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ÆRZTE
Steiermark
|| 10|2015
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Primär: Versorgung
In der Kontroverse um die PHC’s
droht eine wichtige Frage
unterzugehen: Was kann und soll Primärversorgung leisten?
Wir haben mit Fachleuten gesprochen.
MARTIN NOVAK
Es war ein Aufschrei des Ver-
bandes der leitenden Kran-
kenhausärzte (VLKÖ): „Im-
mer noch kämpfen Österrei-
chs Ambulanzen mit einem
unverminderten Andrang der
Patienten – Patienten, die
auch bei unseren Kolleginnen
und Kollegen in den Ordina-
tionen bestens versorgt wer-
den können“, sagte Verbands-
präsident Primar Dozent Otto
Traindl im September. Anlass
für den Alarmruf: eine zehn-
prozentige Steigerung bei den
AkutpatientInnen in Öster-
reichs Spitalsambulanzen. Als
Gegenmaßnahme brachte er
(nicht als erster) Ambulanz-
gebühren und eine bessere
Lenkung der Patientenströme
ins Spiel PHC und mein-
te, medizinische Call-Center
könnten ein Weg sein, „den
Patienten so rasch wie mög-
lich an den richtigen Arzt zu
bringen“.
Der Leiter der Abteilung für
Allgemein- und Familienme-
dizin an der Wiener Medi-
zinischen Universität, Prof.
Manfred Maier (siehe auch
Seite 54, „PHC-Tricksereien“),
plädierte in einem offenen
Brief dafür, „zu einer neuen
Kultur der gemeinsamen und
sachorientierten Kommuni-
kation zu finden sowie unter-
schiedliche Aufgaben, Leis-
tungen und Standpunkte der
Beteiligten in dieser Diskus-
sion zu respektieren, damit
die höchst unbefriedigenden
Entwicklungen rund um die
medizinische Grundversor-
gung in Österreich beendet
werden. Es ist allerhöchste
Zeit, möglichst rasch ein Ge-
samt-Sanierungskonzept für
eine zeitgemäße Primärver-
sorgung auch in Österreich
umzusetzen“. Maiers Kritik:
„Das international anerkann-
te, evidenzbasierte Modell
der Primary Health Care
Teams und das darauf auf-
bauende Konsenspapier der
Bundeszielsteuerungskom-
mission vom Juni 2014 wird
vielfach missverständlich und
beliebig zugunsten der eige-
nen Interessen interpretiert.“
Also, wie interpretiert man
Primary Health Care bzw. Pri-
märversorgung richtig? Der
Versorgungsexperte Stefan
Korsatko versteht Primary
Health Care als abgestimmte
Behandlung durch Allgemein-
ärzte, Krankenpflege und alle
nötigen Therapeuten: „Von
zentraler Bedeutung ist hier
die enge Zusammenarbeit der
verschiedenen Berufe und vor
allem die Filterfunktion zu
den nächsten Versorgungs-
ebenen (Fachärzte, Ambu-
lanzen, Krankenhäuser). Je
besser die Primärversorgung
diese Grundleistungs- und
Filterfunktion erfüllt, umso
effizienter können Fachärzte,
Ambulanzen und Kranken-
häuser arbeiten. Letztendlich
wird vor allem eine Überver-
sorgung verhindert, die einer-
seits für Patienten durchaus
gefährlich werden kann und
andererseits volkswirtschaft-
lich nicht vertretbar ist. Wich-
tig ist zu verstehen, dass Pri-
märversorgung aber weit über
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