Ærzte Steiermark || 01|2025 13 den außerdem Zuflucht in ihren Kammern. Der Arzt schwebt in Betreff seiner staatlichen Stellung mit seinem Beruf gewissermaßen in der Luft. Er ist immer nur ein Einzelner. Trotzdem, dass die Gesellschaft ihm eine Stellung gegeben hat, die an persönlicher Verantwortung von Mensch zu Mensch mit gar keiner anderen vergleichbar ist, bietet ihm der Staat nichts mehr, als was jeder einzelne Staatsbürger auch hat: den Schutz der Gesetze, von welchem ihm für die besondere Art seines schweren Berufes gar wenig zu Gute kommt; er muss es sogar ängstlich vermeiden, die Gesetze für ein an ihm vom Publikum begangenes Unrecht anzurufen, weil ihm das in seiner Praxis schaden könnte. Wenn ich sagte, der Arzt habe eine ganz eigentümliche, mit keiner anderen vergleichbare Stellung unter seinen Mitmenschen, so lassen Sie mich das nur durch ein prägnantes Beispiel erläutern. Nehmen Sie den häufigen Fall, dass jemand sich einer schmerzhaften Operation unterziehen muss, um seine Gesundheit wieder zu erlangen, so lässt er sich vom Arzt durch die Einatmung eines in der Hand eines Ungeübten gefährlichsten Giftes besinnungslos und schmerzlos machen. Der Arzt kann nun mit dem Besinnungslosen tun, was ihm beliebt. Gibt es einen intensiveren Ausdruck von persönlichem, menschlichem Vertrauen überhaupt? Ich glaube kaum. – Der Advokat, welchem der Klient vielleicht die Entscheidung über den Besitz seines ganzen Vermögens oder über die Erhaltung seiner bürgerlichen Ehre vertrauensvoll in die Hände legt, befindet sich in einer ähnlichen Lage wie der Arzt zum Patienten. Am Leben selbst aber, an der süßen Gewohnheit des Daseins, hängen doch die meisten Menschen noch mehr als an der Art zu leben. Man sollte nun meinen, dass diese eigenartige Stellung in der Gesellschaft die natürliche Konsequenz haben müsste, dem ärztlichen Stande als solchem eine bestimmte bevorzugte Stellung im Staate zu geben. Das war bisher nicht der Fall und das vorliegende Gesetz ist nur ein kleiner Anfang in dieser Richtung. Doch es ist ein Anfang, die soziale Stellung des Arztes zu fixieren; das Gesetz ist einer weiteren Entwicklung fähig; ich begrüße es darum als eine Wohltat für den ärztlichen Stand. Als Vertreter dieses Standes in diesem hohen Hause halte ich es für meine Pflicht, auf gewisse abfällige Bemerkungen über meinen Stand einzugehen, welche im hohen Abgeordnetenhause gelegentlich der Debatte über die Ärztekammern gefallen sind, und die ich auch sonst wohl schon vernommen habe. Es ist behauptet worden, der ärztliche Stand sei in neuerer Zeit diskreditiert und genieße nicht mehr das Vertrauen und jene Hochachtung, welche ihm früher entgegengebracht wurde; es sei das daraus hervorgegangen, dass eine Anzahl von Ärzten ihre besonderen Leistungen dem Publikum in Annoncen anpreise und sich auch sonst nicht so benehme, wie es der Würde ihres Standes zukomme. Ich halte diese Behauptung in dieser Fassung für unrichtig, ihre Motivierung für ganz falsch. Nach den Eindrücken, welche ich aus meinen historischen Studien und aus den traditionellen Mitteilungen älterer Ärzte, ja zum Teile noch aus eignen Erfahrungen in jüngeren Jahren gewonnen habe, halte ich mich zu der Behauptung berechtigt, dass durch die naturwissenschaftliche Auffassung der medizinischen Wissenschaften der Standpunkt der Ärzte in unserer Zeit ein weit höherer geworden ist, als er es je zuvor war; ja ich behaupte sogar, dass die enormen Fortschritte und Erfolge meiner Specialwissenschaft ebenso viel auf der gesteigerten Gewissenhaftigkeit der Ärzte bei Anwendung der auf naturwissenschaftlichen Grundlagen basierenden neuen Verfahren, als auf diesen selbst beruhen; und dass man, das ‚Können‘ vorausgesetzt, aus den operativen Erfolgen auf den ethischen Standpunkt des Operateurs schließen kann. Wahrheit, soweit sie durch menschliches Erkenntnisvermögen erreichbar ist, Klarheit über das, was wir wissen und nicht wissen, das streben wir an. Wahrheit und Klarheit sind die ethischen Fundamente der Naturwissenschaften, wie diejenigen des sozialen Lebens. Für den naturwissenschaftlichen Bau sind diese Fundamente stark genug, den kühnsten und höchsten Tempel zu tragen. Für den sozialen Bau müssen Die Ärztekammern sollen aber auch dem ärztlichen Stande, der wahrlich zu den mühevollsten gehört, einen korporativen Halt geben, nicht nur in moralischer, sondern auch in materieller Beziehung; ... Der Arzt schwebt in Betreff seiner staatlichen Stellung mit seinem Beruf gewissermaßen in der Luft. Er ist immer nur ein Einzelner. Trotzdem, dass die Gesellschaft ihm eine Stellung gegeben hat, die an persönlicher Verantwortung von Mensch zu Mensch mit gar keiner anderen vergleichbar ist ... Cover
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