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ÆRZTE

Steiermark

 || 09|2017

RECHT

Der OGH hielt die dagegen

erhobene Revision für zu-

lässig und auch für berech-

tigt. Die Frage, wozu sich die

Ärztin im Einzelnen gegen-

über der Patientin verpflichtet

hat, ist nach den allgemeinen

Regeln der zivilgerichtlichen

Rechtsgeschäftslehre zu lösen.

Da der rechtsgeschäftliche

Kontakt in aller Regel vom

Patienten ausgeht, nimmt die-

ser durch seine Erklärungen

und sein sonstiges Verhalten

maßgeblich Einfluss auf den

Vertragsinhalt, der auch da-

durch bestimmt wird, was

ein Patient nach allgemeinem

Erfahrungswissen vom be-

treffenden Facharzt erwarten

kann. Findet sich eine Pa-

tientin in einer gynäkolo-

gischen Facharztpraxis ein

und wünscht sich (regelmä-

ßige) Krebsvorsorgeuntersu-

chungen, kann dies vernünfti-

gerweise von der aufgesuchten

Ärztin nur so verstanden

werden, dass sie eine kör-

perliche Untersuchung, die

DIETER MÜLLER

Aufgrund des Umstandes,

dass die Gynäkologin ohne

Information und Kenntnis

der Patientin Gewebeproben

an einen Pathologen übermit-

telt hat, ging der OGH nicht

vom Abschluss eines eigenen

Behandlungsvertrages zwi-

schen der Patientin und dem

Pathologen aus und rechnete

die Fehlbeurteilungen des Pa-

thologen der Gynäkologin zu.

Die Klägerin suchte als Pati-

entin in der Zeit von 2005 bis

2011 regelmäßig die beklagte

Gynäkologin zur Vornahme

von Kontrolluntersuchungen

auf, bei denen die Beklagte

insbesondere Krebsabstriche

machte. Im Jahr 2008 oder

2009 berichtete die Klägerin

von „Kontaktblutungen“, die

jedoch bei der Abstrichnah-

me nie auftraten und die

dem Pathologen, an den die

Abstriche übermittelt wur-

den, nicht mitgeteilt wurden.

Unstrittig blieb im Verfahren,

dass die Klägerin während

des gesamten Behandlungs-

zeitraums nicht gewusst hat,

von wem die von der Gynä-

kologin abgenommenen Ab-

striche begutachtet wurden.

Der Pathologe beanstandete

die teilweise mangelnde Qua-

lität der Abstrichnahme nicht.

Nachträglich stellte sich he-

raus, dass die vom Pathologen

gelieferten Begutachtungser-

gebnisse objektiv weitgehend

unrichtig waren. Bei fach-

gerechter Befundung wären

die Krebsvorstufen früher

erkannt und entfernt worden

und hätte das Karzinom mit

sehr großer Wahrscheinlich-

keit verhindert werden kön-

nen, wodurch der Klägerin

nachteilige Gesundheitsfol-

gen und teilweise Eingriffe

erspart geblieben wären.

Das Erstgericht wies das Kla-

gebegehren im Wesentlichen

mit der Begründung ab, dass

sich der ärztliche Behand-

lungsvertrag grundsätzlich

nur auf das konkrete Fachge-

biet des betreffenden Arztes

beziehe. Es bestehe keine Er-

füllungsgehilfenhaftung für

einen zur Befundung von

Gewebsproben beigezogenen

Pathologen, weshalb die be-

klagte Gynäkologin für des-

sen Fehler nicht hafte. Das

Berufungsgericht bestätigte

diese Entscheidung unter Be-

rücksichtigung der bisherigen

Rechtsprechung des OGH.

Ohne Vorliegen besonderer

Umstände sei davon aus-

zugehen, dass sich der Be-

handlungsvertrag nur auf das

Fachgebiet des Arztes beziehe.

Werde es notwendig, den Pa-

tienten an einen anderen Arzt

eines anderen Fachgebietes zu

überweisen, komme mit die-

sem ein eigener Behandlungs-

vertrag im Rahmen dessen

Fachgebietes zustande.

In einer jüngsten

Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof (OGH, 1Ob161/16g) seine

bisherige Rechtsprechung zur arbeitsteiligen ärztlichen Behandlung revidiert.

Gynäkologin haftet für

Begutachtungsfehler des

beigezogenen Pathologen

fachgerechte Vornahme eines

Abstrichs, dessen fachkun-

dige Begutachtung und die

medizinische Beurteilung der

gewonnenen Erkenntnisse in

Hinblick auf das Risiko der

Entstehung eines Zervixkar-

zinoms erwartet. Wird nichts

Gegenteiliges vermittelt, geht

die Patientin typischerweise

davon aus, dass das erfor-

derliche „Gesamtpaket“ an

medizinischen Leistungen

in die Leistungspflicht und

Verantwortlichkeit der auf-

gesuchten Gynäkologin fällt.

Anders als in jenen Fällen,

in denen der Patient selbst

an einen Arzt eines anderen

Faches (etwa einen Radiolo-

gen) überwiesen wird, ist es

bei der bloßen Übersendung

von Gewebeproben an ei-

nen Pathologen, die von der

konsultierten Ärztin intern

und ohne Absprache und nä-

here Information gegenüber

der Patientin durchgeführt

wird, keineswegs eindeutig,

dass die aufgesuchte Ärz-

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