Previous Page  22 / 68 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 22 / 68 Next Page
Page Background

Foto: Fotolia, Furgler

22

Ærzte

Steiermark

 || 07_08|2015

studie

Obwohl der Bedarf an inter-

disziplinärer Schmerztherapie

in Österreich wesentlich hö-

her ist als das tatsächliche Be-

handlungsangebot, wurden in

den vergangenen fünf Jahren

bundesweit neun Schmerz-

ambulanzen geschlossen. In

weiteren neun wurde der Be-

trieb um mehr als 50 Pro-

zent reduziert. „Aufgrund der

jüngsten Schließungen und

Einsparungen, aber auch auf-

grund der generell fehlenden

Schmerzambulanzen ist zu

befürchten, dass in Österreich

keine schmerztherapeutische

state-of-the-art-Versorgung

gewährleistet werden kann“,

kritisiert Andreas Sandner-

Kiesling, Professor an der

Abteilung für Allgemeine An-

ästhesiologie, Notfall- und In-

tensivmedizin an der Grazer

Universitätsklinik.

Im Rahmen der Studie

„Schmerztherapeutische Ver-

sorgung Österreichischer Ge-

sundheitszentren“ wurde bei

133 Leiterinnen und Leitern

anästhesiologischer Abtei-

lungen der Versorgungsgrad

mit Schmerzzentren sowie

dessen Entwicklung in zwei

Befragungen erfasst (Rück-

lauf 63 % und 100 %).

Steiermark

führt trotz Mangels

Dabei zeigte sich nicht nur,

wie sehr der bestehende und

der benötigte Versorgungs-

grad an Schmerztherapiezen-

tren aktuell auseinanderklaf-

fen, sondern auch die kata-

strophale Entwicklung der

vergangenen Jahre. Während

ab den 1990ern Schmerzam-

bulanzen aufgebaut und er-

weitert wurden, stehen derzeit

Schließung oder Reduktion

der Öffnungszeiten an der Ta-

gesordnung. Schon jetzt feh-

len bundesweit knapp fünfzig

vollzeitbetriebene Schmerz-

ambulanzen. Für fast 120.000

chronische Schmerzpatien-

tinnen und -patienten fehlt

eine adäquate Betreuung, das

sind drei Viertel der Betrof-

fenen. Weitere Verschlechte-

rungen sind als Auswirkung

des neuen Arbeitszeitgesetzes

zu erwarten. Vier Kranken-

häuser kündigen eine Schlie-

ßung der Schmerzambulanz

an; drei eine Einschränkung

ihres Angebotes. Grund dafür

ist nicht die mangelnde Nach-

frage, denn zwischen 2011

und 2013 hat der Zustrom

an Schmerzpatientinnen und

-patienten zu den vorhan-

denen Zentren um fast ein

Viertel zugenommen.

Im Bundesländervergleich

steht die Steiermark eini-

germaßen gut da. Mit zehn

Standorten – von bundes-

weit 44 – verfügt sie über

die meisten Schmerzzentren.

Damit ist die Behandlungs-

kapazität für knapp 10.000

Betroffene gesichert. Versorgt

werden müssten allerdings

rund 23.000 Personen. Hoch-

gerechnet auf Vollzeitäquiva-

lente, das heißt je Standort 40

Stunden Wochenöffnungszeit

für die Behandlung von 2.400

Personen pro Jahr, kommt

auch die Steiermark lediglich

auf 4,1 der zehn benötigten

Schmerzambulanzen.

Volkswirtschaftlicher

Bumerang

Der am häufigsten genannte

Grund für Schließungen wa-

ren unzureichende Personal-

ressourcen (47 %), gefolgt von

mangelnden Zeitressourcen

(26 %). Jene Abteilungen für

Anästhesiologie, die gar kei-

ne Schmerzambulanz betrei-

ben, nennen dafür dieselben

Hauptgründe.

Für Sandner-Kiesling spitzt

sich die Lage aufgrund fol-

gender fünf Faktoren zu: Da

das Team eines Schmerzzen-

trums interdisziplinär aufge-

baut sein sollte, also aus Fach-

leuten der Bereiche Medizin,

Psychologie, Pflege und Phy-

siotherapie, und die Behand-

lungen zeitaufwändig sind,

werden entsprechend viele

Ressourcen benötigt. Die 1,37

Milliarden Euro Einsparung,

die das letztbeschlossene Spar-

paket dem Gesundheitswe-

sen abverlangt, lassen jedoch

wenig finanziellen Hand-

lungsspielraum zu – trotz des

großen Einsparungspotenzials

an direkten und indirekten

Kosten gerade bei dieser Pati-

entengruppe.

Weiter verschärfen wird sich

der Engpass bei der schmerz-

ambu lanten Versorgung

durch die Überalterung der

Bevölkerung. Dazu kommt

das neue Arbeitszeitgesetz, das

schon jetzt zu Personalknapp-

Mängel in der Schmerztherapie

Für drei Viertel

der chronischen Schmerzpatientinnen und -patienten gibt es keine ambulante

Schmerztherapie. In den letzten Jahren sind die Angebote weiter gesunken. Das zeigt eine neue

Studie von Andreas Sandner-Kiesling.

Schmerzmediziner ao. Univ.-Prof.

Dr. Andreas Sandner-Kiesling

I. Szilagyi, H. Bornemann-Cimen-

ti, B. Messerer, M. Vittinghoff, A.

Sandner-Kiesling: Schmerzthe-

rapeutische Versorgung österrei-

chischer Gesundheitszentren - Eine

Fragebogenstudie zur Erfassung

des Ist-Zustandes österreichischer

Schmerzambulanzen.

Der Schmerz 2015, in Druck.