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ÆRZTE
Steiermark
|| 09|2017
COVER
sie von vielen Hausärzten
durchgeführt wird, wird man
sich als Jungmediziner fragen,
wie man die ärztliche Vorge-
hensweise, die man auf der
Universität erlernt hat, um-
setzen soll. In dieser diagnos-
tischen Unsicherheit leben zu
müssen, kann für zukünftige
MedizinerInnen eine große
Herausforderung darstellen“,
stellt Poggenburg fest.
Ganz wichtig ist ihr festzu-
halten, dass es bei der Stu-
die nicht darum geht, Kritik
zu üben oder Konflikte zu
schüren – im Gegenteil: Mit
der Studie hofft Poggenburg
vielmehr, einen Prozess al-
ler am System Beteiligten
initiieren zu können, um in
einem konstruktiven Prozess
bedarfs- und bedürfnisori-
entierte Lösungen für alle
Beteiligten zu finden. Die von
der Ärztekammer finanzierte
Studie basiere auf einer eige-
nen Idee, betonen die Studi-
enleiter der Medizinischen
Universität Graz Avian und
Poggenburg, in diesem Sinne
habe die Ärztekammer auch
keinen Einfluss auf die Erstel-
lung des Fragebogens oder die
Auswertung genommen. Da-
rüber hinaus besitzen die Stu-
dienleiter die völlige Freiheit,
alle auch noch im weiteren
Verlauf folgenden Ergebnisse
der Studie wissenschaftlich zu
publizieren.
Ihre quantitative Studie sieht
sie im Zusammenhang mit
dem als Literaturrecherche
und Expertenbefragung ge-
stalteten Bericht ihres Kolle-
gen Florian Stigler (siehe Seite
13 ff. in dieser Ausgabe von
AERZTE Steiermark). Denn
letztlich geht es um die rich-
tigen Maßnahmen. In diesem
wurde eine Studie wie die hier
vorgestellte als höchstrelevant
gefordert. Fasst man die Er-
gebnisse beider Studien des
Instituts für Allgemeinmedi-
zin und evidenzbasierte Ver-
sorgungsforschung zusam-
men, könnte sich die Gelegen-
heit bieten, Maßnahmen zu
detektieren, die dem Bedarf
der folgenden Ärztegenera-
tion entsprechen. Und diese
Maßnahmen müssen wohl
ebenso vielfältig sein, wie es
die Probleme sind.
Es beginnt mit der universi-
tären Ausbildung, durch die
sich laut Befragung derzeit
nur 15 Prozent der Studie-
renden und gar nur sechs
Prozent der jungen Ärztinnen
und Ärzte gut auf das Haus-
arztsein vorbereitet fühlen.
Stephanie Poggenburg ist
überzeugt davon, dass pra-
xisorientierte Erfahrungen
mit der Allgemeinmedizin
während des Studiums ein
wesentlicher Motivationsfak-
tor für den Hausarztberuf
sind: „Quasi alle bereits vor-
liegenden Untersuchungen
aus verschiedensten Ländern
deuten darauf hin.“
Wie auch im Bericht von
Florian Stigler als wesent-
liche Maßnahme bewertet,
sollten Landarztprojekte für
Studierende angeboten wer-
den. Auch hier ist das Institut
für Allgemeinmedizin bereits
aktiv: In dem von der Stei-
rischen Akademie für All-
gemeinmedizin (STAFAM)
finanzierten Projekt „Land-
arztZUKUNFT“ wird Studie-
renden in zwei Regionen der
Steiermark (oberes Ennstal
und südliche Steiermark) der
Landarztberuf im Rahmen
von Programmen näherge-
bracht, die von den betei-
ligten Gemeinden und an-
deren Sponsoren finanziert
werden. Auch anderswo gibt
es Aktivitäten: In Salzburg
findet derzeit erstmals eine
Summer School Allgemein-
medizin der Salzburger Ge-
sellschaft für Allgemein- und
Familienmedizin statt, mit
Vorträgen zu relevanten all-
gemeinmedizinischen The-
men, interaktiven Workshops
zu Herangehensweisen und
Skills in der Allgemeinmedi-
zin, Vor-Ort-Erfahrungen in
ländlichen Arztpraxen sowie
einem gemeinsamen Rah-
menprogramm. In Innsbruck
existiert ebenfalls ein Pro-
gramm zur Förderung der
Landarztmedizin.
Der zweite Hebel ist die Lehr-
praxis, seit der letzten Ausbil-
dungsreform fixer Bestand-
teil im Turnus: Allerdings,
so die allgemeine Kritik, mit
sechs Monaten weit kürzer
als in anderen Ländern und
nicht durchgehend finanziert.
Ferner besteht die Möglich-
keit, den eigentlich in der
Hausarztpraxis vorgesehenen
Teil in einer Spitalsambulanz
unter Umgehung der Erfah-
rungen in einer Hausarztpra-
xis zu absolvieren. Hier hakt
auch Karlheinz Kornhäusl als
Turnusärzte-Bundesobmann
ein und verlangt vehement
eine Vollfinanzierung der
Lehrpraxis, die rund 15 Mil-
lionen Euro kosten würde, das
entspricht den Bundesausga-
ben für weniger als 40 Absol-
ventinnen und Absolventen
an den Medizinischen Uni-
versitäten. Mit Poggenburg ist
er einer Meinung: „Sehr oft
Foto: Shutterstock
„Heutzutage gelingt eine zeitgemäße Diagnostik
in vielen Fällen nur, wenn man bestimmte
notfallmäßig indizierte Laborwerte oder
diagnostische Maßnahmen auf eigene Rechnung
oder allenfalls zum Selbstkostenpreis durchführt.
Für Jungmediziner, die von ihrer universitären
Ausbildung den Gebrauch differenzierter
diagnostischer Maßnahmen gewohnt sind, könnte
diese diagnostische Unsicherheit problematisch
sein.“
Stephanie Poggenburg