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Ærzte
Steiermark
|| 05|2016
Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte
Durchboxen und Anstiften
Trotz allgemeiner Überzeugung,
dass die Primärversorgung kein Gesetz braucht, um
besser zu werden, will die Bundesregierung ihr Primärversorgungs- oder PHC-Gesetz
durchboxen. „Mystery Shopping“, mit dem ohne konkreten Verdacht Spitzel in Arzt- und
Zahnarztpraxen, Apotheken, Krankenhäusern und bei sonstigen Vertragspartnern ver-
deckt schnüffeln dürfen, wurde bereits gesetzlich verordnet. Ob das rechtlich zulässig ist,
wird wohl der Verfassungsgerichtshof entscheiden müssen.
PHC ist nichts Schreckliches,
aber auch nichts sensatio-
nell Neues. Schließlich steht
das Wort für Primary Health
Care, und das ist etwas, das
viele ÄrztInnen, auch im Zu-
sammenwirken mit anderen
Gesundheitsberufen, tagtäg-
lich machen. Aber Primary
Health Care, zwecks besserer
Verständlichkeit (?!) tenden-
ziell eher in der übersetzten
Version „Primärversorgung“
verwendet, ist auch etwas
sehr Wichtiges. Mehr Team-
work in unterschiedlichen
Konstellationen, die auch die
Versorgungsangebote opti-
mieren, und besserer Infor-
mationsabtausch sind also
grundvernünftige Wünsche,
die das PHC- bzw. Primärver-
sorgungsgesetz – vordergrün-
dig – zu erfüllen verspricht.
Vordergründig, denn dass
ein Gesetz dafür nicht unbe-
dingt nötig wäre, hat auch die
Zukunftskonferenz Primär-
versorgung der Meduni Graz
(Seite 14) gezeigt. Es könnte
die Vielfalt, das Ausprobieren
neuer Ideen und unterschied-
licher Modelle vielleicht sogar
be- und in manchen Fällen
verhindern.
Aber: Das Bedürfnis der Re-
gierung, die „multiprofessi-
onelle und interdisziplinäre
Primärversorgung, soweit
diese durch Primärversor-
gungseinheiten nach diesem
Bundesgesetz erbracht wird“,
so der Gesetzesentwurf, zu
regeln, ist groß. Oder, wie
es Hauptverbands-General-
unglaubwürdig werden“.
Es gibt aber klare Vorstel-
lungen seitens der Ärztekam-
mer und der Ärzteschaft, was
durch ein solches Gesetz kei-
direktor Josef Probst bei der
erwähnten Konferenz for-
muliert hat, eine „sichtbare
Reform“, sprich ein Gesetz,
sei nötig, „damit wir nicht
nesfalls passieren darf:
Der Kassen-Gesamtvertrag,
der Ärztinnen und Ärzten ein
gewisses Maß an Sicherheit
gibt, und sicherstellt, dass
nicht Einzelne einem mäch-
tigen Kassen-Monolithen
gegenüberstehen, darf nicht
unterlaufen werden.
Es darf kein Versorgungs-
Paralleluniversum entstehen,
das die hausärztliche Ver-
sorgung völlig an den Rand
drängt. Das Motto „Team
rund um den Hausarzt“ kann
nicht reines Lippenbekennt-
nis sein. Es muss gelebt wer-
den. Im Teamwork mit ande-
ren Gesundheitsberufen darf
die ärztliche Kompetenz nicht
einer ideologisch motivierten
Gleichmacherei geopfert wer-
den.
Der Zugang zu Fachärztinnen
und Fachärzten darf nicht
erschwert werden. Der kon-
struktive Konsens, wie er z. B.
im Netzwerk
„Styriamed.net“gelebt wird, kann und muss
gesichert bleiben.
Nichtärztliche Ketten mit
vorwiegend wirtschaftlichen
Interessen dürfen nicht an die
Stelle ärztlicher Versorgungs-
einheiten treten, wie das in
den USA der Fall ist.
„Dem Bewährten mehr Mög-
lichkeiten geben, ist das Ziel.
Das Bewährte zu verdrängen
und Raum für eine Mischung
aus staatlicher Kontrolle und
Kapitalinteressen zu geben, ist
eine reale Gefahr, gegen die
Kolumnist
Jeannée
wettert in
der Krone
gegen die
Spitzel.