ÆRZTE
Steiermark
|| 10|2015
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ARBEITSMEDIZIN
D
ie Patentie-
rung eines
neuen Arz-
neistoffs schützt ihn
20 Jahre vor Nach-
ahmung. Bis daraus
nach zahlreichen
Tests und Sicher-
heitsprüfungen ein
marktreifes Me
dikament wird, dau-
ert es inklusive Zu-
lassungsverfahren
noch weitere zehn bis zwölf Jahre.
Die gesamten Forschungs- und
Entwicklungskosten betragen im
Durchschnitt 1 Milliarde Dollar. In
den folgenden acht bis zehn Jahren
muss der neue Arzneistoff diese
Kosten am Markt wieder hereinspie-
len, denn nach dem Patentablauf
können ihn andere Firmen mit deut-
lich niedrigeren Entwicklungs- und
Zulassungskosten als Generikum auf
den Markt bringen. Die Generikaher-
steller müssen dabei „Bioäquivalenz“
nachweisen, das heißt, dass ihr
Arzneimittel die gleichen Blutspiegel
und somit Wirkungen erzielt wie das
Originalpräparat. Ein Generikum wirkt
also nicht besser oder schlechter als
das Original, es ist „nur“ billiger. Bei
häufig verordneten Substanzklassen
wie Antihypertensiva, Lipidsenkern,
Antibiotika, Antidepressiva oder
NSAR kann es vorkommen, dass
ein und derselbe Stoff von über 10
Herstellern angeboten wird. Dass es
davon meist mehrere Stärken und
Packungsgrößen gibt, erschwert
die Lagerhaltung einer Apotheke
beträchtlich. Ganz zu schweigen
von den schon fast alltäglichen
Lieferengpässen, die besonders im
Generikabereich häufig auftreten.
Wir bemühen uns natürlich, alle
nachgefragten Generika vorrätig
zu halten. Es kommt aber immer
wieder vor, dass eine Apotheke ein
Arzneimittel von neun verschiedenen
Anbietern lagernd hat und prompt
ein Rezept für das Generikum des
zehnten Erzeugers vorgelegt wird.
Ein Austausch dieser gleichwertigen
Präparate ist in Österreich noch im-
mer nicht ohne
weiteres möglich,
in den meisten
EU-Staaten zur
Kostenreduktion
sogar zwingend
vorgeschrieben.
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Generika ohne Ende
Mag. pharm. Dr.
Gerhard Kobinger
Bessere Vernetzung
Das Wissen über virulente
Punkte, das in der Prävention
gewonnen wurde, sollte auch
in der Therapie genützt wer-
den. Karl Schneeberger, Ar-
beitnehmerschutzexperte der
AK, kritisiert die mangelnde
Vernetzung von Präventions-
und kurativer Medizin: „Nur
ein Satz wird im aktuellen
Regierungsprogramm die-
sem Thema gewidmet.“ Die
Betroffenen müssen sicher
darauf vertrauen, dass ihre
Krankengeschichte bei der
Weitergabe von der Präven-
tions- zur Therapiestelle nicht
an Unbefugte geraten kann.
Wenn der Betroffene nach
einem meist langen Kranken-
stand wieder arbeitsfähig ist,
folgt die Phase der Wieder-
eingliederung. Es finden in
sozial verantwortungsvolle-
ren Firmen sogenannte Kran-
kenstandsrückführungsge-
spräche statt, die nicht nur als
positiv empfunden werden.
Denn nicht immer gelingt
ein für beide Seiten befrie-
digender Abgleich zwischen
dem neuen Fähigkeitsprofil
des Zurückkehrenden und dem Anforderungs-
profil seiner Stelle.
Die Entscheidung darüber obliegt dem Ar-
beitgeber, so Ingrid Kuster, Koordinatorin des
Rechtsservice der WK Steiermark: „In manchen
Betrieben werden solche geführt, in anderen
nicht. Klar ist, dass der Arbeitgeber nach dem
ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (z. B. § 6 ) ver-pflichtet ist, die konkrete Konstitution und
gesundheitliche Verfassung des Arbeitnehmers,
seine Körperkräfte, Alter und Qualifikation
beim Arbeitseinsatz zu berücksichtigen.“
Teil(zeit)krankenstand
Bei der Wiederaufnahme der Arbeit herrscht
der Schonungsmodus vor. Zugleich werden in
jüngerer Zeit die Möglichkeiten eines Teilkran-
kenstandes oder eines Teilzeitkrankenstandes
diskutiert. Karl Schneeberger sieht in ersterer
Variante ein großes Entwicklungspotential,
für Ingrid Kuster sind hier die Sozialpartner
gefordert. Ein naheliegender Ansatz ist, eine
Evaluation der beiden Varianten durch die Ar-
beitsmedizin durchzuführen.
Arbeitsmediziner Georg Wultsch: „Ein – wenn
nicht sogar der – Weg ist, die betriebliche Ein-
gliederung, die individuelle Fähigkeiten mit An-
forderungsprofilen der Arbeitswelt vergleichen
kann und Türen öffnet, um einerseits Arbeits-
plätze generell besser zu gestalten und anderer-
seits individuelle Anpassungen bei individuelle
nAnsprüchen möglich zu machen.“
Arbeitsplätze generell besser gestalten
und individuelle Anpassungen bei
individuelle Ansprüchen möglich
machen.