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ÆRZTE
Steiermark
|| 09|2017
NIEDERGELASSENE ÄRZTINNEN UND ÄRZTE
Der ganz normale Praxiswahnsinn
Der geliehene Planet
Es war einer dieser heißen Augusttage. In der Ordi war es
vormittags aufgrund frühmorgendlichen Lüftens und fast
völliger Verdunkelung relativ erträglich. Trotzdem: Wir
schwitzten und die Patienten schwitzten. Glücklicherweise
hatten sich die meisten Leute gewaschen. Denn Lüften, wenn
dabei sonnige 38 Grad zum Fenster hereinwollen, ist keine
besonders angenehme Perspektive.
Gerade habe ich ein Sportattest für die Tochter von Freunden
erstellt und mache noch etwas Small Talk mit der jungen
Lady, während ich Zettel ausfülle und Stempel verteile. Ja, der
Urlaub war schön, wenn auch zu lang. Naja, mit Fünfzehn
jeden Tag den ganzen Tag lang seine Eltern sehen zu müssen,
kann anstrengend sein. (Die Eltern frage ich dann besser
gleich gar nicht.) Aber das Schlimmste ist, der Wäschetrock-
ner ist kaputt! Ja, das ist blöd, gebe ich zurück, aber im Mo-
ment braucht den eh kein Mensch. Man hängt die Wäsche
hinaus und nach dreißig Minuten ist sie trocken. Ich muss
das wissen, denn auf unserer Terrasse daheim hat es 42 Grad.
Sie sieht mich an, als wäre ich von einem anderen Planeten:
„Aber ich kann doch so kein Handtuch verwenden! Das ist ja
dann ganz kratzig!“ „Mag schon sein, dass es nicht so weich
ist, aber dafür hast Du gleich einen kleinen Peeling Effekt
beim Abtrocken.“ „Nein, das geht gar nicht. Und Weichspü-
ler muss auch unbedingt dazu, sonst nehm ich das nicht.“
Ich benutze auch einen Trockner. Im November oder bei
Dauerregen. „Hast schon einmal an die Umwelt gedacht, was
das bedeutet? Wir haben nur diese eine Erde, und wir sollten
sie möglichst pfleglich behandeln!“ „Ist mir egal, wer weiß,
wo man sonst noch leben kann.“
Offensichtlich wartet auf uns noch irgendwo ein bewohn-
barer Planet, denke ich mir später beim Müllentsorgen. Im
Biokübel liegen Pampers, im Papiercontainer Plastikflaschen.
Es heißt: „Wir haben die Erde nicht von unseren Eltern
geerbt, wir haben sie von unseren Kindern geliehen.“ Und
dementsprechend sorgsam versuche ich, mit dieser Leihgabe
umzugehen. Aber offensichtlich wollen die Kinder sie gar
nicht haben, oder ihnen ist egal, in welchem Zustand sie sie
bekommen.
Dr. Ulrike Stelzl ist niedergelassene Ärztin für
Allgemeinmedizin.
Mehr von ihr gibt es im Buch „Hallo Doc! 2
Anekdoten aus der Sprechstunde“ (erhältlich auf Amazon).
PRAKTISCH
TÄGLICH
Von Ulrike Stelzl
und nicht auf die Wohnorte
der Patienten. Da bleiben alle
Vorstöße zum verstärkten Ein-
satz von E-Health im wahrsten
Sinne des Wortes im Keim
stecken.
„Digitale Technologie kann
die persönliche Kommuni-
kation zwischen Arzt und
Patient zwar nicht ersetzen,
aber unterstützen“, begrüßt
Vizepräsident und Nieder-
gelassenen-Kurienobmann
Norbert Meindl gemeinsam
mit Vizepräsident Dietmar
Bayer als EDV-Referent dies-
bezügliche Vorschläge aus der
Politik.
Allerdings, so Meindl und
Bayer mit einem Blick auf die
Versorgungslage, fehle es der-
zeit noch vielfach an der Mög-
lichkeit, dass ein niedergelas-
sener Arzt den Hausbesuch
bei einem chronisch kranken
Patienten auch einmal per
Video-Chat macht. Und das
habe einfache Gründe: Ge-
rade in vielen ländlichen Re-
gionen der Steiermark man-
gelt es an der Infrastruktur.
Glasfaserkabel, wie sie für die
Übermittlung großer Daten-
mengen und Video-Anwen-
dungen benötigt werden, sind
einfach nicht vorhanden. In
manchen Regionen haben die
Hälfte oder sogar zwei Drittel
der Praxen mit dieser Bürde
zu kämpfen.
Dazu kommt, dass Internet-
Anbindungen, die die nöti-
gen Sicherheitsstandards für
Der jüngste österreichische
„Tatort“ aus der Oststeier-
mark wurde von vielen Kri-
tikern als unrealistisch einge-
schätzt – Ebola im Rabenwald
erschien ihnen doch weit her-
geholt. Eine kleine Szene war
aber sehr realistisch: In der
Einschicht versagte das Han-
dynetz. Kein LTE, nicht ein-
mal das langsamere Edge oder
das träge GPRS. Ja, es gibt
Regionen, in denen schnelles
Internet, sei es mobil, sei es
kabelgebunden, trotz aller
vielfach beschworenen Breit-
bandinitiativen leider nur
Wunschdenken ist.
Für anspruchsvolle E-Health-
Anwendungen ist aber High-
speed-Internet unabdingbar.
Die Übertragung hochauflö-
sender Bilder oder gar Video-
Kommunikation erfordert eine
hohe Bandbreite. Nun befin-
den sich Arztpraxen weitestge-
hend nicht in völlig entlegenen
Gegenden, aber gleicht man
die Praxisstandorte mit dem
österreichischen Breitband
atlas ab, stellt man fest, dass
im Bezirk Südoststeiermark 62
Prozent der allgemeinmedizi-
nischen Kassenpraxis-Stand-
orte eine Versorgungskapazität
von 30 mBit/s und weniger zur
Verfügung haben. Ähnlich ist
die Lage im Bezirk Voitsberg.
Ein wenig besser schaut es
in Murau und Liezen mit 40
bis 50 Prozent aus, selbst im
gut versorgten Murtal sind es
20 Prozent. Und diese Zah-
len beziehen sich nur auf die
Standorte der Ordinationen
Voraussetzung für datenintensive
E-Health-
Anwendungen ist klarerweise ein schnelles Inter-
net. In vielen Regionen der Steiermark fehlen aber
trotz vieler (angekündigter) Breitbandinitiativen die
Grundlagen dafür. Dazu kommen wirtschaftliche
und rechtliche Hemmnisse.
Datenautobahnen