AERZTE Steiermark 11 2024

wirtschaft&Erfolg Walter Hoch Wie genau möchten Menschen das Material, aus dem sie bestehen, kennen lernen – auf die Frage der Anatomie stellen Medizin-Ausstellungen zum einen ab. Zum anderen wird in diesem Format der Fortschritt der Medizin, historische Apparate sowie die soziokulturelle Verschränkung der Heilkunst anschaulich gemacht. So spannen sich die Bögen dieser Ausstellungen von der Pest bis zu Corona, von der Heilkunst in Klöstern zu modernen Kliniken und von den ersten studierten Ärzten – vom Medicus, Physikus und Leibarzt – und den weniger angesehenen Wundärzten und Badern zur heutigen Forschung und den Fachärzten, die sich auf KI stützen. Abgesehen vom medizinischen Personal beginnen sich Menschen meist erst für ihren Körper zu interessieren, wenn dieser erkrankt. Einer von vielen Gründen dafür ist etwa eine diffuse „Angst vor dem Blut“. Im Plastinat, mit dem Körperteile und Organe nachgebildet werden, bietet sich dem Körperinteressierten ein spiegelbildliches Objekt, das akribisch nachgebaut wurde, das aber als gleichsam erstarrte Anatomie keine Kollateralempfindungen auslöst. Mit Ausstellungen ins Innere des Körpers Ärzte ausbilden und die Bevölkerung aufklären Ein Meilenstein in der Geschichte von medizinischen Ausstellungen in Österreich datiert im Jahr 1769, als Joseph II anlässlich einer Reise Wachsmodelle in Florenz besichtigte. Sein Bruder Leopold hatte das Naturwissenschaftliche Museum La Specola mit pflanzlichen und tierischen Präparaten aus Wachs ausstatten lassen. Zuvor wurden etwa geburtshilfliche Präparate aus Terrakotta und Ton gefertigt. Joseph II bestellte zu Lebzeiten 1.192 Wachs-Modelle im Wert von 30.000 Gulden für die neu gegründete Akademie in Wien. Erzeugt haben die anatomischen Modelle „künstlerisch begabte Anatomen, Physiologen und Wissenschaftshistoriker“ (www. josephinum.ac.at). Einer von ihnen, Paolo Mascagni (1720–1815), trat auch mit Forschungen über das Lymphsystem hervor. Als Vorlagen für Ganzkörper-Figuren nutzten die Modelleure Skizzen von Michelangelo. Ausgestellt wurden die Modelle dann im Josephinum, das Kaiser Joseph II. 1784 als „k.k. medizinisch-chirurgische JosephsAcademie“ zur Ausbildung von Ärzten und Wundärzten für die Armee gründete und 1785 eröffnete. Zugleich setzte der Reformer seinen Hang zur Aufklärung um und öffnete das Museum auch für die Bevölkerung. Gefördert wurde diese Wissensvermittlung durch Vitrinen, die sich öffnen ließen und die Objekte „angreifbar“ machten, und Schubladen mit Erklärungen darin. Bis heute ist diese Lehrsammlung, deren Bestände die 650-jährige Geschichte der Institution spiegeln, ein weltweit einzigartiger Schatz und erzählt die Geschichte der Medizin hautnah. Spezielle Führungen für Kinder finden regelmäßig statt. 40 Ærzte Steiermark || 11|2024 Medizin-Ausstellungen zielen nicht nur auf das Kennenlernen des eigenen Körpers, auf gesundheitliche Aufklärung und Medizingeschichte, sondern veranschaulichen auch, was jede:r für seine eigene Gesundheit tun kann. Illu: Adobe Stock

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