Ein objektiver Lei
Der ganz normale Praxiswahnsinn
Status post Urlaub
Nach einem schönen, langen Urlaub lebt in mir immer der
gute Vorsatz auf, sanft, freundlich und tolerant zu sein.
Auch noch am Freitag der ersten Arbeitswoche.
Vor mir sitzt B. Er ist von Beruf Lehrer und wir kennen
uns schon seit vielen Jahren. Wenn man jemanden so lange
kennt und nicht sehr oft sieht, fällt einem noch viel stärker
auf, wie Eigenheiten und Macken sich immer stärker aus-
prägen. Was einmal eine kleine persönliche Eigenart war,
z. B. gerne immer Recht zu haben, kann 20 Jahre später
gewaltig nerven. (Ich möchte allerdings gar nicht wissen,
wie sich meine Macken und Neurosen in den letzten Jahren
entwickelt haben.)
Naja, jedenfalls ist B. zur Vorsorgeuntersuchung da. Weil er
im selben zarten Alter wie ich ist und schon einmal einen
Schlaganfall hatte, empfehle ich eine Carotissonokontrolle.
Nicht nötig, das Thema Schlaganfall sei abgeschlossen, er
sei geheilt. Keine Diskussion. Ich gebe auf und dokumen-
tiere. Bei der Durchsicht seines Impfpasses fällt mir auf,
dass die Hepatitis-Impfung fehlt. Ich lege ihm eine solche
dringend ans Herz. „Brauch ich nicht, ich h** ja nicht
herum“, ist die Antwort. Dass man dafür nicht unbedingt
herumh**en muss und außerdem Hepatitis A in seinen prä-
ferierten Urlaubsländern ein großes Thema ist, interessiert
nicht. Ich dokumentiere noch einmal.
Danach bitte ich ihn, einen Moment im Wartezimmer Platz
zu nehmen, damit wir Zeit haben, seinen Harntest auszu-
werten und ihm noch einmal den Blutdruck zu messen.
Er setzt sich nicht ins Wartezimmer, sondern auf einen
Sessel im Vorraum vor der Rezeption. Die sind dort, damit
alte Menschen, die auf Rezepte warten, nicht stehen müssen.
Auf meine Bitte, ins Wartezimmer zu gehen und die Sessel
für die betagten Mütterlein freizuhalten, meint er: „I bleib
da sitzen.“ Soll sein.
Beim Verabschieden meint er: „Du schaust ja schon am
Ende der ersten Arbeitswoche erschöpft aus!“ Schluss mit
sanft und freundlich. Ich knurre: „Bin ja a ka Lehrer!“
Dr. Ulrike Stelzl ist niedergelassene Ärztin für
Allgemeinmedizin.
Mehr von ihr gibt es im Buch „Hallo Doc!
Anekdoten aus der Sprechstunde“ (Goldegg Verlag 2014).
PRAKTISCH
TÄGLICH
Von Ulrike Stelzl
NIEDERGELASSENE ÄRZTINNEN UND ÄRZTE
58
ÆRZTE
Steiermark
|| 10|2015
Es ist kein dickes Buch, aber
auch „kompakt“ hat die Bro-
schüre an die 50 Seiten. Denn
natürlich hat die Gründung
einer Praxis viele Facetten,
die hier alle behandelt wer-
den. Acht Kapitel enthält der
Guide. Es beginnt mit den
„ersten Schritten“ (von Räum-
lichkeiten über Sozialversi-
cherungsfragen bis zum Ordi-
nationsschild), behandelt un-
ter „Gut zu wissen“ allgemei-
ne Fragen von Angestellten
bis zum Blaulicht und befasst
sich mit rechtlichen Aspekten
(Behandlungspf licht/Ableh-
nung der Behandlung bis
zu den Schlichtungsstellen)
sowie dem wirtschaftlichen
Themenkomplex von Steuer-
beratung bis zur Altersgren-
ze für Kassenverträge. Ein
Kapitel ist der Absicherung
durch den Wohlfahrtsfonds
gewidmet.
Da unterschiedliche Rahmen-
Für die Praxisgründung
gibt es einige hilf-
reiche Unterlagen. Der „Leitfaden“, den die
Ärztekammer Steiermark kostenlos (auch online)
zur Verfügung stellt, enthält neben den wich-
tigsten allgemeinen Informationen auch die Kon-
taktdaten der Beratenden in der Ärztekammer.
ein
ladung
impf
tag
17.10.2015
, 9–17.00 uhr
hotel paradies graz, straßgangerstraße 380b, 8054
grazer