Bundespolitik
„Reform“ mit vielen falschen Argumenten
Die Gesundheitspolitik des Jahres 2012
stand im Zeichen der heftigen und
über weite Strecken höchst polemisch
geführten Debatte um die so genannte
Gesundheitsreform. Ihren Ausgang
nahm sie in Graz: Hier verkündeten
der oberösterreichische Landeshaupt-
mann Josef Pühringer, die Wiener Ge-
sundheitsstadträtin Sonja Wehsely und
die steirische Gesundheitslandesrätin
Kristina Edlinger-Ploder erstmals „of-
fiziell“, dass man sich auf konkrete
Kostendämpfungspfade und Begleit-
mechanismen geeinigt habe.
In den folgenden Monaten wurde die
Tragweite des Vorhabens zumindest
teilweise sichtbar: 3,4 Milliarden bis
2016 und mehr als 11 Milliarden Euro
bis 2020 sollten eingespart werden.
Wobei die ProponentInnen der (15a-)
Bund-Länder-Vereinbarung – was die
mediale Wirkung betraf – durchaus
erfolgreich von den Sparzielen abzu-
lenken versuchten, indem sie angeb-
liche Vorteile für die Patientinnen und
Patienten (durch Stärkung der wohn-
ortnahen Versorgung, eine bessere
Abstimmung der Versorgungseinrich-
tungen etc.) in den Mittelpunkt ihrer
Argumentation rückten.
Finanzziele
So wurde verschleiert, dass diese Ge-
sundheitsreform, wie auch Publika-
tionen des Finanzministeriums be-
legen, vorrangig einen Beitrag zum
europäischen Stabilitätspakt dar-
stellte, also finanziell motiviert war.
Eine breite Allianz aus Bundespolitik
machte sich für das Projekt stark, al-
len voran Gesundheitsminister Alois
Stöger, Landespolitik (hier meldeten
sich praktisch alle Landesgesund-
heitsreferentInnen zustimmend zu
Wort) und Hauptverband, unterstützt
von Statements von „Experten“, inbe-
sondere des niederösterreichischen
Patientenanwalts Gerhard Bachinger
(in seiner Funktion als Sprecher aller
Patientenanwältinnen und -anwälte)
sowie diverser Gesundheitsökonomen.
Zur Kernstrategie gehörte die konzer-
tierte Diffamierung der Ärztekammer
(der niederösterreichische Spitalslan-
desrat Wolfgang Sobotka stellte sogar
deren Abschaffung in den Raum). Ihr
und der gesamten Ärzteschaft wurde
vielfach unterstellt, nur deswegen gegen
die Reform aufzutreten, da sie „Eigenin-
teressen“ im Sinne des wirtschaftlichen
Fortkommens und ihre „Machtposition
dadurch gefährdet“ sehe.
Tatsächlich wurden in der Vereinba-
rung als Grundlage des Gesundheits-
reformgesetzes eine Reihe von Mecha-
nismen vorgesehen bzw. in den Raum
gestellt, die alle Leistungserbringer im
Gesundheitsbereich nicht nur von Ent-
scheidungen, sondern sogar von den
vorausgehenden Meinungsbildungs-
prozessen weitgehend ausschließt. Ein
massiv diskutierter Punkt war auch
der Vorrang der Zielvorgaben aus der
Bundes- und den Landeszielsteue-
rungskommissionen gegenüber den
Gesamtverträgen.
So wurde die eigentlich inhaltlich zu
führende Debatte auf eine Auseinan-
dersetzung zwischen den politischen
EntscheidungsträgerInnen und dem
Hauptverband auf der einen und der
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