Pflege- und Gesundheitspersonal nicht weniger verdienen dürfen als in Spitälern in anderen Bundesländern.“ „Man kann einem Arzt nicht erklären, dass er in einem Ort im Grenzgebiet einen Notarztdienst machen soll, wenn er wenige Kilometer weiter in einem anderen Bundesland dafür besser bezahlt wird.“
Ærzte Steiermark || 10|2023 9 Cover Foto: Land Steiermark als in Spitälern in anderen Bundesländern. Wir haben uns daher entschlossen, mehr als 130 Millionen Euro jedes Jahr aufzustellen, um mit den Gehältern in den steirischen Spitälern im österreichweiten Vergleich nicht nur ganz vorne dabei, sondern zum Teil an der Spitze zu sein. Das ist uns wichtig, weil wir die großartige Arbeit unserer Ärztinnen und Ärzte, des Pflege- und Gesundheitspersonals über alle Maßen schätzen und jeden Tag nur dankbar für ihren Einsatz sein können. Daher wollen wir die Abwanderung in andere Bereiche oder Bundesländer unter anderem mit diesem historischen Gehalts paket stoppen und neues Personal für die Spitäler finden – nicht zuletzt, um auch Entlastung zu schaffen.
10 Ærzte Steiermark || 10|2023 Foto: Land Steiermark chen für die Zukunft. Das gilt für die Gehälter in den Spitälern genauso wie für die Kinderbildung und -betreuung. Ein Personalpaket, ein verbesserter Betreuungsschlüssel und eine soziale Staffelung der Elternbeiträge für Kinderkrippen waren Teil eines ersten Maßnahmenbündels. Außerdem haben wir die Maßnahmen der Bundesregierung gegen die Teuerungen auf Landesebene Sie sind seit etwas mehr als 15 Monaten Landeshauptmann der Steiermark. In dieser Zeit waren die Gehälter für das Spitalspersonal eines von mehreren millionenschweren Paketen, die aufgesetzt wurden. Welches davon ist Ihnen besonders wichtig? Sie sind alle wichtig und notwendig, um für die Steirerinnen und Steirer die besten Lebensbedingungen in unserem Bundesland zu schaffen und für die Zukunft zu sichern. Ich will unser Bundesland in möglichst vielen Bereichen an der Spitze sehen – denn da gehört die Steiermark hin. Dafür arbeiten wir jeden Tag in der Landesregierung. Und wenn wir sehen, dass die Umstände einen besonderen Handlungsbedarf in einzelnen Bereichen ergeben, dann finden wir Lösungen und stellen die nötigen WeiMit einem eigenen Sachprogramm beschleunigen wir den Photovoltaik-Ausbau in der Steiermark und werden auch bei der Windkraft eine neue Offensive starten. Es geht dabei um nicht weniger als sauberen, CO2-freien Strom und die Unabhängigkeit von Energieimporten aus dem Ausland. Ein vor allem für Junge wichtiges Thema ist die Kinderbetreuung. Die wird zwar besser, aber nur sehr langsam. Und die Steiermark schneidet im Österreichvergleich eher schwach ab. Wann wird es eine den Arbeitszeiten Spitalsbediensteter (dazu gehören auch Nacht- und Wochenenddienste) entsprechende Kinderbetreuung geben? Gemeinden, Land und Bund sind da laufend dahinter. Wir unterstützen die Gemeinden ergänzt. Etwa den Heizkostenzuschuss verdoppelt und eine 122 Mi l lionen Euro schwere Wohnoffensive gestartet, mit der nicht nur die Bauwirtschaft für Wohnraum angekurbelt werden soll, sondern auch das Wohnen insgesamt für die Steirerinnen und Steirer wieder billiger wird. Nicht zu vergessen der Klimaschutz und die Energieunabhängigkeit, die ganz oben auf der Prioritätenliste stehen: „Ich bin davon überzeugt, dass das schwindende Vertrauen vor allem mit dem Stil und dem Umgang zu tun hat, von dem sich immer mehr abwenden. Deshalb ist es mir so wichtig, dass wir es in der Steiermark anders machen.“ Cover
Ærzte Steiermark || 10|2023 11 Foto: Land Steiermark sehr intensiv beim Ausbau der Kindergärten und der Kinderkrippen – hier passiert wahnsinnig viel. Auch bei der Kinderbetreuung haben wir ein Personalthema. Das ist durch große Anstrengung der Kindergartenträger und durch das genannte Maßnahmenbündel besser geworden – aber auch da müssen wir weiter dranbleiben. Der Bundeskanzler hat unlängst massive Investitionen in die Kinderbetreuung angekündigt. Ich denke, dass wir im Kinderbetreuungsangebot in dern generell ein Thema. Wie kann die Politik diesem zunehmenden Mangel begegnen? In den letzten Monaten und Jahren hat sich die Diskussion über den Arbeitsmarkt den nächsten Jahren weiter massive Schritte vorwärts machen werden. Die Arbeitskräfte sind nicht nur im Gesundheitswesen, sontatsächlich komplett gedreht. Statt Arbeitslosigkeit war das Thema der Arbeitskräftemangel. Zuletzt hat allerdings die Arbeitslosigkeit wieder etwas zugenommen. Die wirtschaftlichen Prognosen sind eher verhalten. Wir müssen uns also auch diesem Thema verstärkt widmen und in beide Richtungen aufmerksam bleiben. Denn auch wenn in manchen Branchen die Arbeitslosigkeit leider zunimmt, wird es immer auch Bereiche geben, in denen ein Mangel bleibt. Die Steiermark ist ein „Das ist uns wichtig, weil wir die großartige Arbeit unserer Ärztinnen und Ärzte, des Pflege- und Gesundheitspersonals über alle Maße schätzen und jeden Tag nur dankbar für ihren Einsatz sein können.“ Cover
12 Ærzte Steiermark || 10|2023 cover Ausbau des öffentlichen Verkehrs, ein breites Ku l turangebot und selbstverständlich durch ein sehr gutes Gesundheitssystem. Immer weniger Menschen haben Vertrauen in die Politik. Viele wenden sich ab oder extremen Rändern zu. Welche Gegenrezepte gibt es? Wenn sogar ich bei manchen Parlamentsdebatten im Fernsehen einen Ausschaltimpuls habe, wie soll es dann anderen gehen, die nicht jeden Tag mit Politik zu tun haben? Ich bin davon überzeugt, dass das schwindende Vertrauen vor allem mit dem Stil und dem Umgang zu tun hat, von dem sich immer mehr abwenden. Deshalb ist es mir so wichtig, dass wir es in der Steiermark anders machen. Dass wir ein Modell der Politik leben, einen steirischen Weg gehen, wo es um das gemeinsame Erreichen von Zielen für das Land geht und nicht um untergriffigen politischen Kampf. Wir sind eine Landesregierung, die nicht nur arbeitet, sondern wirklich auch zusammenarbeitet. Wir pflegen auch einen ganz anderen, offeneren Umgang mit den Oppositionsparteien, als das in anderen Ländern oder insbesondere im Bund der Fall ist. Und wir führen auch keine Scheindebatten über irgendwelche Begrifflichkeiten. Wir beschäftigen uns in unserer politischen Arbeit mit den Themen, die den Steirerinnen und Steirern wichtig sind. Die Notarztbezahlung wurde im Vorjahr verbessert, die Land mit einer extrem hohen Lebensqualität. Wir haben eine wunderschöne Naturlandschaft, von den alpin geprägten Regionen bis zu den Weinbergen – eine Vielfalt wie kaum woanders. Dazu kommen eine Gastfreundschaft und ein gesellschaftlicher Zusammenhalt, die man erst einmal wo finden muss. Das sind alles wichtige Faktoren, die einen Standort als Arbeitsplatz attraktiv machen. Deshalb betreiben wir auch verstärkt Standortmarketing. Weil wir bei Arbeitskräften aus dem Ausland bekannt und für sie attraktiver werden wollen. Weil wir qualifizierten Zuzug – ganz im Gegensatz und strikt zu trennen von illegaler Migration – brauchen. Nicht um heimische Arbeitskräfte aus dem Markt zu drängen – sondern weil wir dem Fachkräfte- und Arbeitskräftemangel in so vielen Bereichen begegnen müssen. Und genau deshalb steht im Mittelpunkt unserer Arbeit der Erhalt dieser einzigartigen Lebensqualität. Das schaffen wir durch entschlossenen Klima- und Naturschutz, durch das neue Raumordnungsgesetz gegen unnötige Bodenversiegelung, durch Initiativen zur Ortskernbelebung, gute Bildungseinrichtungen, eine verbesserte Kinderbetreuung, den Klagen über nicht besetzbare Notarztdienste sind seither sehr leise geworden. Also kann man mit der Bezahlung offenbar doch lenken? Ja, und es ist auch mens ch l ich vers t ä nd l i ch . Ma n kann einem Arzt nicht erklären, dass er in einem Ort im Grenzgebiet einen Notarztdienst machen soll, wenn er wenige Kilometer weiter in einem anderen Bundesland dafür besser bezahlt wird. Hier haben wir nachgebessert und sind uns auch mit den Expertinnen und Experten einig, dass die telemedizinischen Möglichkeiten ausgebaut werden sollen. Mit dem engmaschigen bodengebundenen Notarztnetz und drei Rettungshubschraubern für unser Bundesland – zwei davon im 24-Stunden-Einsatz – haben wir auch aus der Luft eine Notfall-Versorgung geschaffen, die es kaum in einer anderen Region gibt. Da sind wir gut aufgestellt und ich möchte mich bei allen Ärztinnen und Ärzten herzlich bedanken, die im Notarztwesen in unserem Land tätig sind und tagtäglich Leben retten! Das Leitspital in Stainach ist nach wie vor ein Riesenprojekt, aber auch ein großer Aufreger. Wie lassen sich die Gemüter beruhigen? Es ist nicht nur ein Riesenprojekt, es ist auch ein wirklich wichtiges Projekt für die Gesundheitsversorgung im Bezirk Liezen. Das Leitspital in Stainach wird mehr Qualität, mehr Leistung und mehr Angebot bringen. Wir sehen aktuell, wie schwer es ist, die Diensträder an einzelnen Krankenhausstandorten aufrechtzuerhalten. Darum wird jeden Tag gekämpf t, weil einzelne Personalausfälle schon ganze Abteilungen ins Wanken bringen können. Dass ein großes, modernes und gut ausgestattetes Krankenhaus in der „Mitte“ des Bezirkes notwendig ist, um die bestmögliche Spitalsversorgung für die Zukunft sicherzustel len, haben Fachleute – unter ihnen auch führende Ärztinnen und Ärzte aus den Krankenhäusern des Bezirkes – schon lange klargestellt. Es ist völlig nachvollziehbar, dass so ein großes Projekt für Verunsicherung sorgt. Deshalb muss man auch immer wieder die Beweggründe für dieses Projekt, den großen Nutzen, hervorstreichen, die vielen Vorteile aber auch die Notwendigkeit aufzeigen. Da braucht es mit Sicherheit noch einige Anstrengungen. Die Verunsicherungen abzubauen ist aber nicht nur eine Frage der Kommunikation, sondern auch der Begleitmaßnahmen in der regionalen Gesundheitsversorgung. Die gilt es ehestmöglich festzumachen. Dann werden auch die Vorteile und die Notwendigkeit dieses Projekts wieder in den Vordergrund treten. „Bund, Länder und Sozialversicherungen müssen einen gemeinsamen Bauchaufschwung schaffen.“ „… wenn in manchen Branchen die Arbeitslosigkeit leider zunimmt, wird es immer auch Bereiche geben, in denen ein Mangel bleibt.“
Ærzte Steiermark || 10|2023 13 cover Karlheinz Kornhäusl ist neuer Gesundheitslandesrat – und bringt dafür gute Voraussetzungen mit: Schließlich hat er nach dem allgemeinmedizinischen Turnus, der ihn nicht nur durch viele steirische Spitäler, sondern auch eine Lehrpraxis geführt hatte, die Facharztausbildung zum Internisten absolviert und war daneben auch Notarzt. Zuletzt arbeitete er als Facharzt für Innere Medizin am LKH Graz II/West. Von Jugend an übte Kornhäusl zusätzlich politische Funktionen aus. Unter anderem als Landesobmann der Schülerunion Steiermark und aktuell als Grazer ÖAAB-Obmann soFotos: Land Steiermark, Barbara Nidetzky Pioneering Minds Med Uni Graz 1. Tagung der österreichischen psychosomatischen Fachgesellschaften WIRKMACHT BEZIEHUNG Samstag, 11.NOVEMBER 2023 Hauptprogramm 9.00 bis 16.30 Uhr bzw. 9.00 bis 18.15 bei zusätzlicher Teilnahme an einem Workshop Medizinische Universität Graz, Aula Neue Stiftingtalstraße 6 8010 Graz Gesundheitsressort: Karlheinz Kornhäusl folgt Juliane Bogner-Strauß Der KAGes-Arzt und ehemalige Turnusärzteobmann Karlheinz Kornhäusl übernimmt die Ressorts Gesundheit, Pflege und Sport in der Landesregierung. wie als steirischer Bundesrat und ÖVP-Fraktionsvorsitzender in der Länderkammer. In der Ärztekammer war er Turnusärzteobmann auf Landes- und Bundesebene. Hier setzte er sich vor allem für die Ausbildung seiner Kolleginnen und Kollegen ein. Den Arztberuf konnte Kornhäusl als Bundesrat noch ausüben. Als Landesrat muss er ihn aufgeben. Seine Vorgängerin Juliane Bogner-Strauß ist Chemikerin und hat als assoziierte Professorin am Institut für Biochemie der TU Graz gearbeitet. Sie war als Ministerin für Familien und Jugend zuständig und Mitglied des Nationalrats, bevor sie im Dezember 2019 als Landesrätin vor allem für Gesundheit und Pflege in die Landesregierung wechselte. Dort hatte sie von Anfang an das politische Corona-Management zu verantworten. Laut Medienberichten kehrt sie als Bundesfrauenvorsitzende ihrer Partei nun wieder in den Nationalrat zurück.
ArzT im besonderen dienst 3,86 Kilometer schwimmen, 180,2 Kilometer Rad fahren und dann noch einen Marathon laufen. Beim Ironman ist allein das Erreichen des Ziels schon eine Spitzenleistung. Philipp Lamprecht ist bereits mehrfacher Finisher – unter anderem im Vorjahr auf Hawaii, der Wiege des Wettbewerbs. Trotz des Klimaschocks, den eine Reise im Oktober von der Steiermark nach Hawaii naturgemäß mit sich bringt, war er erfolgreich. „Das war mein sportlicher Lebenstraum!“, resümiert er. Der Bewerb des Ironman, jenes berühmten LangstreckenTriathlons, wurde im Jahr 1978 auf Hawaii ausgehend von der Kleinstadt Kona auf der Hauptinsel zual lererst ausgetragen, der Markenname ist inzwischen geschützt. Heutzutage ist der Ansturm auf den internationalen Wettbewerb so groß, dass man schon stolz sein kann, sich dafür qualifiziert zu haben: jeweils bei einem nationalen Ironman. Philipp Lamprecht trat auf Hawaii mit der Startnummer 2514 an und kam nach 10 Stunden, 11 Minuten und 55 Sekunden ins Ziel. Großer Traum – dickes Fell Dabei diente der Sport in seinem Leben ursprünglich nur der Entspannung und dem Ausgleich zum Lernen. Profisport kam für ihn nie in Frage, schon seit Volksschulzeiten verfolgte Philipp Lamprecht das Ziel, Arzt zu werden. „Der menschliche Körper und die biochemischen Vorgänge in ihm haben mich schon immer fasziniert.“ Während andere Studienanfänger:innen den Sezierkurs auf dem Weg zum Arztberuf bestenfalls in Kauf nehmen, fand ihn Lamprecht enorm spannend und entdeckte dabei seine Freude an der Handwerkskunst des Arztberufs. Letztlich hat er sich auch jenes Fach ausgesucht, in dem vermutlich das meiste feinmotorische Geschick erforderlich ist: die Orthopädie und Traumatologie. Seit drei Jahren absolviert er nun seine Facharztausbildung in Feldbach – genau dort, wo er einst mit seiner ersten Famulatur begonnen hat. „Zu Studienbeginn war von Allgemeinmedizin bis zur Inneren Medizin noch alles für mich vorstellbar. Letztlich fiel die Entscheidung für die Unfallchirurgie, weil mir einerseits das praktische Arbeiten Freude bereitet und andererseits, weil ich es mag, wenn eine Aufgabenstellung gleich erledigt werden kann.“ Ein dickes Fell, so Lamprecht, benötige man schon. Gehäufte Stresssituationen in 25-Stunden-Diensten, fordernde operative Eingriffe und durchaus heftige Einsätze im Schockraum gehören zum Alltag in der Unfallchirurgie ebenso wie unerwartete Schwierigkeiten, die einen raschen Schwenk zu Plan B, C oder D erfordern. Ironman als Vorbild Der ideale Unfallchirurg, so Lamprecht, verfüge über ein logisches räuml iches Verständnis, geschickte Hände und ebenso strukturiertes wie flexibles Vorgehen. Wichtig sei zudem ein gutes Problemmanagement. Das Handwerkliche hat er als Kind mit seinem Opa in der Werkstatt trainiert, wo sie gemeinsam kleine Boote und Flieger gebastelt haben. Die eiserne Disziplin, meint er, sei intrinsisch, aber durch die Erziehung noch weiter gefördert worden. Schon zu Schulzeiten hat er sich mit Judo und Tennis fit gehalten und während des Studiums unter der Woche mit Freunden beim Krafttraining beziehungsweise am Wochenende mit seinem Bruder beim Laufen. Die beiden Lamprecht-Brüder sind im südoststeirischen St. Stefan im Rosental aufgewachsen, wo es nicht nur idyllische Laufstrecken gibt, sondern auch einen echten Ironman, der zu Philipps Vorbild wurde. Nach und nach trat er dann selbst zu Wettbewerben an und arbeitete sich zum weltweit härtesten Tagesrennen auf Hawaii vor. Die Strecke hat er sich in der Trainingsphase unzählige Mit eisernem Willen zum Ironman Philipp Lamprecht wollte von klein auf Arzt werden; im Sport suchte er anfangs nur aktive Entspannung. Bis ihn die Erfolge dazu ermutigten, sich seinen Lebenstraum zu erfüllen: die Teilnahme am Ironman auf Hawaii. 14 Ærzte Steiermark || 10|2023 Foto: Mario Still, FinisherPics,
Male auf Video angesehen, „aber als Fan kennt man sie sowieso“. Zweimal täglich Trainiert wird täglich in mindestens zwei Einheiten – wenn Philipp Lamprecht nicht gerade Dienst hat, was durchaus zweimal wöchentlich vorkommen kann. Praktischerweise steht ihm mit dem Feldbacher Hallenbad in unmittelbarer Nähe seiner Arbeitsstelle eine Trainingsmöglichkeit zum Schwimmen zur Verfügung. Passende Strecken für das Radfahren und Laufen gibt es rund um seinen Heimatort ausreichend – und wenn es im Winter zu eisig ist, wird indoor weitertrainiert. „Früher habe ich meinen Trainingsplan selbst erstellt, aber vor zwei Jahren habe ich mich an einen Profi gewandt, um aus den wenigen verfügbaren Stunden das Beste herauszuholen. Jetzt trainiere ich nur halb so lang wie zu Studienzeiten und trotzdem verbessert sich meine Leistung.“ Lamprecht ist Mitglied des OMNIBIOTIC Power-Teams. Abschluss in Lahti Gerade hat Lamprecht seinen Saisonabschluss mit einem Ironman 70.3 (also der jeweils halben Ironman-Strecken) im finnischen Lahti gefeiert. 26 Österreicher (und 11 Österreicherinnen) sind angetreten; Lamprecht war der viertbeste Mann darunter und auf Platz 572 insgesamt. Im Winter stehen dann auch wieder Skitouren und Langlaufen auf dem Programm, aber generel l möchte Lamprecht nach den letzten Jahren, in denen er unter anderem österreichischer (Vize-)meister im Crosstriathlon, steirischer Meister in der Mitteldistanz – jeweils in seiner Altersklasse – und viermaliger Ironman war, nun sportlich etwas kürzertreten. „Es soll wieder mehr der Spaß im Vordergrund stehen. Skitouren in Norwegen und der Schweiz, Radtouren in den Alpen, Beachvolleyball mit Freunden und so …“, skizziert er sein nicht wirklich unambitioniertes Programm. Die Erfolge der vergangenen Jahre verdankt er seinem unbeugsamen Willen und seiner enormen Disziplin. Nun möchte er den Fokus auf die Facharztprüfung richten, aber auch vermehrt auf sein Privatleben. Süße Sünde „Ein bisschen vorsichtiger als andere Sportler“, sei er durch sein medizinisches Wissen schon beim Trainieren, meint er. Zu viel hat er schon bei seinen Patient:innen gesehen. Vor allem beim Mountainbiken ziehen sich die Biker nicht selten kompliziertere Brüche zu. „Ich fahre daher nur Cross Country, also Genusstouren.“ Das Downhill Racing überlässt er lieber anderen. Jenen Patient:innen, die aufgrund einer Sportverletzung bei ihm im Krankenhaus vorstellig werden, gibt er spezielle Tipps, wie sie sich mit entsprechender Geduld wieder an ihr vorheriges Leistungsniveau herantasten können. Auch seine sportaffinen Freunde konsultieren ihn gerne informell in medizinischen Belangen. Derzeit besucht er neben seiner Ausbildung auch die Kurse für die ÖÄK-Diplome in Sportmedizin und Manueller Medizin. Vieles in Philipp Lamprechts Leben ist dem Sport untergeordnet, nicht zuletzt auch die Ernährung mit dem Carbo Loading vor der Anstrengung und der eiweißreichen Mahlzeit danach. Aber es gibt auch Versuchungen, denen ein noch so harter Ironman nicht widerstehen kann: „Auf Süßes verzichte ich nicht!“ Fotos: Bernhard Kerntke, FinisherPix, Mario Still ArzT im besonderen dienst Ærzte Steiermark || 10|2023 15 Arzt und Ironman Philipp Lamprecht: „Der menschliche Körper und die biochemischen Vorgänge in ihm haben mich schon immer fasziniert.“
Albert Camus hat ein Werk geschrieben, das auf Werner Leodolter zugeschnitten sein könnte und dazu gemeint: „Sisyphos muss ein glücklicher Mensch gewesen sein, er kannte seine Bestimmung und den Zweck seiner Arbeit.“ Ich möchte Ihnen Gespräche, Diskussionen und Erlebnisse mit Werner Leodolter auf unserem steinigen Digitalisierungspfad schildern. Unser Grundcredo lautete: Digital kann jeder. Die meisten, die über Digitalisierung spreI did it my way Kurt Völkl, langjähriger VAEB-Generaldirektor und Professor für angewandte Unternehmensführung und -steuerung in der öffentlichen Verwaltung an der Karl-Franzens-Universität Graz, hielt die Gedenkvorlesung für den durch einen Autounfall in Island jäh aus dem Leben gerissenen, ehemaligen KAGes-Vorstandsvoritzenden Werner Leodolter. Wir bringen Auszüge. Essay chen, denken dabei nur an ein technisches Phänomen. Nicht zuletzt, weil Organisationen Millionensummen in digitale Techniken investiert haben und investieren werden. Für uns war der Digitalisierungsprozess aber vor allem tiefgreifender sozialer Kulturwandel. NachdemdieGöttin für sinnvolle Zeitabläufe ermordet worden ist, möchte ich mich nicht in die Täterreihe einordnen, sondern nur meine Arbeit mit Werner Leodolter ein wenig ausbreiten und dabei unseren Kirchturm und unseren Horizont vermitteln. Nach dem erstem Hauptsatz der Thermodynamik kann Energie weder erzeugt noch vernichtet, sondern nur umgewandelt werden. Meistens in Wärme. Nachdem wir beide ja diese angedeutete Kulturrevolution der Digitalisierung nicht alleine schultern konnten, litten wir ständigunter demDiderot-Effekt. Denis Diderot war Philosoph und Aufklärer, der gegen das dogmatische Denken und für an humanistische Ideale angelehnte Moral eintrat. Diderot hatte Marie Thérèse Rodet Geoffrin, in deren Salon er gelegentlich zu Gast war, einen Gefallen getan. Diese schenkte ihm dafür einen neuen scharlachroten Hausrock, worauf er feststellen musste, dass die vorher als harmonisch wahrgenommene Einrichtung des Hauses nicht zu demMantel passte: „Mein alter Hausrock und der ganze Plunder, mit dem ich mich eingerichtet hatte, wie gut passte eins zum anderen.“ Damit wäre das Thema Digitalisierung, Digitalisierungspfad, Digitalisierungsfortschritt recht gut beschrieben. Werner und ich kamen mit einem neuen Hausrock und standen vor dem Dilemma, wie wir Organisationen davon überzeugen können, neue Investitionen passend zum neuen Hausrock zu tätigen, um ein harmonisches Gesamtbild zu schaffen. Unser erster Befund war ernüchternd; Es gibt keine innovationsfreundliche Organisation und keine erneuerungswillige Bürokratie. Man muss einen Fuß imAlten stehen haben, einen im Neuen. Das heißt: den Alltag der Routine weitertreiben und mit voller Kraft Innovationen befeuern. Wir hatten den wortgewaltigen Philosophen Friedrich Nietzsche an unserer Seite, der den Weg der Digitalisierung fast vorgezeichnet hat: „Übung, Übung, zuerst die Werke, der Glaube folgt dann schon alleine.“ Wer so 16 Ærzte Steiermark || 10|2023 Foto: Christoph Lackner wie wir beide im öffentlichen Gesundheitswesen tätig war, schafft sich ja sein eigenes mentales Modell, wie Gesundheit funktioniert und was gute Managementführung bedeutet. Als politische Handlungsinstrumente für die Systemsteuerung stehen zur Verfügung: Finanzierung, Entgeltsystem, Organisation, Evaluierung und Überzeugung. Die Ziele Gesundheitszustand, Risikoschutz und Patientenzufriedenheit mit den zwei Bewertungskriterien Niveau und Verteilung auf die Menschen werden über die intermediären Ziele Zugang, Qualität und Effizienz erreicht. Die Kultur von Organisationen – im speziellen in Gesundheitsorganisationen – stellt sich ja nicht als nicht beliebig gestaltbar heraus. Und sie wird von einer Vielzahl von nur bedingt oder nur schwerlich beeinflussbaren Faktoren geprägt. Werner betonte immer, dass Führung offensichtlich dem einfachen Weg des Sinatra-Prinzips folgt: „I did it my way.“ Irgendwann in unseren parallel verlaufenden Laufbahnen haben wir zufällig entdeckt, dass wir beide das Glasperlenspiel von Hermann Hesse gelesen haben oder lesen mussten. Wir sind übereingekommen, dass die Figur des Regenmachers am ehesten die heutige Führungskraft, uns beide eingeschlossen, beschreibt. Hermann Hesse berichtet im Glasperlenspiel über den Regenmacher Knecht. Dieser Beamte (Hesse) steht bei seinem Stamm in hohem Ansehen. Zu den traditionellen Aufgaben des Regenmachers gehört es, die Aussaattermine zu bestimmen. Bei außergewöhnlichen Wetterverhältnissen, die die Ernte gefährden, wird er zur wichtigsten Person seines Stammes. Gegen Trockenheit und Misswuchs wendet ein Wettermacher seine Mittel an: Opfer, Beschwörungen, Bittgänge in sich steigender In- ein Unternehmen der Für Fragen steht Ihnen gerne Herr Prim. Dr. Sigurd Hochfellner zur Verfügung Ärztliche Leitung der Privatklinik St. Radegund. Privatklinik St. Radegund +43 (0) 3132 / 53 553 - 0 Diepoltsbergerstraße 38-40 A-8061 St. Radegund office@privatklinik-stradegund.at *mit Bereitschaft zur Überzahlung auf ein marktübliches und attraktives Gehalt bei entsprechender Qualifikation, Erfahrung, Kompetenz und Leistungsvermögen. Gehalt: Brutto (VZ) ab € 55.751,5,-- p.a.* ius practicandi wird zusätzlich abgegolten für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin (m/w/d) ASSISTENZARZT Gehalt: Brutto (VZ) ab € 77.000,-- p.a. * für Regeldienste und/oder auch nur für Nachtdienste (m/w/d) ALLGEMEINMEDIZINER Gehalt: Brutto (VZ) ab € 100.000,-- p.a. * für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin / Psychiatrie / Psychiatrie und Neurologie (m/w/d) FACHARZT Rehabilitation für psychische Erkrankungen
Ærzte Steiermark || 10|2023 17 Essay tensität. Selten wird ein letztes unfehlbares Mittel angewendet: die Opferung des Regenmachers durch die Gemeinde. Grausame irrationale Rituale. Bei näherer Betrachtung erweisen sie sich als höchst funktional. Das Wetter war kein unausweichliches Schicksal mehr, es wurde ja vom Regenmacher beeinflusst. Wenn er versagte, dann konnte man sein Geschick in die eigenen Hände nehmen und ihn opfern. Der Fokus unserer gemeinsamen Geschichte liegt eindeutig im Bereich Digitalisierung und Organisation. Weil e-Health und die organisatorische Integration zentrale Faktoren für die zukünftige gelingende Entwicklung des Gesundheitssystems sind. Nachdem wir beide an der TU Graz studiert haben, konnte man uns eine gewisse Affinität zur Mathematik – insbesondere zur Spieltheorie – nicht absprechen. Kontrollfrage: Warum ist es auf Herrentoiletten so schmutzig? Näher rangehen wäre eine Lösung, aber was habe ich davon, wenn sich mein Vorbenutzer nicht daran gehalten hat? So wählt man als Individuum eine Strategie, die man kollektiv nie eingeschlagen hätte. Auch diese Erkenntnis zieht sich wie ein roter Faden durch unser Berufsleben. John Maynard Keynes, der britische Nationalökonom, sagte: Die Schwierigkeit liegt weniger in den neuen Gedanken als in der Befreiung von den alten. Das Dauergerede über die destruktive digitale Transformation erzeugt eine optische Täuschung: Verbal sind wir weit vorne, faktisch agieren wir am Pflock des Augenblicks. Digitalisierung und Innovation sind das Leben, das wir noch vor uns haben, das Erkennen des Unterschieds. Das grundlegende Neue hat in einer Organisationskultur erst dann eine Chance auf Verwirklichung, wenn auch die verdeckten Regeln einer Organisation durch andere Regeln ersetzt worden sind. Peter Drucker, US-Ökonom österreichischer Herkunft, sagte voller Überzeugung: „Kultur frisst Strategie zum Frühstück.“ Werner und ich haben daher immer wieder und überall die klassische Taxifrage gestellt: Wo soll‘s denn hingehen? Und unsere Botschaft dazu lautete: Digitalisierung ist keine aufziehende Sturmfront, die wieder abzieht, sondern eine äußerst komplexe Veränderung, die gekommen ist, um zu bleiben. Die Komplexität der Digitalisierung verändert unser Leben und die Rahmenbedingungen der politischen und organisationalen Systeme. Aber nicht nur da kommt es zu spürbaren Veränderungen. Veränderungen machen offensichtlich vor niemandem halt, auch Optimismus hilft nicht gegen Naturgesetze. Veränderungen sind der Gegensatz der Normalität, die Alternative zur Regel. Innovation ist eine Entscheidung, eine Wahl zwischen Neustart und Neuanfang, für den wir beide eingetreten sind. Die Digitalisierung war auch schon in den 70er-, 80er-Jahren erfunden. Digitalisierung ist ein kultureller Paradigmenwechsel mit Wirkung auf Arbeitskultur, Organisationsformen, Bildungs- und Führungskultur. Digitalisierung ist eine politische Debatte, wir sind imReich der Politik und nicht der Technik und Notwendigkeit. Politik ist keine Menüleiste. (…) Wenn Kooperationen durch politische Entscheidungsträger eingeleitet werden, mit demHauptziel ökonomische Vorteile zu lukrieren, bringt das einige Fallstricke, die auch Schaden anrichten können. Und aus Schaden klug werden, sollte übergehen in klug sein, bevor der Schaden eintritt. Das Synergieargument ist sachlich unbestechlich, und daher findet meistens kein politischer kommunikativer Aushandlungsprozess statt, der der Entscheidung vorgelagert ist. Daraus folgt: Begrenzte Veränderungsenergie und die Erkenntnis, dass es keine isolierten Prozesse gibt. Das heißt: Wir schlagen uns auch mit kollateralen Effekten herum und ver- und bezweifeln das Zauberwort Kooperation, das übrigens auch kein Alleskleber ist. Werner war manchmal ein bisschen Hamlet: Die Welt ist aus den Fugen und ich muss sie einrenken. Und Werner war ein Prozessler, einer für den im positiven Sinne galt: Wer einen Hammer hat, sieht nur noch Nägel. Durch bzw. in seinem Studium hat er sich intensiv mit Prozessen, Prozessanalytik und Prozessevaluierung auseinander gesetzt. Sein Prozesscredo lautete: Wir steuern Zustände und leider keine Prozesse. Wir denken in Raum- und nicht in Zeitgestalten. Wie heißt es heute in der politischen Sprache? e-Health ist keine Raketenwissenschaft. Damit Sie ein wenig Einblick nehmen können, wie die Entwicklung eines e-Health-Projektes abläuft, eine etwas überdehnte Beispielsgeschichte: Der schwedische König Gustav II. Adolf bestellte am 16. Jänner 1625 vier neue Kriegsschiffe. Im Herbst 1625 änderte sich die Lage. Der König hatte gerade zehn Schiffe im Krieg verloren, brauchte schnell Ersatz. So befahl er, zwei Schiffe zu bauen. Der König bestellte rund fünf Monate nach Baubeginn insgesamt 72 Kanonen für das Schiff. Jede davon wog 1,5 Tonnen. Es waren so viele, dass sie nicht wie üblich alle ins Unterdeck passten, sodass Schiffsbaumeister Hybertsson ein zweites Kanonendeck darüber bauen musste. Er hatte solche Schiffe noch nie gebaut. Aber das Machtgefälle zwischen dem König und dem Schiffsbaumeister war zu groß. Verzögerungen hätten Hybertssons Kopf kosten können. Also wurde weitergearbeitet, ein Jahr vor Vollendung des Schiffs starb der Baumeister. Sein Assistent führte das Projekt zu Ende. Der König wurde ungeduldig und böse. Die Vasa sollte schnell in See stechen. Das Schiff ging am 10. August 1628 auf Jungfernfahrt. 69 Meter lang, 12 Meter breit, einGroßmast von 52Meter. Der Admiral hatte als Ballast so viele Steine wie möglich in den Rumpf geladen, um das Schiff zu stabilisieren. Trotzdem war es topplastig. Und beim ersten stärkeren Windstoß neigte sich das Schiff, Wasser lief in die offenen Kanonenluken und die Fahrt dauerte keine 20 Minuten. Das größte Kriegsschiff seiner Zeit kam gerade einmal 1.300 Meter weit. Der König tobte, und alle gaben sich gegenseitig die Schuld. Das gibt es halt nicht nur zu unserer Zeit. Das große Ziel, einen relevanten Mehrwert für alles zu erzeugen, konnte bei unseren e-Health-Projekten nicht wirklich in unserem Sinne geschaffen werden. Nicht nur die Tyrannei der kleinen Zahlen schuf für die beteiligten Ärzt:innen keine positive Nutzen-Bilanz. Das heißt, erwarteter Aufwand plus zusätzlicher Mehraufwand gegenüber erwartetem Nutzen. Und da war er wieder, der fehlende organisatorische und kulturelle Teil der Digitalisierung. In diesem Fall keine Einbindung in den Ordinationsalltag. Technik und Gesellschaft sind viel weiter als die Fähigkeit unserer Organisationen, sich den Veränderungen der Digitalisierung anzupassen. Digitalisierung verändert grundlegend bestehende Geschäftsmodelle, es reicht nicht aus, ein neues Produkt im Sinne einer technischen Lösung zu implementieren. Digitalisierung braucht Neugier und Entschlossenheit. Werner Leodolter Kurt Völkl
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