ÆRZTE
Steiermark
|| 10|2015
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Der selbstbestimmte Patient ist ein Ideal. Oder
auch nicht, wenn wir an die mit Google-Halb-
wissen angefüllten Patienten in unseren Praxen
denken. Aber, dass Menschen entscheiden wollen,
wie sie in der letzten Lebensphase medizinisch
betreut werden wollen, ist ein legitimer Wunsch.
Dafür gibt es auch entsprechende Instrumente:
Sie heißen Patientenverfügung und Vorsorgevoll-
macht. Für Pflegeheime ist ein Vorsorgedialog
vorgesehen, um alle relevanten Fragen zu klären,
die Patienten nicht mehr beantworten können,
wenn deren Urteilsfähigkeit krankheitsbedingt
verloren gegangen ist.
In der Realität nutzen aber nur wenige diese
Möglichkeit: Rund vier Prozent der Österreiche-
rinnen und Österreicher besitzen eine Patienten-
verfügung, bei der Vorsorgevollmacht sind es nur
zwei Prozent. Gründe dafür sind Informations-
mangel, auch Verdrängung mag eine Rolle spie-
len. Und es ist nicht einfach, die rechtlichen Hür-
den zu nehmen. Ohne Anwalt oder Notar geht
nichts. Aus guten Gründen ist für eine verbind-
liche Patientenverfügung ein ärztliches Gespräch
erforderlich, damit sich die Betroffenen über die
Tragweite ihrer Entscheidungen klar werden.
Ich bin der festen Überzeugung, dass wir als
Ärztinnen und Ärzte unsere Patientinnen und
Patienten intensiver auf dieses Thema ansprechen
sollten. Es ist eine zutiefst (haus)ärztliche Aufga-
be, das ärztliche Gespräch ist eine ärztliche Leis
tung. Auf der Website der Ärztekammer www.
aekstmk.or.atfinden sich dazu umfangreiche In-
formationen für Ärztinnen und Ärzte unter dem
Suchbegriff „Patientenverfügung.
Das Gesetz zur Patientenverfügung gibt es seit
fast zehn Jahren – es wird Zeit, es mit Leben
zu füllen und einer breiteren Öffentlichkeit ins
Gedächtnis zu holen. Der Gesetzgeber hat es ja
offenbar nicht (erfolgreich) getan.
Vizepräsident Dr. Jörg Garzarolli
ist Obmann der Kurie Niedergelassene Ärzte.
Wenn politische Entscheidungsträger über Primärversorgungszen-
tren philosophieren, versprechen sie die heile Medizinwelt: zufrie-
dene Ärztinnen und Ärzte, zufriedene andere Gesundheitsberufe,
zufriedene Patientinnen und Patienten, gedämpfte Kosten, entlas
tete Spitalsambulanzen.
Nun, Ärztinnen und Ärzte waren schon einigermaßen zufrieden:
Letztes Jahr gab es Einigung darüber, wie die Primärversorgung
„rund um den Hausarzt“ unter Bedachtnahme auf die fachärzt-
liche Betreuung, teamorientiert und multidisziplinär, zukunftsori-
entiert gestaltet werden kann.
Seit dem kürzlich veröffentlichten
Grundsatzpapier des Gesundheits-
ministeriums ist diese Einigung (fast)
Makulatur. Es scheint Entscheidungs-
träger zu geben, denen es primär
darum geht, die Leistungsträger zu
provozieren und ihnen gleichzeitig
Verhinderung vorzuwerfen.
Worum es ihnen ganz offensichtlich nicht geht, ist eine gute, kon-
sensuelle Lösung. Es kann ihnen auch nicht darum gehen, die
Kostenentwicklung in den Griff zu bekommen, denn erstens ist
überhaupt sehr fraglich, ob eine Stärkung der Primärversorgung
das leisten kann, wie Experten ganz offen sagen. Es kann auch
nicht um die Entlastung der Spitalsambulanzen gehen, denn die
vorliegenden, neuen PHC-Ideen lösen hier gar nichts.
Das, was PHC versprechen, versuchen wir, die „blockierenden
Ärzte“ in der Steiermark bereits einzulösen. Durch eine systema-
tische, stetige Weiterentwicklung von
Styriamed.net. Die regio-
nalen Ärzteverbünde nützen bereits jetzt einer weit größeren Zahl
von Menschen als dem einen Prozent, das PHC bis Ende kom-
menden Jahres nach den politischen Vorgaben versorgen soll.
Styriamed.netoder
Pannoniamed.net, wie es im Burgenland heißt,
ist nicht perfekt. Aber es ist eine gute, sich weiterentwickelnde
„Bottom-up“-Lösung. Dafür gab es zuletzt auch Würdigungen und
Preise. Es zeigt, wie Gesundheitsreform im Konsens, im Team und
unter Berücksichtigung bestehender regionaler Gegebenheiten
gelingen kann.
Vor allem: Es geht hier wirklich um die zufriedenen PatientInnen.
Und das ganz unaufgeregt.
Dr. Herwig Lindner ist Präsident der Ärztekammer Steiermark.
EXTRA
Weiterer Kurienbericht ab Seite 54.
Jörg Garzarolli
Selbstbestimmter
Patient – ein Mythos?
DEBATTE
Fotos: Ärztekammer Steiermark/Schiffer, Furgler, Hassler/Kleine Zeitung. Grafik: Mirko Maric´
STANDORTBESTIMMUNG
Herwig Lindner
Gemeinsam handeln
statt streiten