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ÆRZTE

Steiermark

09|2017

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Herr Dr. Stigler, Sie haben mit

mehreren Kolleginnen und

Kollegen – und natürlich Ih-

rer Institutsleiterin Andrea

Siebenhofer-Kroitzsch – die

Studie „Prävention eines all-

gemeinmedizinischen Land­

ärztemangels“ geschrieben.

Der Titel ist bis zu einem

gewissen Grad selbsterklärend,

aber dennoch die Frage: Was

soll die Studie bewirken?

In Österreich gibt es zwar aus-

gesprochen viele Ärzte, da-

von sind jedoch nur 8,4 Pro-

zent als klassische Hausärzte,

also Allgemeinmediziner mit

GKK-Vertrag, tätig. Dieser

im internationalen Vergleich

sehr niedrige Anteil wird

durch die kommende „Pen-

sionierungswelle“ – in den

nächsten zehn Jahren wer-

den drei von fünf steirischen

Hausärzten in Pension gehen

– und die aktuelle „Nach-

wuchslücke“ – nur 2 Prozent

der Studierenden wollen aus-

schließlich Allgemeinmedi-

ziner werden – noch weiter

bedroht. Die Studie zeigt, wel-

che Möglichkeiten vorhanden

sind, um dem entgegenwir-

ken zu können.

Wie sind Sie methodisch vor-

gegangen?

Methodisch hatten wir zwei

Hauptaufgaben vor uns: Der

erste Schritt war die Erstel-

lung eines möglichst um-

fangreichen Maßnahmen-

Katalogs. Dazu wurden zehn

internationale Positionspa-

piere und 32 systematische

Übersichtsarbeiten zu diesem

Thema identifiziert, ausge-

wertet und durch den Input

von Experten

ergänzt. Das

Ergebnis war

eine Samm-

lung von 97

g r u nd s ä t z -

lich relevan­

ten und um-

s e t z b a r e n

Maßnahmen

– der, soweit

uns bekannt,

weltweit um-

f a ng r e ich s -

te Katalog

dieser Art.

Der zweite

Schritt be-

stand in der

P r i o r i s i e -

rung dieser

Maßnahmen,

um heraus-

z u f i n d e n ,

welche dieser

vielen Maßnahmen sowohl

als besonders wirksam, als

auch als besonders gut um-

setzbar hervorstechen. Da-

bei wurden die Maßnahmen

von Vertretern der relevanten

„Stakeholder“ des Gesund-

heitswesens diskutiert und

bewertet.

Es haben sehr viele Exper-

tinnen und Experten daran

mitgewirkt. Nach welchen Kri-

terien wurden sie ausgewählt?

Was war ihre Aufgabe?

Im Rahmen

der Erstellung

des Maßnah-

men-Katalogs

i nv o l v i e r t e n

wir im ersten

Schr it t drei

unabhä ng i ge

Experten aus

Österreich und

Deut s ch l a nd ,

um den bereits

umfangreichen

Kat a log au f

mögliche Lü-

cken hin zu

überprüfen. Im

Rahmen der

Bewertung des

Ma ßna hmen-

kata logs a ls

Schritt 2 war

uns besonders

wichtig, mög-

lichst alle Per-

spektiven und Sichtweisen

zu Wort kommen zu las-

sen und miteinzubeziehen.

Deshalb nahmen Vertreter

des Gesundheitsministeri-

ums, des Gesundheitsfonds,

der Gebietskrankenkasse,

der Ärztekammer, der Me-

dizinischen Universität, des

Gemeindebunds sowie prak-

tizierende und junge Allge-

meinmediziner, Studierende

und unabhängige Experten

an der Bewertung der Maß-

nahmen teil.

Sie haben fast 100 Maßnah-

men definiert, die helfen

könnten, die allgemeinmedi-

zinische Landmedizin zu stär-

ken. Wie ist es zu dieser Liste

gekommen? Welche Bereiche

umfasst sie?

Die Liste basiert in erster Li-

nie auf international bereits

umgesetzten Maßnahmen,

die daraufhin wissenschaft-

lich evaluiert und publiziert

wurden, sowie auf Empfeh-

lungen von Organisationen

wie der WHO, der OECD

oder z. B. der Deutschen Ge-

sellschaft für Allgemeinmedi-

zin. Die Bereiche der einzel-

nen Maßnahmen umspannen

den ganzen Lebenslauf eines

Allgemeinmediziners: von

seiner Studienzulassung, dem

Medizinstudium, seiner post-

gradualen Ausbildung zum

Allgemeinmediziner, der spä-

teren Tätigkeit als Hausarzt

bis zu seiner Lebensqualität

in der Gemeinde. Weiters

wurden auch Maßnahmen

zur Rekrutierung anderweitig

tätiger Allgemeinmediziner

– in Österreich z. B. Stations-

ärzte oder Wahlärzte – sowie

zur Steigerung der Anzahl

und der Versorgungswirk-

samkeit bereits vorhandener

Hausärzte identifiziert.

Beginnen wir mit der univer-

sitären Lehre: Was fehlt hier,

was ist da zu tun?

Grob zusammengefasst: Mehr

Allgemeinmedizin im Studi-

um! Es geht darum, Studie-

renden einen Eindruck von

der Hausarzttätigkeit zu ver-

mitteln, möglichst früh und

möglichst viel. Denn Allge-

COVER

Foto: Fotolia, Shutterstock

Maßnahmen zur „Prävention

eines allgemeinmedizinischen Landärztemangels“

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will

eine 116 Seiten starke Studie liefern, die das Institut für Allgemeinmedizin und evidenz­

basierte Versorgungsforschung (Leitung Andrea Siebenhofer-Kroitzsch) der Medizinischen

Universität Graz erstellt hat. Wir sprachen mit Projektleiter Florian Stigler.

Landarzt reloaded

„Allgemeinmedizin ist mehr als die

Summe der einzelnen Fachrichtungen,

jeder, der nur einen Tag in einer

Hausarztpraxis verbracht hat, weiß das.“

Florian Stigler