Bereich Ærzte Steiermark || 10|2024 7 Bei den Grazer Fortbildungstagen 2024 hat auch der emeritierte Professor für Komplementärmedizin, Edzard Ernst, referiert. Ernst nähert sich der Komplementärmedizin mit dem Anspruch der strengen Wissenschaftlichkeit. Was ihm nicht nur Freunde verschaffte. Eine besonders heftige Auseinandersetzung hatte der Arzt, der umfassend komplementärmedizinisch ausgebildet ist, mit einem Nichtmediziner, dem nunmehrigen britischen König Charles, damals noch Prinz. Es ist eine nicht einfach zu beantwortende Frage, welchen Stellenwert komplementärmedizinische Methoden innerhalb der Medizin haben dürfen: Die einen sagen, man sollte sie Nichtärztinnen und Nichtärzten überlassen. Das ist das deutsche Modell. Die anderen sagen, es sei besser, dass umfassend ausgebildete Ärztinnen und Ärzte die Komplementärmedizin anwenden. Das ist der österreichische Weg. Zu hinterfragen ist jede Medizin, die den Anspruch auf Einzigartigkeit und Absolutheit erhebt. Das gilt für die Komplementärmedizin genauso wie für die Medizin an sich. Wichtig ist, dass jede medizinische Methode eine Evidenz in ihrer Verlässlichkeit, Sicherheit und Wirksamkeit für die Patientinnen und Patienten bietet. Jeder medizinische Zugang – und deren Spektrum ist breit – nimmt die Gesundheit und das Wohl von Patientinnen und Patienten in den Blick. In jedem Zugang sind wir Ärztinnen und Ärzte gefordert, stets zu hinterfragen, welche Wirkungen bzw. Konsequenzen von der Intervention oder Maßnahme zu erwarten sind, die wir unserer Patientin oder unserem Patienten empfehlen. Medizinische Entscheidungen sind notgedrungen differenziert. Absoluta – ungeachtet des Spektrums, in dem sie behauptet werden – werden dieser im wahrsten Sinne des Wortes notwendigen Differenziertheit nicht gerecht. Dr. Michael Sacherer ist Präsident der Ärztekammer Steiermark. Es gibt Fachärztinnen und -ärzte. Es gibt aber auch Generalistinnen und Generalisten. Die heißen dann im allgemeinen Sprachgebrauch Hausärztinnen und Hausärzte. So einfach machen sich manche die Einteilung der medizinischen Welt. Aber so einfach ist die medizinische Welt nicht. Auch unter den Fachärztinnen und Fachärzten gibt es viele, die sich durchaus als Generalistinnen und Generalisten bezeichnen dürfen. Sie haben nicht nur ein bestimmtes Leiden im Blick, sondern den ganzen Menschen. Andererseits gibt es auch Ärztinnen und Ärzte für Allgemeinmedizin („Hausärztinnen und Hausärzte“), die sich spezialisiert haben. Diese klassischen Demarkationslinien sollten ausgedient haben. Wenn wir eine Trennlinie ziehen wollen, dann könnte es die zwischen grundversorgenden und spezialisierten Ärztinnen und Ärzten sein. Grundversorgend kann aber auch eine Internistin, ein Internist sein – spezialisiert ebenfalls eine Allgemeinmedizinerin, ein Allgemeinmediziner. So gesehen, ist es gut, dass sich bald auch Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmediziner als Fachärztinnen und Fachärzte bezeichnen dürfen. Auch eine Kinderfachärztin, ein Kinderfacharzt, eine Frauenärztin, ein Frauenarzt ist ja per definitionem genauso wie die allgemeinmedizinischen Kolleginnen und Kollegen für eine Bevölkerungsgruppe – und nicht für ein bestimmtes Organ – zuständig. Sind sie deswegen Fachärztinnen und Fachärzte zweiter Klasse? Nein. Und das sollten auch Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmediziner nicht sein. Vizepräsident Professor Dr. Dietmar Bayer ist Obmann der Kurie Niedergelassene Ärzte . extra Dietmar Bayer Keine Ärztinnen und Ärzte zweiter Klasse Standortbestimmung Michael Sacherer Absolutheit ist immer zu hinterfragen debatte Fotos: Schiffer, beigestellt; Illu: Adobe Stock
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