ÆRZTE
Steiermark
|| 10|2015
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ARZT & RECHT
der PatienIn Bescheid wissen
sollte. Diese darf entscheiden,
ob eine Behandlung erfolgt
bzw. fortgesetzt wird. Vor
dem alleinigen Abfassen ei-
ner Vorsorgevollmacht – also
ohne zusätzliche Patienten-
verfügung – warnt Prima-
rius Günther Weber jedoch:
„Existiert eine Vorsorgevoll-
macht, wiegt das Wort des
Bevollmächtigten gleich viel
wie das Wort des oder der
Betroffenen. Daher sollten
die VerfasserInnen vorab in
einer beachtlichen Patien-
tenverfügung einen Rahmen
vorgeben.“ Denn auch nach
Verlust der Urteilsfähigkeit
haben viele Menschen helle
Momente, in denen sie durch-
aus ihre Wünsche äußern
können, die berücksichtigt
werden sollen, selbst wenn sie
denen der Bevollmächtigten
widersprechen.
Eher unbekannt ist die Tat-
sache, dass der oder die
durch eine Vorsorgevoll-
macht bestellte VertreterIn
(Bevollmächtigte/r) in keiner-
lei Abhängigkeitsverhältnis
oder einer anderen engen Be-
ziehung zu einer Krankenan-
stalt, einem Heim oder einer
sonstigen Einrichtung stehen
darf, in der sich der oder die
Vollmachtgebende aufhält.
Gemeinsam planen
Erst im Planungsstadium be-
findet sich die gesundheitliche
Vorausplanung im Zuge eines
Vorsorgedialogs. Diese inter-
professionellen, wiederkeh-
renden und dokumentierten
Gespräche sollen vor allem
in Alten- und Pflegeheimen
stattfinden – mit demZiel, alle
relevanten Fragen zu klären,
bevor ein/e PatientIn nicht
mehr urteilsfähig ist. Im Ge-
spräch, an dem idealerweise
auch die Vertrauenspersonen
der/des PatientIn ebenso wie
ausgewähltes Pflegepersonal
teilnehmen, sollen die indivi-
duellen Wünsche zur letzten
Lebensphase geklärt werden,
und das unter ärztlicher Auf-
klärung. Fünf Hauptfragen,
so Primarius Günther We-
ber, sollen jedenfalls ange-
sprochen werden: Wer trifft
im Falle mangelnder Urteils-
fähigkeit die medizinischen
Entscheidungen? Welche me-
dizinischen Behandlungen
werden gewünscht, welche
abgelehnt? Wie und wo möch-
te der/die Betroffene in der
allerletzten Lebensphase be-
treut werden? Was wünscht
er oder sie sich von seinem
Umfeld, und was möchte er
oder sie den Angehörigen und
Freunden noch mitteilen?
Das Ergebnis soll dann im
Heim aufliegen und im Not-
fall schnell zur Hand sein
– auch ohne den großen bü-
rokratischen Aufwand einer
offiziellen Registrierung. Der
Start des Vorsorgedialoges
war ursprünglich für den
Sommer 2015 vorgesehen ge-
wesen, musste aber verscho-
ben werden – noch sind juri-
stische Punkte zu klären. Die
nächste Sitzung dazu findet
Ende November statt.
Fürchten sich PatientInnen
vor der Endgültigkeit einer
macht, Dialog: die Argumente
Patientenverfügung, können
sie die behandelnden Ärz-
tInnen in einem wesentlichen
Punkt beruhigen: Laut Ge-
setz wird eine Bestimmung
in einer Patientenverfügung
nämlich nicht nur dann un-
wirksam, wenn sie der Pati-
ent widerruft, sondern auch,
wenn sich „der Stand der me-
dizinischen Wissenschaft (…)
im Hinblick auf den Inhalt
der Patientenverfügung seit
ihrer Errichtung wesentlich
geändert hat“.
Niemand muss also aufgrund
einer Patientenverfügung an
einer später heilbaren Krank-
heit oder Verletzung sterben.
Auf den ersten Blick
Den einfachsten Hinweis auf das Vorhandensein einer
Patientenverfügung stellt die entsprechende Karte im
Portemonnaie dar: Sie wird beispielsweise vom beratenden
Rechtsanwalt oder der Anwältin ausgegeben, wenn es sich
um eine verbindliche oder eine registrierte beachtliche
Verfügung handelt. Im Falle nicht registrierter Patien-
tenverfügungen liegen diese manchmal direkt auf dem
Nachttisch– gut sichtbar für behandelnde ÄrztInnen oder
Vertrauenspersonen. Sofern keine notfallmedizinische
Maßnahme vonnöten ist, können ÄrztInnen bei Ver-
trauenspersonen nachfragen, ob sie von einer PV wissen.
Manchmal sind auch nur Hausärztin oder Seelsorger in-
formiert.
In der Notfallmedizin besteht für die Ärzteschaft ohnehin
keine Verpflichtung, nach einer Patientenverfügung zu
suchen. Aber auch für weniger akute Situationen lehnt ÄK-
Vizepräsident Garzarolli es ab, dass ÄrztInnen sich darum
kümmern sollten, ob eine Patientenverfügung vorhanden
ist. „Wer eine Verfügung errichtet, muss selbst dafür sor-
gen, dass diese im Ernstfall bekannt gemacht wird.“ Für
die Ärzteschaft dürfe kein zusätzlicher bürokratischer
Aufwand entstehen.
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