Ærzte Steiermark || 03|2024 43 niedergelassene Ärztinnen und ärzte Dieser würde entgegen seiner Intention die Qualität der Ausbildung verschlechtern und die Behandlungserfolge psychisch kranker Menschen gefährden – und vor allem eine längst überwunden geglaubte Trennung zwischen Körper und Psyche neu erschaffen. „Eines soll hier gleich von Beginn an klargestellt sein: Die ÖÄK begrüßt die Neuregelung der psychotherapeutischen Ausbildung im Rahmen einer universitären Ausbildung“, konstatiert Johannes Steinhart, Präsident der Österreichischen Ärztekammer. Der Gesetzesentwurf, der bis 8. Februar 2024 in Begutachtung war, zeige aber eine verkehrte Herangehensweise, die weder den Patientinnen und Patienten, noch der Forschung, noch dem System als solchem etwas bringen würde – im Gegenteil: Es drohen Versorgungsmängel und eine deutliche Verteuerung des Systems, sagt Steinhart. „Eines der Kernprobleme ist die geplante künstliche Abtrennung der Psychotherapie von der psychosomatischen Medizin und der Psychiatrie. Das widerspricht dem internationalen Stand der Wissenschaft, wonach Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie geeint werden sollten und jeder Bereich vom anderen lernen soll.“ Um ein komplettes Berufsbild zu schaffen, trenne man in vielen Paragraphen künstlich zwischen Psychiatrie und Psychotherapie. „Das ist weltweit einmalig und auch insbesondere erstaunlich, da die weltberühmtesten Psychotherapier ichtungen von Wiener Ärzten kamen, wie Sigmund Freud, Alfred Adler und Viktor Frankl“, erinnert der ÖÄK-Präsident. „Aber all diese internationalen Koryphäen hätten als Psychiater nach demGesetzesentwurf keine Lehrpraxisverantwortlichen für die Psychotherapieausbildung sein können, weil man völlig willkürlich die Psychotherapie von der Psychiatrie und der Psychosomatik abtrennen will. Und zwar mit einem metaphorischen Stacheldraht, damit es ja keine Berührungspunkte gibt “, zeigt Steinhart eine der Absurditäten des Entwurfes auf. Aktuell sei der Stand wie folgt: Die Versorgung mit qualif izierter Psychotherapie erfolgt nicht nur durch Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, sondern auch durch Ärztinnen und Ärzte mit psychotherapeutisch-medizinischer Qualifikation. Das sind einerseits Psychiaterinnen und Psychiater, Kinderpsychiaterinnen und Kinderpsychiater sowie die Ärztinnen und Ärzte mit Spezialisierung in fachspezifischer psychosomatischer Medizin. Dazu kommen noch die Ärztinnen und Ärzte unterschiedlicher Fachrichtungen, die im Rahmen der Weiterbildung die ÖÄK-Diplome PSY 1 bis 3 erworben haben. Diese diagnostizieren, behandeln und betreuen bereits jetzt ihre Patientinnen und Patienten entsprechend ihrer jeweiligen Qualifikation nicht nur somatisch, sondern auch psychosomatisch und psychotherapeutisch. „Das ist natürlich sinnvoll, weil die Mehrzahl an Krankheiten ja nicht nur körperliche, sondern auch emotionale Komponenten haben“, so Steinhart. Ebenso hätten sich die bereits bestehenden Gemeinsamkeiten bei Aus-, Fort- und Weiterbildung bewährt und würden erfahrungsgemäß zu deutlicher Qualitätsverbesserung und gegenseitigen Weiterentwicklungsideen führen. „All das wird im vorliegenden Entwurf ignoriert und stattdessen – weltweit einmalig, und das aus gutem Grund einmalig – ein komplettes Parallelsystem zur Medizin und Psychiatrie geschaffen, mit eigenem Prüfungssystem ohne Ärzte, einer Aus-, Fort- und Weiterbildung ohne Ärzte und eigene Fachgesellschaften“, fasst Steinhart zusammen. Das sei nicht nur realitätsfern, sondern auch gefährlich und ineffizient. Kritik am Psychotherapiegesetz: „Freud könnte nicht mehr ausbilden“ Österreichische Ärztekammer und Vertreter von Fachgesellschaften warnen vor einer Fehlentwicklung durch den vorliegenden Entwurf für das Psychotherapiegesetz. Kassenvertragsärzt:innen müssen Abwesenheiten laut Kassenvertrag bzw. Honorarordnung melden. Eine Bekanntgabe im Internet ist im Sinne des Patient:innenservice sinnvoll. Sie erfolgt über die „Ärztesuche“ auf der Website der Ärztekammer Steiermark und auf ordinationen.st Foto: KK Der Entwurf zum Psychotherapiegesetz ignoriert das ärztliche Erbe (nicht nur) von Sigmund Freud.
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