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ÆRZTE
Steiermark
|| 10|2015
Foto: Rampsbacher, Fotolia
SPITAL
Kommunikative Brücken
zu PatientInnen bauen
Sie hören zu,
bringen ein Glas Wasser, halten die Hand – und
sind einfach da: Die BrückenbauerInnen, ehrenamtliche Hel-
fende vom Verein Lichtblick, unterstützen in Ambulanzen des
LKH-Univ. Klinikums allein Wartende.
„Werde ich wohl hören, wenn
ich aufgerufen werde?“, ängs
tigt sich eine ältere Dame in
der orthopädischen Ambu-
lanz im LKH-Univ. Klini-
kum. Der Mann neben ihr ist
durstig, traut sich aber nicht
aufzustehen, um ein Glas
Wasser zu holen, weil ihm
schwindlig werden könnte.
Schräg gegenüber sitzt eine
Frau, ganz allein, und scheint
nicht so recht zu wissen, wie
sie hierhergekommen ist.
Immer mehr Menschen, vor
allem ältere, kommen unbe-
gleitet in die Ambulanzen,
viele davon sind allein durch
den ungewohnten Ablauf im
Krankenhaus gestresst – und
alle befinden sich in einer
persönlichen Ausnahmesitu-
ation von Unsicherheit und
Schmerz. „Die Ärzteschaft
und das Pflegepersonal neh-
men die Einsamkeit dieser
Menschen wahr, haben aber
nicht die zeitliche Kapazität,
all ihre Bedürfnisse abzu-
decken. Daher sind die Brü-
ckenbauerInnen ein absoluter
Gewinn für uns“, berichtet
Christa Tax, Pflegedirektorin
des Klinikums. „Aus meiner
Zeit als Kinderkrankenschwe-
ster kannte ich die Gelben
Tanten, also jene Ehrenamt-
lichen, die sich um Kinder
kümmern, deren Eltern gera-
de nicht bei ihnen sein kön-
nen. Es war mir schon lange
ein Anliegen, dieses Konzept
auch im Erwachsenenbereich
zu etablieren und die Un-
begleiteten bestmöglich zu
betreuen.“
Seit März 2011 gibt es nun in
Graz die so genannten Brü-
ckenbauerInnen vom Verein
Lichtblick. Eingeführt wur-
den sie in der Ambulanz der
Orthopädie, mittlerweile gibt
es sie in sämtlichen chirur-
gischen Ambulanzen und auf
der Dermatologie. Nächste
Station soll die Urologie wer-
den. „Die Zusammenarbeit
funktioniert reibungslos“, so
Tax. „Wir haben schon An-
fragen anderer Ambulanzen
erhalten, wann auch sie Brü-
ckenbauerInnen bekommen.“
Sozialkompetenz gefragt
Dem Ausbau steht vor allem
der Mangel an geeigneten Eh-
renamtlichen im Weg. „Wir
gehen die Erweiterung sehr
behutsam an“, betont Ingrid
Gady, Obfrau des Vereins
Lichtblick. „Menschen, die im
Brückenbau-Projekt mitar-
beiten möchten, müssen über
eine hohe Sozialkompetenz
verfügen, auf andere eingehen
können und sich selbst dabei
ganz zurücknehmen – und
sie müssen über ausreichend
Zeitressourcen verfügen, um
regelmäßig zumindest einen
Vormittag auf einer fixen Am-
bulanz verbringen zu können.
Da ist es nicht leicht, Inte-
ressierte zu finden.“ Auch
wenn die PatientInnen stets
andere sind – die Brücken-
bauerInnen arbeiten eng mit
dem Ambulanzpersonal zu-
sammen, und da wird auf
Kontinuität gesetzt.
Die Tätigkeiten der Brücken-
bauerInnen sind klar von
der Arbeit des medizinischen
Personals abgegrenzt; darauf
legen alle Beteiligten großen
Wert. Es geht ausschließlich
um einfühlsame Kommuni-
kation und kleine Handrei-
chungen, niemals aber um
eine pflegerische Tätigkeit.
„Unsere MitarbeiterInnen
sprechen mit den Einsamen,
hören sich an, was sie be-
schäftigt und gehen darauf
ein. Sie helfen dabei, den
Röntgenraum zu finden oder
bringen ein Glas Wasser –
und achten darauf, wann ihr
Schützling namentlich auf-
gerufen wird“, umreißt Gady
den Aufgabenbereich. Damit
sie genau wissen, wann sie
das Pflegepersonal einschal-
ten müssen, werden die Brü-
ckenbauerInnen vor ihrem
Einsatz geschult, aber auch
weitergebildet, etwa im Um-
gang mit Demenzkranken.