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28

ÆRZTE

Steiermark

 || 10|2015

PATIENTENVERFÜGUNG

Im Namen der Würde:

Vorsorge für das Lebensende

Äußern PatientInnen schon

vor Eintritt einer kritischen Situation ihren Willen, entlastet

das in der Sterbephase sowohl ÄrztInnen als auch Angehörige. Allerdings haben erst

rund vier Prozent der österreichischen Bevölkerung eine Patientenverfügung und nur zwei

Prozent eine Vorsorgevollmacht.

U. JUNGMEIER-SCHOLZ

„Ich will nicht an Schläuchen

hängen und nicht von Maschi-

nen am Leben erhalten werden“

– so ähnlich lautet nicht selten

der Hauptwunsch von Men-

schen, die eine Patientenver-

fügung in Erwägung ziehen.

Dabei dominieren bei Laien

Bilder, die sie aus Arztserien

im Fernsehen kennen: Wer

dort reanimiert wird, springt

danach gleich wieder topfit

auf und die Krise ist bewältigt.

Dass das nur selten der Fall

ist und häufig überbrückend

lebenserhaltende Maßnahmen

vonnöten sind, die daher nie-

mals kategorisch abgelehnt

werden sollten, ist nur We-

nigen bewusst. Aufgabe der

Ärzteschaft ist es, PatientInnen

bei der Erstellung einer Pati-

entenverfügung einfühlsam,

aber umfassend aufzuklären

und ihnen die Tragweite jeder

einzelnen Entscheidung mög-

lichst konkret vor Augen zu

führen. „Jeder zweite, der mich

bezüglich Patientenverfügung

kontaktiert hat, wollte gleich

deponieren, dass er keine

künstliche Ernährung akzep-

tiere“, berichtet ÄK-Vizepräsi-

dent Jörg Garzarolli aus seiner

Praxis. „Dass das auch eine

Überbrückungsmaßnahme

sein kann, war ihnen schlicht-

weg nicht bekannt.“

Situationsbezogen

beraten

Generell ist in der Beratungs-

situation danach zu unter-

scheiden, in welcher aktu-

ellen Lebenssituation sich die

Ratsuchenden befinden. Jun-

ge, gesunde Menschen, die

für den Fall eines Unfalles

vorsorgen wollen, benötigen

gänzlich andere Fragen und

Antworten als Onkologie-

PatientInnen oder jene mit

ALS. Wer heute nach einer

Patientenverfügung verlangt,

hat möglicherweise aber auch

kurz zuvor die Sterbepha-

se eines nahen Angehörigen

erlebt und möchte für sich

selbst bestimmte Behand-

lungsformen ausschließen.

„Die wichtigste Rolle, die Ärz-

tInnen beim Abfassen von

Patientenverfügungen erfül-

len, ist jene des oder der Zuhö-

renden“, betont Günther We-

ber, Primarius der Abteilung

für Anästhesiologie und In-

tensivmedizin und Vorsitzen-

der der Ethikkommission bei

den Barmherzigen Brüdern in

Graz. Den großen Ansturm

auf Patientenverfügungen gibt

es bisher allerdings noch nicht:

Nur rund vier Prozent der

Österreicherinnen und Öster-

reicher haben auf diese Weise

für ihre Zukunft vorgesorgt,

bei Vorsorgevollmachten sind

es überhaupt nur zwei Prozent.

Äußerst gering ist auch die

Anzahl der steirischen Ärz-

tInnen, die sich in die Liste

jener eingetragen haben, die

Patientenverfügungen erstel-

len: nämlich lediglich 61. Die

Liste führt die steirische Ärz-

tekammer – aber offensicht-

lich noch mit zu geringem

Bekanntheitsgrad. „Sie ist si-

cher unvollständig“, erklärt

Garzarolli. „Von den rund

600 steirischen Allgemein-

medizinerInnen befasst sich

vermutlich ein Großteil im-

mer wieder mit Patientenver-

fügungen.“ Garzarolli rät da-

her auch zu einer Eintragung.

„Dafür reicht eine einfache

Meldung bei der Standesver-

tretung.“

Aber auch die in der Liste ein-

getragenen ÄrztInnen erleben

keinen großen Ansturm. „Im

Schnitt werde ich alle drei

Wochen um Unterstützung

beim Erstellen einer Patien-

tenverfügung gebeten“, erzählt

Matthias Fürböck, Allgemein-

mediziner in Leoben und ei-

ner der 61 Eingetragenen.

Für KollegInnen

formulieren

„Leider ist das Thema Pati-

entenverfügung und Vorsor-

gevollmacht in der Bevölke-

rung wenig präsent“, merkt

Garzarolli kritisch an. „Das

resultiert sicher auch aus einer

gewissen Scheu, sich mit der-

artigen Angelegenheiten zu

beschäftigen. Zudem herrscht

ein Informationsmangel über

die Vielfalt an Möglichkeiten,

eine Patientenverfügung aus-

zuformulieren, aber auch fi-

nanzielle Gründe stellen ein

beachtliches Hindernis dar.“

Denn zumindest eine so ge-

nannte verbindliche Patien-

tenverfügung verursacht Ko-

sten. Zwei wichtige Voraus-

setzungen für eine verbind-

liche Patientenverfügung sind

nämlich die ärztliche und die

juristische Aufklärung vorab.

Beide sind selbst zu bezahlen.

Bei der ärztlichen Beratung

muss beachtet werden, dass

die von den Betroffenen abge-

lehnten Behandlungen kon-

kret benannt werden müssen.

„Im Sinne einer optimalen

Zusammenarbeit sollten jene

ÄrztInnen, die bei der Er-

stellung der Patientenver-

fügung behilflich sind, für

unmissverständliche Formu-

lierungen sorgen“, rät die auf

Gesundheitsfragen speziali-

sierte Rechtsanwältin Renate

Rechinger. „Das erleichtert

die Arbeit jener Ärzte, die in

der Krisensituation behan-

deln.“ Die juristische Bera-

tung übernehmen Rechtsan-

wältInnen, NotarInnen oder

rechtskundige Mitarbeiter­

Innen der Patientenvertre-

tung. Zu den Honoraren des/

„Im Sinne einer optimalen Zusammenarbeit

sollten ÄrztInnen, die bei der Erstellung

der Patientenverfügung behilflich sind, für

unmissverständliche Formulierungen sorgen.“

Renate Rechinger