

ARBEIT
einem 3er. Knapp 45 Prozent
der Befragten wollen nach
Abschluss der Ausbildung in
die ambulante Medizin gehen
(der Hartmannbund vertritt
die niedergelassenen Ärz-
tinnen und Ärzte in Deutsch-
land). Viele beklagen zu viele
Überstunden, 65 Prozent
sagen, dass die Arbeitszeit
„nicht objektiv und manipu-
lationssicher vom Arbeitgeber
erfasst“ werde. 52 Prozent
wurden laut Umfrage schon
einmal direkt oder indirekt
aufgefordert, Extra-Stunden
nicht zu dokumentieren. Ein
gutes Fünftel sagt, dass Über-
stunden grundsätzlich nicht
anerkannt würden, es also
weder Zeitausgleich noch
Bezahlung dafür gäbe. Der
Vorsitzende des Hartmann-
bundes, Klaus Reinhardt, in-
terpretiert die Studienergeb-
nisse laut Ärzteblatt als „Hil-
feruf der jungen Ärztegenera-
tion, so nicht mehr arbeiten
zu wollen“.
Ökonomischer Druck
Bereits ein knappes Jahr zu-
vor, im Mai 2016, hatte das
Die deutsche Wochenzei-
tung DIE ZEIT bat Ende
März vier Klinikärztinnen
und -ärzte zum Gespräch.
Titel des Dialogstücks: „Wie
geht’s, Doktor?“ Die Antwort
zusammengefasst: sehr, sehr
schlecht. Drastisch schilderte
das Quartett triste Arbeits-
bedingungen, Überforderung
durch den Spardruck und die
ständige Angst, unter diesen
Umständen Fehler zu ma-
chen: „… ich wurde relativ
schnell zur Oberärztin und
hatte an meiner alten Klinik,
einer Uni-Klinik, zwölf Näch-
te im Monat Rufbereitschaft.
Sie müssen jede Nacht aufs
Neue entscheiden: Fahre ich
rein, um die jungen Kollegen
zu unterstützen oder nicht?
Wenn da aber ein 20-Jähriger
mit Lungenentzündung um
sein Leben kämpft, bleiben
Sie nicht im Bett liegen. Am
Ende bin ich im Zweifel im-
mer in die Klinik gefahren.
Knapp zwei Jahre habe ich
das durchgehalten. Dann
habe ich das Krankenhaus ge-
wechselt und bin aus der In-
tensivmedizin ausgestiegen“,
schildert eine 38-jährige In-
ternistin. Und ein 46-Jähriger,
ebenfalls Facharzt für Innere
Medizin, beschreibt die Hin-
tergründe: „Der Zwang, Geld
zu verdienen, ist … bei den
öffentlichen Krankenhäusern
angekommen. Die Metho-
den sind überall die gleichen.
Die Kliniken sollen Gewinne
abwerfen. Die größten Kos
ten verursacht das Personal.
Da wird gespart.“ Und sagt
auch, was er ändern würde:
„Im Moment ist es so, dass
der Arbeitgeber … entschei-
deutsche „Bündnis junger
Ärzte“ gemeinsam mit der
deutschen Bundesärztekam-
mer Alarm geschlagen: „Wir
haben den Anspruch an uns,
eine moderne und mensch-
lich zugewandte Medizin zu
machen. Doch durch den
zunehmenden ökonomischen
Druck werden Krankenhäu-
ser zur Prozessoptimierung
gezwungen und reagieren
mit Personaleinsparungen“,
sagte Matthias Krüger, Spre-
cher des chirurgischen Nach-
wuchses im Berufsverband
der Deutschen Chirurgen, bei
einer Diskussionsveranstal-
tung
(aerzteblatt.de). Zwangs-
läufig komme es zu einer
sich zuspitzenden Arbeits-
verdichtung. „Ärzte dürfen
nicht zum Renditefaktor ver-
kommen“, warnte er. „Wir
sind Leistungserbringer,
nicht Kostenfaktoren!“ Was
die jungen Ärztinnen und
Ärzte in Deutschland fordern,
klingt auch für Österreiche-
rinnen und Österreicher ver-
traut: sowohl strukturelle als
auch finanzielle Förderung
der Vereinbarkeit des Arzt-
den kann, wie viele Ärzte er
in welchem Bereich einsetzt.
Eine Idee wäre, dass es dafür
gesetzlich festgelegte Stan-
dards gibt. Eine klare Perso-
nalbemessung.“
Hilferuf
Vier Ärztinnen und Ärzte,
das ist natürlich eine Anein-
anderreihung anekdotischer
Erzählungen, medial zuge-
spitzt. Aber hinter diesen Ge-
schichten stehen Fakten. Im
März 2017 wurde eine Um-
frage des Hartmannbundes
im Deutschen Ärzteblatt
veröffentlicht. „Junge Ärzte
hadern mit dem Klinikall-
tag“ lautet die zusammenfas-
sende Überschrift. Ein paar
Ergebnisse aus der Studie, für
die 1.300 Assistenzärztinnen
und -ärzte befragt wurden:
76 Prozent geben an, „dass
sie schon einmal zur Arbeit
gegangen sind, obwohl sie
aufgrund von Krankheit ei-
gentlich nicht hätten arbeiten
dürfen“. Ein Drittel vergibt im
Fach „Arbeitszufriedenheit“
die Schulnoten 4 oder 5, ein
weiteres Drittel benotet mit
Für viele junge
österreichische Ärztinnen und Ärzte ist Deutschland das bessere
Österreich – ein Sehnsuchtsland. Deutsche Ärztinnen und Ärzte erleben die Medizin
in Deutschland weit leidvoller.
Leiden in Deutschland
Foto: Shutterstock
ÆRZTE
Steiermark
|| 05|2017
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