ÆRZTE
Steiermark
|| 10|2015
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NIEDERGELASSENE ÄRZTINNEN UND ÄRZTE
Foto: Schiffer, Wolf
nen. Deshalb appelliere ich
an alle, zu einer neuen Kultur
der gemeinsamen und sach-
orientierten Kommunikation
zu finden sowie unterschied-
liche Aufgaben, Leistungen
und Standpunkte der Be-
teiligten in dieser Diskus-
sion zu respektieren, damit
die höchst unbefriedigenden
Entwicklungen rund um die
medizinische Grundversor-
gung in Österreich beendet
werden. Es ist allerhöchste
Zeit, möglichst rasch ein Ge-
samt-Sanierungskonzept für
eine zeitgemäße Primärver-
sorgung auch in Österreich
umzusetzen.“
Der steirische Ärztekammer-
präsident Herwig Lindner
stellte in einer Presseaussen-
dung klar: „Wir wünschen
uns keine Vertragskündigung,
wir betreiben sie nicht, aber
wir werden diesen Schritt
tun, wenn er unausweichlich
ist.“ Unausweichlich sei der
Schritt, „wenn ein Primary
Health Care-Gesetz beschlos-
senwird, das diemedizinische
Grundversorgung, die bisher
vor allem Hausärztinnen und
Hausärzten vorbehalten ist,
für internationale Billiganbie-
ter und staatlich kontrollierte
Versorgungsbetriebe geöffnet
wird“. Das vor wenigen Wo-
chen veröffentlichte Konzept
des Gesundheitsministeriums
habe mit einer Verbesserung
der Primärversorgung aber
nichts zu tun: „Das sind po-
litische Tricksereien, gegen
die wir uns gemeinsam mit
unseren Patienten wehren.“
Ähnlich sieht es der steirische
Obmann der Kurie Niederge-
lassene Ärzte, Vizepräsident
Jörg Garzarolli: „Teamwork
ist die Zukunft, deswegen for-
dern wir ja schon seit Jahren
Kassengruppenpraxen und
Job-Sharing.“ Im Rahmen von
Styriamed.netwerde zudem
bereits intensiv die Einbezie-
hung nichtärztlicher Gesund-
heitsberufe vorangetrieben.
Das PHC-Gesetz sei aber eine
Mogelpackung: „Hier geht es
nicht um Problemlösung, son-
dern nur um Machtausübung.“
Mysteriöses
Mystery Shopping
„Mogelpackungen“ dürften
wohl auch das geplante My-
stery Shopping und die Maß-
nahmen zur Verhinderung
von e-Card- und Kranken-
stands-Betrug in Arztpraxen
sein. Laut Finanzministerium
soll dadurch zu einer Ko-
stensenkung im Sozialver-
sicherungsbereich von 135
Millionen Euro beigetragen
werden. Wie aber parlamen-
tarische Anfragen der letzten
Jahre belegen, sind bisher nur
Schäden von einigen tausend
Euro dokumentiert, von vie-
len Millionen kann keine
Rede sein.
Und es gibt schwere rechtliche
Bedenken: Hatte es ursprüng-
lich geheißen, „Spione“ wür-
den Symptome vortäuschen
und so versuchen, Ärztinnen
und Ärzte zu hintergehen,
lauten jüngere Aussagen nun
anders: Die von den Kranken-
versicherungen entsandten
Mystery Shopper werden Ärz-
tinnen und Ärzte auffordern,
Krankenstände zu bestätigen
und offen sagen, dass sie gar
nicht krank sind. Das wäre
aber der Versuch, die vor-
sätzliche Beteiligung an einer
Straftat zu provozieren.
Mehrere Verfassungsjuristen
halten das für nicht vereinbar
mit der Rechtslage in Öster-
reich. „Agents provocateurs“
seien verboten …
täten verlässt Österreich, um
zumindest ihreWeiterbildung
unter besseren Bedingungen
im Ausland zu absolvieren.
Zusammen mit der laufenden
Pensionierungswelle von
niedergelassenen Ärzten hat
sich damit innerhalb weni-
ger Jahre in Österreich aus
einem Ärzteüberschuss ein
Ärztemangel ergeben. Kas-
senärztliche Planstellen für
Allgemeinmediziner können
immer häufiger nicht mehr
nachbesetzt werden, insbe-
sondere im ländlichen Raum.
Eines der letzten Beispiele
ist die Wildschönau in Tirol.
In Anbetracht der geschil-
derten Gesamtsituation ist
dies nicht weiter verwunder-
lich; darüber hinaus trägt
noch die unsinnige Regelung
für Hausapotheken sowie die
Nichtbeachtung der geän-
derten Berufsvorstellungen
von jungen ÄrztInnen we-
sentlich zu dieser Entwick-
lung bei. Dieses derzeit in
ländlichen Regionen bereits
vorhandene Problem kann in
Bälde unschwer auch für städ-
tische Bereiche vorhergesagt
werden. In Anbetracht der
hier nur kurz angesprochenen
Fakten und Entwicklungen
sehe ich für alle beteiligten
Institutionen dringenden und
ernsthaften Handlungsbedarf,
um ihrer Verantwortung zur
Aufrechterhaltung der ge-
sundheitlichen Versorgung
der Bevölkerung auch in Zu-
kunft nachkommen zu kön-
„Wir wünschen uns keine Vertragskündigung, wir betreiben
sie nicht, aber wir werden diesen Schritt tun, wenn er
unausweichlich ist.“
Ärztekammerpräsident Herwig Lindner
„Teamwork ist die Zukunft, deswegen fordern wir ja schon
seit Jahren Kassengruppenpraxen und Job-Sharing. Das PHC-
Gesetz ist aber eine Mogelpackung: Hier geht es nicht um
Problemlösung, sondern nur um Machtausübung.“
Jörg Garzarolli, Obmann Niedergelassene Ärzte