32 Ærzte Steiermark || 10|2023 Foto: Universität für Weiterbildung Krems Grazer Fortbildungstage Wie schaffe ich es, neben dem laufenden Ordinationsbetrieb fachlich auf dem Laufenden zu bleiben, ohne in die Falle unseriöser Studien zu tappen? Wie gehe ich (vermeintlichen) medizinischen Mythen auf den Grund? „Das Hauptziel meines Kurses bei den Grazer Fortbildungstagen bestand darin, die Ärztinnen und Ärzte dafür zu sensibilisieren, wie große Qualitätsunterschiede es auch unter den wissenschaftlichen Studien gibt und ihnen Werkzeuge mitzugeben, die brauchbaren von den für ihre Fragestellungen ungeeigneten zu unterscheiden“, erklärt Jana Meixner, die nicht nur Ärztin mit langjähriger journalistischer Erfahrung, sondern auch wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum Cochrane Österreich der Donau-Universität für Weiterbildung in Krems ist. Neben dem „Werkzeugkoffer“ zur Studieneinschätzung gab sie bei den GFT auch einen Überblick über vertrauenswürdige Quellen wie seriöse Portale und Systematic Reviews. Grenzen der Evidenz Das aussagekräftigste Ergebnis, das am besten dazu geeignet ist, die Wirksamkeit einer Intervention zu überprüfen, liefern zumeist randomisiert-kontrollierte Studien, bevorzugt doppelt verblindet. Aber nicht in jedem Fall lässt sich eine solche Studie durchführen, nicht immer ist die Überprüfung einer Wirksamkeitsthese durch eine Kontrollgruppe ethisch vertretbar. „Das klassische Beispiel mer weiter. „Eine gerade messbare Änderung des Blutdrucks kann statistisch signifikant sein; klinisch bedeutsam ist sie deshalb noch lange nicht“, erläuterteMeixner. Ebenso skeptisch seien Resultate kleiner Studienkohorten zu betrachten. „Aussagekräftige Ergebnisse sind erst ab einer Stichprobengröße von rund 300 Teilnehmenden möglich.“ Im Workshop erklärte Meixner, wie mit dem p-Wert Zufallsergebnisse ausgeschlossen werden sollen und wie dieser systematisch torpediert werden kann. Sie führte überdies in Grundbegriffe wie Schwankungsbreite, Risk Ratio, Odds Radio und Hazard Ratio ein und lieferte einen Überblick über evidenzbasierte Quellen – wovon eine die Plattform Medizin Transparent der Donau-Uni ist, auf der mittels systematischer Literaturstudien (unter dafür ist der Fallschirm als Hilfe zum sicheren Landen nach Absprung aus großer Höhe“, so Meixner. „Es gibt keine Evidenz für seine Wirksamkeit, weil die Überprüfung mittels Kontrollgruppe ethisch unangemessen wäre.“ Studienarten überblicken Das Rückgrat von Meixners Workshop war ein kompakter Überblick über die verschiedenen Arten wissenschaftlicher Studien, deren Aussagekraft und deren Interpretation. So sind prospektive Beobachtungsstudien den retrospektiven vorzuziehen, weil hier keine Verzerrung durch falsche Erinnerung stattfinden kann. Jede Beobachtungsstudie unterliegt allerdings dem Risiko, dass unbeachtete Einflussfaktoren einen Bias bewirken. Wo randomisiert-kontrollierte Studien unmöglich sind, können Kohortenstudien und Fall-Kontrollstudien wertvolle Erkenntnisse liefern. Am wenigsten verlässlich unter den Beobachtungsstudien sind Querschnittsstudien, die nur eine Momentaufnahme darstellen. Systematic Reviews, in denen die aktuelle Datenlage auf Basis einer vollständigen Literatursuche zusammengefasst und gewichtet wird, liefern die beste Evidenz, die es zu einem Zeitpunkt für eine bestimmte Fragestellung gibt. Statistisch ok, klinisch irrelevant Selbst seriös erhobene Daten helfen in der Praxis nicht imanderem durch Meixner selbst) laienverständlich medizinische Faktenchecks veröffentlicht werden. Dort werden auch häufig gängige Medizinmythen entlarvt, wie Vitamin C wirke gegen Erkältungen oder durch eine MRT könne man die Ursachen für Rückenschmerzen verlässlich sichtbar machen. Ärzt:in entscheidet Letztlich, so Meixner, entscheide nicht nur die Evidenz über die ärztliche Behandlung, sondern auch die eigene Erfahrung des Arztes oder der Ärztin mit dem/der Patient:in sowie das individuelle Patientenbedürfnis. „Es gibt auch Gründe dafür, dass Ärztinnen und Ärzte in einzelnen Fällen bewusst nicht evidenzbasiert entscheiden. Diese Beweggründe zu diskutieren interessiert mich ganz besonders.“ Zu allen Themen gibt es Studien – aber was genau sagen sie aus? Evidenzbasierte Medizin braucht gesicherte Erkenntnisse. Wie können im ärztlichen Alltag aussagekräftige und irrelevante Publikationen möglichst zeitschonend unterschieden werden? Jana Meixner gab bei den Grazer Fortbildungstagen eine Anleitung dazu. 6 Fragen zur Aussagekraft 1. Wie sieht das Studiendesign aus: Gibt es eine Kontrollgruppe? 2. Wie viele Menschen haben an der Studie teilgenommen – und inwiefern betrifft diese Gruppe die Thematik? 3. Was genau wurde untersucht (und ist das für meine Fragestellung brauchbar)? Ist der gefundene Effekt relevant? 4. Im Fall von Vergleichsgruppen: Hatten alle gleiche Startbedingungen, ist der Vergleich fair? 5. Wird am Ende zum genannten Untersuchungsgegenstand berichtet? Wurden eventuell Informationen weggelassen? 6. Sind die Studienautor:innen unbefangen oder haben sie Interessenskonflikte? Auch unter wissenschaftlichen Studien gibt es große Qualitätsunterschiede. Jana Meixner
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