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rung durch ein öffentliches
oder berechtigtes privates In-
teresse gerechtfertigt ist. Als
Verstoß gegen die ärztliche
Berufsplicht und damit gegen
die ärztegesetzlichen Bestim-
mungen ist die Verletzung
des Berufsgeheimnisses auch
eine Verwaltungsstraftat, die
durch die zuständige Bezirks-
verwaltungsbehörde bestraft
werden kann.
Letztlich kann die Ärztin
bzw. der Arzt, die/der das
Berufsgeheimnis verletzt,
auch disziplinarrechtlich zur
Verantwortung gezogen wer-
den. Sofern durch den Ge-
heimnisbruch die Patientin/
der Patient oder ein Dritter
Schaden erleidet, ist die Ärz-
tin/der Arzt darüberhinaus
zivilrechtlich schadenersatz-
pflichtig.
Dr. Dieter Müller ist Jurist
und leitet den Bereich
Allgemeines Ärzterecht und
EDV in der Ärztekammer
Steiermark.
1
§ 54 ÄrzteG, § 121 StGB
2
Gaisbauer, Privatkonsultationen
und ärztliche Schweigepflicht,
RdM 1994, 75 ff; Resch/Wallner
(Hrsg.), Handbuch Medizinrecht,
582 ff
3
Resch/Wallner, aaO; Leitner in
Emberger/Wallner, ÄrzteG mit
Kommentar2 FN5 zu § 54
4
Resch/Wallner aaO
5
VwGH 16.09.1986, 85/14/0007,
JBl 1987, 336; Resch/Wallner,
584
6
OGH 23.05.1984, 1Ob 550/84;
OGH 25.05.2000, 1Ob 341/99z,
RdM 2001, 23; Resch/Wallner,
aaO
7
OGH 12.12.2002, 6Ob 267/02m,
RdM 2003/63, Leitner in Em-
berger/Wallner, ÄrzteG2 FN13
zu § 54; Resch/Wallner, 586
8
Resch/Wallner, 586 f
9
OGH 12.12.2002, 6Ob 267/02m,
RdM 2003/63
martin novak
Wenn etwas dermaßen Schreckliches und zuvor
Unvorstellbares geschehen ist, wie der nach
allen bisherigen Erkenntnissen in
Selbstmordabsicht vorsätzlich
herbeigeführte Absturz der ger-
manwings-Maschine durch einen
Piloten, dann entsteht
Handlungsbedarf, vor
allem politischer:
„Piloten müssen zu
Ärzten gehen, die vom
Arbeitgeber vorgegeben
werden. Diese Ärzte müs-
sen gegenüber dem Arbeit-
geber und dem Luftfahrt-
bundesamt von der ärztlichen
Schweigepf licht entbunden
sein“, forderte ein deutscher
Bundestagsabgeordneter. Ein wei-
terer Politiker verlangte die Bildung einer
Expertenkommission, die eine Richtschnur für
Ärzte erarbeitet, die Piloten, aber auch andere
Berufsgruppen, etwa Fernbusfahrer, betreffen
könne.
Reflex der politischen Arena
Es waren keine Gesundheits-, sondern eher Ver-
kehrspolitiker, die mit derartigen Forderungen
vorpreschten und von den größten Medien
(Spiegel, Zeit, Bild …) Deutschlands auch er-
hört wurden. Motto: „Es muss etwas gesche-
hen – und es muss darüber berichtet werden,
dass etwas geschehen muss.“ Oder, wie es die
„Zeit“ formulierte: „Die jüngsten Forderungen
entspringen einem typischen Reflex in der poli-
tischen Arena: Der Ruf nach Gesetzesreformen
ist nach Katastrophen programmiert.“
Durchaus bezeichnend, dass Politiker, die sich
mit Gesundheitsfragen be-
fassen, differenzierter argu-
mentierten – parteiübergrei-
fend: „Depressionen, Selbst-
mordgedanken, das alles
würde dann nicht mehr
behandelt, sondern mit
sich ausgemacht“, warnt
der SPD-Abgeordnete
Karl Lauterbach. Der
Gesundheitspoliti-
ker der CDU, Jens
Spahn, äußerte
sich ebenfalls ab-
lehnend. Die ge-
sundheitspolitischen
Experten wiesen auch
darauf hin, dass die
ärztliche Schweigepflicht
ähnlich wie in Österreich
sehr wohl durchbrochen wer-
den könne, wenn es um den
Schutz eines höherwertigen
Guts gehe.
Aushöhlung
Kritische Stimmen kamen
aber vor allem von denen, de-
ren Schweigepflicht zur Dis-
kussion gestellt wurde. „Wir
lehnen eine Aushöhlung der
ärztlichen Schweigepf licht
ab. Sie ist eine Verpflichtung
des Arztes und ein Men-
schenrecht der Patienten. Wir
wollen doch nicht, dass in
Zukunft jede depressive Ver-
stimmung sofort zu einem
Flugverbot führt. Hier muss
die Kirche im Dorf gelassen
werden“, warnte der Präsi-
Schweige-
Pflichtübung
Nach der Katastrophe
gab es politischen Hand
lungsbedarf. Die Forderung nach einer Lockerung
der ärztlichen Schweigepflicht war „ein typischer
Reflex der politischen Arena“ (© Die Zeit).