Ærzte
Steiermark
|| 06|2013
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International
öfters aus – daher wird in
vielen Krankenhäusern auch
auf eine kulturassoziierte Be-
legung der Betten geachtet.
Über die mündliche Kom-
munikation hinaus bieten
die meisten Krankenhäuser
schriftliche Informations-
materialien (am häufigsten
Einverständniserklärungen
und Informationsblätter zu
medizinischen Eingriffen)
in mehreren Sprachen an.
Bereits 30% haben ihre Be-
schilderung mit zusätzlichen
Piktogrammen versehen, im-
merhin 14,3% verwenden auf
den Speiseplänen auch Bilder.
Im interkulturellen Umfeld
Krankenhaus sind laut Um-
frage MitarbeiterInnen mit
Migrationsgeschichte oft das
Bindeglied zwischen Pati-
entinnen und Patienten mit
Migrationshintergrund und
deutschen Leistungserbrin-
gern. Dabei wird ihr Potenzial
nicht voll ausgeschöpft: So
liegen zwar in nahezu al-
len nordrhein-westfälischen
Krankenhäusern Listen mit
den Sprachkenntnissen der
MitarbeiterInnen auf, eine
Berücksichtigung kulturspezi-
fischer Aspekte in der Dienst-
planung gibt es allerdings
kaum. So wird nur in 12,7%
der befragten Krankenhäuser
darauf geachtet, dass – falls in
genügender Anzahl vertreten
– mindestens ein Mitarbeiter
bzw. eine Mitarbeiterin aus je-
dem Sprach- bzw. Kulturkreis
in einer Schicht vertreten ist.
Patientenversorgung
Laut Studienautoren sind kul-
turspezifische Aspekte auch
in Behandlung, Unterkunft
und Verpflegung von Patient
Innen mit Migrationshinter-
grund zu beachten. Natürlich
muss sich die medizinische
Versorgung an den Richtli-
nien der modernen Medizin
orientieren, im Einzelfall sind
allerdings spezifische Vorkeh-
rungen zu treffen (z.B. schrift-
liche diagnostische Tests bei
Sprachbarrieren, Eingehen
auf kulturspezifische Unter-
schiede in der Einstellung zu
bzw. in der Anwendung von
Medikamenten etc.). In Nord
rhein-Westfalen wird v.a. bei
der Anamnese auf kulturspe-
zifische Ansprüche eingegan-
gen, alternativeTherapien und
Behand lungsmaßnahmen
werden dagegen kaum ange-
wandt. Beachtung finden zu-
meist kulturspezifische Unter-
schiede des Schamgefühls (in
87,7% der befragten Häuser;
in der Dienstplangestaltung
wird allerdings nur selten
darauf geachtet, dass minde-
stens eine Frau und ein Mann
zur geschlechtsassoziierten
Pflege zur Verfügung stehen).
Auch kulturspezifische As-
pekte der Sterbephase bzw.
nach dem Tod (86%) finden
meist Berücksichtigung. We-
nig bis kaum wird hingegen
auf eine verstärkte Einbe-
ziehung von Angehörigen in
die Pf lege oder subjektive
Krankheitstheorien der Pati-
entInnen eingegangen.
Bei der Verpflegung wird in
den befragten Spitälern nur
selten auf kulturspezifische
Ansprüche geachtet. Zwar bie-
ten 91,2% der Krankenhäu-
ser vegetarische Gerichte an
und 68,4% geben an, ob Ge-
richte ohne Schweinefleisch
und -fett sind, religiöse Vor-
schriften in der Essenszube-
reitung (z.B. koscher) finden
allerdings kaum Beachtung.
Auch gibt es in nur 17,5%
der Häuser eine Möglichkeit,
mitgebrachte Speisen und Ge-
tränke zu wärmen.
Beratung
Im Zuge der Studie wur-
de auch erhoben, ob in den
Krankenhäusern fremdspra-
chige Sprechstunden oder Be-
ratungen angeboten werden.
Hier zeigt sich ein eklatanter
Mangel: Kurse, wie zur Ge-
burtsvorbereitung, gibt es nur
in 9% der Häuser, Informati-
onsveranstaltungen für Pati-
entInnen aus anderen Kultur-
kreisen in 7,3%. Fremdspra-
chige ärztliche Sprechstunden
finden sogar in nur 3,6% der
Spitäler statt.
Hoher Nutzen
Die befragten Krankenhäu-
ser in Nordrhein-Westfalen
gaben an, den Nutzen einer
interkulturellen Öffnung als
eher hoch einzustufen. Als
Gründe hierfür werden die
Steigerung der Patientenzu-
friedenheit, der Mitarbeiter-
zufriedenheit und der Versor-
gungsqualität genannt. Als
mittel bis eher gering wird
allerdings der aktuelle Um-
setzungsstand kultursensibler
Aspekte ihres Krankenhauses
eingeschätzt. Die Studien-
autoren geben daher einige
Verbesserungsvorschläge ab:
y
Zumeist gibt es keine festen
Zuständigkeiten für kultur-
sensible Maßnahmen. Hier
muss eine zentrale Stelle
im Krankenhaus definiert
werden.
y
Die Erfolgskontrolle von
kultursensiblen Maßnah-
men fehlt in den meisten
Häusern und wäre nachzu-
holen.
y
Es gibt zwar zahlreiche Ak-
tivitäten, die aber konzepti-
onell wenig integriert und
kaum aufeinander abge-
stimmt sind. Hier ist in den
meisten Häusern starkes
Verbesserungspotenzial ge-
geben.
„Nichtsdestotrotz zeigen die
Ergebnisse, dass die Kranken-
häuser in Nordrhein-Westfa-
len sich auf den Weg gemacht
haben, ihre Kultursensibilität
zu verbessern und die Pa-
tientenversorgung migran-
tenfreundlicher auszurichten“,
stellen Blum und Steffen ab-
schließend fest.
Die vollständige Studie finden
Sie unter
sites/default/files/downloads/
kultursensibilitaet_der_kran-
kenhaeuser_in_nordrhein-
westfalen.pdf
Die Interaktion von Leistungserbringern im
Gesundheitswesen und Patientinnen und
Patienten bzw. deren Angehörigen ist kulturell
geprägt. Dies kann zu Missverständnissen aber
auch zu Problemen in der Diagnostik, Therapie
und Pflege führen.