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ÆRZTE

Steiermark

 || 10|2015

Grafik: Mirko Maric

FLÜCHTLINGE

Erste Hilfe für Flüchtlinge:

Wo Ärzte gebraucht werden

Die Flüchtlinge kommen

in Wellen nach Österreich – ent-

sprechend flexibel muss auch das Hilfsangebot gestaltet wer-

den. Ärztinnen und Ärzte, die ehrenamtlich helfen möchten,

können sich direkt an die NGOs wenden oder im Netzwerk

„MEDeinander helfen” mitarbeiten.

U. JUNGMEIER-SCHOLZ

Nach tagelangen Märschen

und einer wochenlangen

Flucht gelangen derzeit

Flüchtlinge an die österreichi-

schen Grenzen, geschwächt,

dehydriert und nicht selten

auch verletzt. Längst sind es

nicht mehr nur die kräftigsten

jungen Männer einer Familie,

sondern auch Frauen, Kinder,

Schwangere und Säuglinge.

Phasen relativer Ruhe wech-

seln mit Anstürmen von

Hunderten. Diese wechsel-

haften Verhältnisse ist man

in München, wohin in den

vergangenen Wochen die mei-

sten Flüchtlinge weitergezo-

gen sind, bereits gewohnt.

Dort wurde mit 31. August

am Münchner Hauptbahnhof

ein Zentrum für das medizi-

nische Erstscreening einge-

richtet; ein externer Dienst-

leister arbeitet im Auftrag der

Landeshauptstadt. Jeder Neu-

ankömmling wird befragt,

untersucht und, wenn nötig,

medizinisch behandelt.

Ähnlich läuft es auch in der

Steiermark ab, wenn Flücht-

ende geordnet den Grenzü-

bergang frequentieren oder an

der Grünen Grenze aufgegrif-

fen werden: Bevor sie in ein

Verteilerzentrum aufgenom-

men werden, wie es beispiels-

weise eines in Fehring gibt,

werden sie im Transitraum

untersucht. Ärztinnen und

Ärzte gehen mit den Neuan-

kömmlingen einen Anamne-

sefragebogen durch, erheben

mögliche chronische Erkran-

kungen, hören die Flüchtlinge

ab, versorgen die Wunden,

die sich viele auf den langen

Fußmärschen zugezogen ha-

ben, und führen innerhalb

von 48 Stunden ein Lungen-

röntgen durch. Schwanger-

schaften werden registriert,

aber auch psychiatrische

Vorerkrankungen. Erst wenn

ausgeschlossen werden kann,

dass die Flüchtlinge eine an-

steckende Krankheit haben,

so die Grundidee, sollen sie in

das Quartier aufgenommen

werden. Inwieweit sich diese

Maxime bei massiven Anstür-

men aufrechterhalten lassen

kann, wird sich weisen.

Abrechnung

mit der GKK

Tauchen Flüchtende in ei-

ner Arztordination auf, sind

Akutfälle natürlich sofort zu

behandeln. Vor allem chro-

nisch Kranke benötigen oft

Medikamente, beispielsweise

Insulin. Bei bereits registrier-

ten Flüchtlingen sollte die

Leistungsverrechnung kein

Problem darstellen: Jene, die

einen Asylantrag gestellt ha-

ben und somit in die Grund-

versorgung übernommen

wurden, sind bei der GKK

versichert. Zwar erhalten

sie keine eCard, aber einen

„Schein für Grundversorgte“;

die Abrechnung erfolgt dann

direkt mit der STGKK.

Bei Flüchtlingen ohne Status

können derzeit sämtliche me-

dizinischen Leistungen über

das Rote Kreuz abgerechnet

werden. Aufgrund ihrer fi-

nanziellen Situation werden

Flüchtlinge wohl nur in sel-

tenen Fällen eine Wahlarzt­

ordination aufsuchen. Hier

müssten sie vor Ort bezahlen

und die Honorarnote dann

zum Kostenersatz einreichen.

Sind Ärztinnen und Ärzte

mit noch nicht registrier-

ten Flüchtlingen konfrontiert,

sollten sie diese in Notfäl-

len selbstverständlich sofort

versorgen, ansonsten aber

zunächst registrieren lassen.

Dazu ist grundsätzlich die

Polizei zu rufen, es kann

aber auch mit einem nahe

gelegenen Flüchtlingsquar-

tier Kontakt aufgenommen

werden.

Ärztinnen und Ärzte, die frei-

willig ehrenamtlich helfen

möchten, können sich direkt

mit den NGOs in Verbindung

setzen und dort erfragen, wo

ihre Hilfe gebraucht wird. In

der Steiermark sind diese

Organisationen derzeit das

Rote Kreuz, die Caritas, Di-

akonie, der Arbeiter Sama-

riter Bund und Jugend am

Werk; eine Kooperation mit

der Volkshilfe soll ebenfalls

anlaufen. Sie können aber

auch in Flüchtlingsquartieren

in ihrer Nähe anfragen, ob es

noch Bedarf gibt.

Netzwerk

MEDeinander helfen

Ein besonderes Netzwerk der

Freiwilligenhilfe hat der Leiter

des Kinderwunschinstituts in

Dobl, Dr. Michael Schenk, ins

Leben gerufen: das Projekt

MEDeinaner helfen.

Da in seinem Institut mit

Vesna Bjelic-Radisic eine

seinerzeit aus Bosnien ge-

flüchtete Gynäkologin und

Brustkrebs-Spezialistin tätig

ist, ging beiden Ärzten die

neuerliche Flüchtlingswelle

besonders nahe. Nach dem

Besuch in einem Flüchtlings-

quartier stand für Schenk der

Entschluss fest: Er wollte sei-

ne Expertise zur Verfügung

stellen. Und so zog er von

einem Tag auf den anderen

ein Ärztenetzwerk auf, an

dem sich nicht nur mittler-

weile 33 Fachärztinnen und

-ärzte der unterschiedlichsten

Richtungen beteiligen, son-

dern auch eine Hebamme,

„Bei Flüchtlingen

ohne Status können

derzeit medizinische

Leistungen über die

Landespolizeidirektion

für Steiermark

abgerechnet werden.“