AERZTE Steiermark Jänner 2024

Klienten machte, über jeden Brief, den er im Interesse seiner Sache schrieb, die übliche Rechnung vorzulegen; die Gesellschaft hat sich daran gewöhnt; man findet das ganz in der Ordnung. – Ganz anders beim Arzt. Der durch den Gedanken, dass er krank sein könnte, schon höchst aufgeregte Patient kommt zum Arzt und schüttet ihm eine halbe Stunde lang sein Herz aus, erzählt ihm eine Menge intime Familienverhältnisse, die gar keine Beziehung zum Gegenstande der Konsultation haben, ja die dem Arzt zu wissen lästig sind. Am andern Tage begegnet er dem Arzt auf der Straße und hält ihn wieder mit allerlei Fragen auf. Dann lässt er den Arzt zu sich kommen und wiederholt alles, was er schon oft gesagt hat. So geht es vielleicht Wochen lang fort; doch es fällt dem Patienten nicht ein, sich zu notieren, wie oft und wie lange er seinen Arzt behelligt hat. Er ist zeitweilig überzeugt, dass er kein ernstes Leiden hat; doch es ist ihm ein Bedürfniss, sich das immer wieder und wieder sagen zu lassen. Endlich fühlt sich der Patient wieder gesund. – Wollte nun der Arzt gleich dem Advokaten mit einer detaillierten, wenn auch noch so mäßigen Rechnung kommen, so würde der Patient wahrscheinlich empört sein über eine solche Unverschämtheit. ,Es war ja nicht der Rede wert, der Doktor hat mir das ja selbst oft genug gesagt; er hat mir in drei Monaten nur vier Rezepte verschrieben. Und dafür diese ellenlange Rechnung! Die Habsüchtigkeit der Ärzte wird immer ärger! Sie können nichts, sie wissen nichts und dafür soll man auch noch bezahlen! Der ärztliche Stand kommt immer mehr und mehr herunter‘ und so fort. Das sind keine Phantasien von mir, meine Herren, sondern alltägliche Vorkommnisse im Leben des praktischen Arztes. Der Kranke kommt ja zum Arzt, wie zu einem Freunde, wie zu einem Vater, zu einem Priester der Humanität. Ein Freund, ein Vater, ein Priester wird sich doch nichts für einen Rath bezahlen lassen! Gerade dieser, an und für sich für die Ärzte ja sehr schmeichelhafte Standpunkt unseres Publikums führt nur allzu oft dazu, die Gutherzigkeit und soziale Hilflosigkeit der Ärzte zu missbrauchen. – Freilich gibt es auch Menschen, welche die aufopfernde Arbeit des Arztes nicht nur dankbarst empfinden, sondern sie nach Maßgabe ihrer Mittel materiell belohnen; groß ist die Zahl derselben aber nicht, und doch kann der Arzt nur von ihnen leben. Man denkt wohl, bei einem beschäftigten Arzt wird sich das ausgleichen. Was die Einen zu wenig, geben die Andern überreichlich, – Ja! es gibt auch solche, die in überschwänglich dankbarer Empfindung über das übliche Maß (...) hinausgehen, um ihre Erkenntlichkeit zu betätigen; doch es sind weiße Raben, und die meisten Ärzte müssen oft Jahre lang warten, bis sie einmal einen solchen weißen Raben unter ihren Patienten finden. Es wird für die Zukunft meiner Ansicht nach auch Aufgabe der Ärzte-Kammern sein, direkt oder indirekt auf diese Verhältnisse einzuwirken. Lassen wir einmal alle Sentimentalität beiseite! Wenn man die Ärzte in die Gesellschaft hinein kategorisieren will, so können sie nur als Gewerbetreibende bezeichnet werden; sie betreiben ein Kunstgewerbe, werden dazu nach abgelegtem Examen vom Staate konzessioniert und wollen von ihrem Erwerb leben. Freilich wäre es sehr schön, wenn alle Ärzte von Hause aus, oder vom Staate oder von den Gemeinden so gestellt wären, dass sie ihr Leben, wenn auch in bescheidenen Verhältnissen fristen könnten, ohne für die Erteilung ihres Rates eine materielle Belohnung nötig zu haben. Doch Sie werden zugeben, dass das aus verFür den praktischen Arzt ist das – ich möchte fast sagen – sentimentale Verhältniss zu seiner Clientel ein gewagtes Hemmnis für seinen Erwerb. Cover Ærzte Steiermark || 01|2025 17 Lassen wir einmal alle Sentimentalität beiseite! Wenn man die Ärzte in die Gesellschaft hinein kategorisieren will, so können sie nur als Gewerbetreibende be zeichnet werden; sie betreiben ein Kunst- gewerbe, werden dazu nach abgelegtem Examen vom Staate konzessioniert und wollen von ihrem Erwerb leben. Gerade dieser, an und für sich für die Ärzte ja sehr schmeichelhafte Standpunkt unseres Publikums führt nur allzu oft dazu, die Gutherzigkeit und soziale Hilflosigkeit der Ärzte zu missbrauchen.

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