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ÆRZTE

Steiermark

 || 09|2017

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Fotos: Shutterstock, beigestellt

meinmedizin ist mehr als die

Summe der einzelnen Fach-

richtungen. Jeder, der nur ei-

nen Tag in einer Hausarzt-

praxis verbracht hat, weiß das.

Konkret geht es um mehr

allgemeinmedizinische Famu-

laturen und Praktika in zerti-

fizierten Lehrpraxen und die

Vermittlung von allgemein-

medizinisch relevanten Lern-

inhalten. Mehr Allgemein-

mediziner als Vortragende,

Mentoren und einfach als

positive Vorbilder. Die Basis

dafür liegt in der Stärkung der

Allgemeinmedizin als akade-

mischem Kernfach in For-

schung und Lehre. In anderen

Ländern wurden auch allge-

meinmedizinische „Exzellenz-

Programme“ eingeführt und

der Schwerpunkt des Medi-

zinstudiums von Universitäten

bzw. Fachärzten einen Schritt

in Richtung Land- bzw. Allge-

meinmedizin verlagert.

Eine Idee ist, Hausärztinnen

und -ärzte verstärkt in die

universitäre Ausbildung zu

integrieren. Nun haben die

schon jetzt wenig Kapazitäten,

außerdem sind Lektorate ja

nicht gerade üppig bezahlt.

Ein Hausarzt, der aus der

Weststeiermark auf die Uni-

versität kommt, erhält nicht

einmal die Fahrtkosten refun-

diert. Wie will man unter die-

sen Umständen die Praktiker

motivieren?

Ich gebe Ihnen Recht, lei-

der werden die Mühen und

der Einsatz der vielen moti-

vierten Hausärzte, die schon

seit Jahren die universitäre

Lehre aufrecht erhalten, noch

immer nicht leistungsgerecht

abgegolten. Wir alle wün-

schen uns Verbesserungen in

diesem Bereich und wissen

diesen Aufwand sehr zu

schätzen!

Die nächste Ebene ist

die postgraduelle Ausbildung.

Eine Lehrpraxis von sechs Mo-

naten wurde ja in Österreich

nach langem politischen Rin-

gen implementiert. Reicht das

oder braucht es mehr?

Dabei stellt sich die Frage, was

das Ziel der Ausbildung sein

soll. Wenn es darum geht

etwas zu verbessern, dann

ist eine Lehrpraxis von sechs

Monaten – wenn sie tatsäch-

lich in einer Hausarztpraxis

absolviert wird – ein sinn-

voller, wenn auch nur kleiner,

erster Schritt. Wenn es darum

geht, die künftigen Hausärzte

bestmöglich auszubilden oder

gar international eine Füh-

rungsposition einzunehmen,

dann sind wir leider noch weit

davon entfernt. Es geht wieder

darum, dass Allgemeinmedi-

zin mehr als die Summe der

einzelnen Fachrichtungen ist.

Natürlich kann man Allge-

meinmedizin am besten beim

Hausarzt lernen und dafür

braucht es viel mehr Zeit.

So arbeiten deutsche Ärzte

in Weiterbildung zum Fach-

arzt für Allgemeinmedizin

für zwei Jahre in einer Haus-

arztpraxis und schließen im

Gegensatz zu Österreich auch

als Fachärzte ab.

Eine ungelöste Frage ist die

Finanzierung. Gibt es dazu

Erkenntnisse aus der Studie?

Das war nicht Aufgabe un-

serer Studie. Wir zeigen auf,

was in anderen Ländern mög-

lich war – und auch in Ös-

terreich möglich ist. Für die

Umsetzung sind alle am Ge-

sundheitssystem beteiligten

Personen und Institutionen

verantwortlich. Zumin-

dest wissen wir, dass in

Deutschland die Weiterbil-

dung in der allgemeinme-

dizinischen Praxis voll ausfi-

nanziert ist.

Kommen wir zum Berufs-

start. Praxisinhaberinnen und

-inhaber sollten junge Kolle-

ginnen und Kollegen anstellen

können, ist eine Forderung.

Die wurde auch im Primär-

versorgungsgesetz nicht erfüllt.

Zudem hat die Befragung Ih-

rer Kollegin Stephanie Poggen-

burg ergeben, dass zwei Drittel

der Studierenden und der jun-

gen Ärztinnen und Ärzte das

gar nicht wollen. Wie wichtig

ist dieser Punkt?

Bei dieser Maßnahme waren

sich alle befragten Experten

einig: Für den Berufseinstieg

ist die Möglichkeit der An-

stellung für ein bis zwei Jah-

re eine wichtige Maßnahme.

An die Umsetzbarkeit dieser

Maßnahme glaubte hingegen

nur die Hälfte der Experten.

Da natürlich alle Maßnah-

men grundsätzlich umsetzbar

sind, gilt auch hier: wo ein

Wille, da ein Weg.

Es gibt viele Klagen über die

Arbeitsbedingungen – Arbeits-

zeit, Bürokratie, Honorierung.

Welche Verbesserungen wären

hier notwendig?

Hier wurden von den Ex-

perten einige Maßnahmen

als sehr relevant bewertet,

bezüglich der Umsetzbar-

keit waren sie sich jedoch

weniger einig. Hervorgeho-

ben werden können beispiels-

weise familienfreundlichere

Arbeitszeitmodelle, bessere

Vertretungsmöglichkeiten –

unter anderem für Urlaub

und Fortbildungen – und eine

Erweiterung des Leistungsan-

gebotes.

Ein wichtiger Punkt ist Team-

work. Nun gibt es Qualitätszir-

kel und Balintgruppen schon

seit vielen Jahren. Wie kann

man hier mehr erreichen?

Qualitätszirkel und Balint-

gruppen sind in Österreich

zum Glück schon sehr gut

etabliert – können jedoch

immer noch ausgeweitet und

gefördert werden. Bezüglich

Teamwork lässt sich hervor-

heben, dass insbesondere die

Maßnahme „Netzwerke von

Hausärzten und anderen Ge-

sundheitsberufen“ als sehr

relevant und gut umsetzbar

bewertet wurde.

Gesundheitsministerin Rendi-

Wagner hat kürzlich in einem

Interview einer Wiener Zei-

tung gesagt, bestehende Grup-

penpraxen sollten ausgebaut

werden. Das habe mehr Chan-

cen als die Schaffung neuer.

Kann man dazu etwas aus der

Studie ableiten?

Bei den von uns identifi-

zierten Maßnahmen ging es

auf alle Fälle immer klar

um Teamarbeit, Interdiszi-

plinarität und neue Formen

der Zusammenarbeit. Keine

Maßnahme zielte auf rein

ärztliche Gruppenpraxen ab.

Wenn es bei diesem Ausbau

von Gruppenpraxen jedoch

um die Schaffung von moder-

nen, interdisziplinären Pri-

märversorgungszentren geht,

dann passt das zu Maßnah-

men, die in unserer Studie

inkludiert wurden.

Immer wieder wird angedeutet,

dass andere Berufsgruppen

– speziell die Pflege – ärzt-

liche Aufgaben übernehmen