AERZTE Steiermark | 10/2024

26 Ærzte Steiermark || 10|2024 Fortbildung Die Komplementärmedizin mit wissenschaftlichen Methoden zu überprüfen, das nimmt der in Wiesbaden geborene Mediziner Edzard Ernst für sich in Anspruch. Zahlreiche Publikationen hat er dazu verfasst und das Thema breit beforscht. Schlangenölverkäufer Charles Einer größeren – auch nichtmedizinischen – Öffentlichkeit wurde er bekannt, als er sich mit dem damaligen Prinzen und Befürworter alternativer Methoden Charles anlegte, den er deswegen als „Schlangenölverkäufer“ (Snake Oil Salesmen) bezeichnete. Die Auseinandersetzung mündete 2011 schließlich in Ernsts Emeritierung. Eine Enthebung durch die Universität Exeter fand nicht statt, in einer 13-monatigen Untersuchung konnte kein Fehlverhalten festgestellt werden. Der HomöopathieKritiker Besonders kritisch befasste sich Edzard Ernst mit der Homöopathie. Bereits 1998 gab er das Buch Homeopathy: A Critical Appraisal heraus. „Als kritische Bewertung der Disziplin überprüft es die bekannten Fakten und definiert die Wissenslücken und bietet eine zuverlässige und dringend benötigte Kritik der Verwendung traditioneller homöopathischer Arzneimittel. „Wirksame Medizin statt Ideologie“ Der deutsch-britische Mediziner Edzard Ernst war zwar der erste Professor für „complementary medicine“ (nicht nur in England, sondern weltweit), gilt aber unter Komplementärmediziner:innen dennoch als Feind vieler alternativer Methoden. Bei den Grazer Fortbildungstagen referierte er. Wie der Titel vermuten lässt, verfolgt „Homöopathie: eine kritische Beurteilung“ einen evaluativen Ansatz, überprüft bekannte Fakten und definiert Wissenslücken. Es werden die Ergebnisse klinischer Studien und Forschungen zu Wirksamkeit und Sicherheit, Arzneimittelprüfungen, PlaceboEffekt/-Reaktion und den sozioökonomischen Aspekten der Homöopathie erörtert“, hieß es in der Buchbeschreibung. 2017 erschien dann im SpringerVerlag sein Buch „Homöopathie – die Fakten [unverdünnt]“. Der renommierte Mediziner (auch sein Vater und sein Großvater waren bereits Ärzte) und Fellow mehrerer (auch royaler) Gelehrtengesellschaften ist dabei kein grundsätzlicher Kritiker der Komplementärmedizin. Eines der rezenteren seiner rund 50 Bücher heißt „Alternativmedizin – was hilft, was schadet: Die 20 besten, die 20 bedenklichsten Methoden“. Als besonders bedenklich stuft Ernst in dem 2021 bei Gräfe und Unzer erschienen Buch neben der Homöopathie auch Abmagerungsmittel, alternative Diäten. alternative Krebstherapien, die angewandte Kinesiologie, die anthroposophische Medizin, Anti-Aging, die Bach-Blüten-Therapie, Cease (Complete Elimination of Autistic Spectrum Expression), die Chelat-Therapie, die Colon-Hydro-Therapie, Entschlackung/Detox, die Germanische Heilkunde (Geerd Ryke Hamer), Holistische/ Ganzheitliche Zahnmedizin, Irisdiagnostik, Kolloidales Silber, Ohrkerzen, Paranormales Heilen, Wirbelsäulenmanipulationen und Zellularmedizin ein. Trotz aller Unterschiede hätten die Methoden einiges gemeinsam: das nicht-positive Nutzen-Risiko-Verhältnis, indirekte Risiken (effektive Therapien werden abgelehnt), Einzelmeinungen, die der Wissenschaft widersprechen, dass sie zumeist lukrativ für die Anbieter seien und es an Nachweisbarkeit sowie Plausibilität mangle. Die 20 am wenigsten bedenklichen Methoden sind laut Ernst` Buch die AlexanderTechnik, Autogenes Training, Chondroitin, die FeldenkraisMethode, Fischöl, Glucosamin, die Hypnotherapie, Johanniskraut, Knoblauch, die Lachtherapie, die Lymphdrainage, die Musiktherapie, Ölziehen, Pilates, progressive Muskelentspannung, Schröpfen, Tai-Chi, die Triggerpunkt-Therapie, Visualisierung und Yoga. Sie seien zumindest teilweise anerkannt, plausibel, zumindest bedingt evident und gäben nicht vor, Allheilmittel zu sein. Trotzdem seien sie nicht zwangsläufig besser als konventionelle Therapien, schreibt Edzard Ernst in seinem Buch. Dogmatische Neinsager und naive Gläubige „Sowohl die dogmatischen Neinsager als auch die naiv Gläubigen werden mit meinem Buch (oder zumindest mit Teilen davon) unzufrieden sein“, fasst Edzard Ernst zusammen. Und meint: „Die meisten Menschen wollen keine Ideologie, sondern wirksame Medizin“. Kluge Therapieentscheidungen An seine ärztlichen Kolleginnen und Kollegen richtet sich der Schlussappell von Edzard Ernst: „Falls dieses Buch Ihnen hilft, kluge Therapieentscheidungen zu treffen, hat sich meine Mühe gelohnt.“ „Der andere, vormals längstdienender Prinz des Planeten, hat ein Faible für das Spirituelle und Mystische, träumt von ganzheitlicher Wissenschaft, intuitiver Forschung sowie altem Wissen und fühlt sich geschmeichelt, wenn man ihn als Feind der Aufklärung bezeichnet.“ profil, September 2022

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