AERZTE Steiermark 05 2014 - page 11

Ærzte
Steiermark
 || 05|2014
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Interview
timierungsgedanken hat, ist
naheliegend. Dass im Zwei-
fel die gesetzliche Kranken-
versicherung, obwohl sie es
wahrscheinlich nie zugeben
würde, aber die Unterstellung
sei erlaubt, etwas lieber intra-
mural als extramural erledigt
wissen will, ist aufgrund der
bekannten Finanzierungssi-
tuation – Zahlungsströme,
Deckelungen – naheliegend.
Dem Land könnte man das
Gegenteil unterstellen. Das
ist die ökonomische Logik.
Durch das verordnete Zusam-
menwirken ist zumindest si-
chergestellt, dass die Akteure
verpflichtet sind, miteinander
zu reden und über kurz oder
lang auch Ergebnisse zustan-
de zu bringen. Ich habe den
Eindruck, dass hier etwas in
Bewegung gekommen ist. Da
sind sicher noch vertrauens-
bildende Maßnahmen oder
einfach Übung nötig, aber
man muss dem Prozess eine
schafft Anreize, erzielt Wir-
kungen, die man vielleicht
nicht alle mitgedacht hat. Wir
müssen uns von der Idee
verabschieden, dass es den
Stein der Weisen gibt. Es ist
ein permanentes Drehen an
den Stellrädern. Ein Beispiel:
Ich kann mich noch recht gut
an die Zeit vor der Leistungs-
orientierten Spitalsfinanzie-
rung erinnern. Da haben alle
erklärt, wie furchtbar es ist,
dass nach Belegstagen abge-
rechnet wird. Dann kam der
Stein der Weisen, die LKF.
Das ist jetzt rund 20 Jahre
her. Auch dieses System hat
Anreize geschaffen, die nicht
alle ins Idealsystem einzahlen.
Werden vielleicht Leistungen
generiert, die gar nicht not-
wendig sind, gibt es hier nicht
auch eine Optimierung durch
die Betreiber? Logisch, dass
es sie gibt. Man sieht an die-
sem Beispiel, dass der Glaube
an das ideale System dazu
verdammt ist, ein Aberglaube
zu bleiben.
Fast zeitgleich wurde im extra-
muralen Bereich das Einzellei-
stungssystem eingeführt …
Drexler:
… exakt. Die Bot-
schaft ist nicht besonders
sexy, aber wichtig: Es wird
das ideale System nie geben.
Sondern: Wir müssen immer
an den Stellschrauben drehen.
Stichwort Landmedizin. Wie
wollen Sie die wohnortnahe
Chance geben. Die Chan-
ce wäre, dass das, was alle
Analytiker und Kommenta-
toren seit Jahren verlangen,
nämlich die Betrachtung des
Gesamtsystems, auch gelingt.
Dazu braucht es im Übrigen
auch einen weiteren vernünf-
tigen Verhandlungspartner,
das ist die Interessenvertre-
tung namens Ärztekammer …
Das GKK-System belohnt hohe
Frequenzen und bestraft Ärzte,
die sich Zeit für ihre Patienten
nehmen. Das wird von Ärzten
und Patienten zunehmend
beklagt.
Drexler:
Wir können dazu
faktisch wenig beitragen.
Aber eine grundsätzliche Be-
merkung: Gerade insgesamt
in der Gesundheitspolitik
tritt bei genauer Betrachtung
eine Weisheit bald zutage.
Die Frage nach dem idealen
System wird immer unbeant-
wortet bleiben. Jedes System
medizinische Versorgung si-
chern?
Drexler:
Das ist eine gute
Frage, weil die Sorge ja Aus-
druck eines grundsätzlichen
Unbehagens ist. Es entsteht
der Eindruck, dass durch
eine Reihe von Faktoren, den
Wegfall des Postamts, der
Polizeistation oder der Minia-
turschule der ländliche Raum
ausgedünnt wird. Natürlich
ist verantwortungsvolle Po-
litik dazu aufgerufen, hier in
angemessener Manier gegen-
zusteuern, wenn es notwendig
ist. Angesicht der Ausdün-
nung einer flächendeckenden,
adäquaten Gesundheitsver-
sorgung gegenzusteuern, ist
jedenfalls angemessen. Ich
sage das deswegen so vorsich-
tig, weil es ein paar Dinge gibt,
die ich nicht ändern kann.
Die Tatsache, dass in Eisenerz
vor 50 Jahren viermal so viele
Menschen gelebt haben, kann
die Politik nicht verändern.
Der Grund, warum dort so
viele Menschen gelebt haben,
ist weggefallen. Seiersberg
dagegen war vielleicht vor
100 Jahren ein beschaulicher
Weiler und ist heute eine
‚booming area‘. Einige Mega-
entwicklungen kann ich dem
Grunde nach nicht steuern,
ich kann sie vielleicht in Bah-
nen lenken. Aber die Sorge,
was die medizinische Versor-
gung betrifft, ist angebracht,
der Wettbewerb der Ideen ist
eröffnet.
„Es ist mein Ziel, eine Antwortauf die Frage
zu geben, wie die Spitalslandschaft in
20 Jahren ausschaut.“
„Man hat den Eindruck, dass die
Arbeitszeitrichtlinie wie ein Unwetter in
Sekundenschnelle herangezogen ist.“
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