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Ærzte
Steiermark
|| 07_08|2015
studie
Obwohl der Bedarf an inter-
disziplinärer Schmerztherapie
in Österreich wesentlich hö-
her ist als das tatsächliche Be-
handlungsangebot, wurden in
den vergangenen fünf Jahren
bundesweit neun Schmerz-
ambulanzen geschlossen. In
weiteren neun wurde der Be-
trieb um mehr als 50 Pro-
zent reduziert. „Aufgrund der
jüngsten Schließungen und
Einsparungen, aber auch auf-
grund der generell fehlenden
Schmerzambulanzen ist zu
befürchten, dass in Österreich
keine schmerztherapeutische
state-of-the-art-Versorgung
gewährleistet werden kann“,
kritisiert Andreas Sandner-
Kiesling, Professor an der
Abteilung für Allgemeine An-
ästhesiologie, Notfall- und In-
tensivmedizin an der Grazer
Universitätsklinik.
Im Rahmen der Studie
„Schmerztherapeutische Ver-
sorgung Österreichischer Ge-
sundheitszentren“ wurde bei
133 Leiterinnen und Leitern
anästhesiologischer Abtei-
lungen der Versorgungsgrad
mit Schmerzzentren sowie
dessen Entwicklung in zwei
Befragungen erfasst (Rück-
lauf 63 % und 100 %).
Steiermark
führt trotz Mangels
Dabei zeigte sich nicht nur,
wie sehr der bestehende und
der benötigte Versorgungs-
grad an Schmerztherapiezen-
tren aktuell auseinanderklaf-
fen, sondern auch die kata-
strophale Entwicklung der
vergangenen Jahre. Während
ab den 1990ern Schmerzam-
bulanzen aufgebaut und er-
weitert wurden, stehen derzeit
Schließung oder Reduktion
der Öffnungszeiten an der Ta-
gesordnung. Schon jetzt feh-
len bundesweit knapp fünfzig
vollzeitbetriebene Schmerz-
ambulanzen. Für fast 120.000
chronische Schmerzpatien-
tinnen und -patienten fehlt
eine adäquate Betreuung, das
sind drei Viertel der Betrof-
fenen. Weitere Verschlechte-
rungen sind als Auswirkung
des neuen Arbeitszeitgesetzes
zu erwarten. Vier Kranken-
häuser kündigen eine Schlie-
ßung der Schmerzambulanz
an; drei eine Einschränkung
ihres Angebotes. Grund dafür
ist nicht die mangelnde Nach-
frage, denn zwischen 2011
und 2013 hat der Zustrom
an Schmerzpatientinnen und
-patienten zu den vorhan-
denen Zentren um fast ein
Viertel zugenommen.
Im Bundesländervergleich
steht die Steiermark eini-
germaßen gut da. Mit zehn
Standorten – von bundes-
weit 44 – verfügt sie über
die meisten Schmerzzentren.
Damit ist die Behandlungs-
kapazität für knapp 10.000
Betroffene gesichert. Versorgt
werden müssten allerdings
rund 23.000 Personen. Hoch-
gerechnet auf Vollzeitäquiva-
lente, das heißt je Standort 40
Stunden Wochenöffnungszeit
für die Behandlung von 2.400
Personen pro Jahr, kommt
auch die Steiermark lediglich
auf 4,1 der zehn benötigten
Schmerzambulanzen.
Volkswirtschaftlicher
Bumerang
Der am häufigsten genannte
Grund für Schließungen wa-
ren unzureichende Personal-
ressourcen (47 %), gefolgt von
mangelnden Zeitressourcen
(26 %). Jene Abteilungen für
Anästhesiologie, die gar kei-
ne Schmerzambulanz betrei-
ben, nennen dafür dieselben
Hauptgründe.
Für Sandner-Kiesling spitzt
sich die Lage aufgrund fol-
gender fünf Faktoren zu: Da
das Team eines Schmerzzen-
trums interdisziplinär aufge-
baut sein sollte, also aus Fach-
leuten der Bereiche Medizin,
Psychologie, Pflege und Phy-
siotherapie, und die Behand-
lungen zeitaufwändig sind,
werden entsprechend viele
Ressourcen benötigt. Die 1,37
Milliarden Euro Einsparung,
die das letztbeschlossene Spar-
paket dem Gesundheitswe-
sen abverlangt, lassen jedoch
wenig finanziellen Hand-
lungsspielraum zu – trotz des
großen Einsparungspotenzials
an direkten und indirekten
Kosten gerade bei dieser Pati-
entengruppe.
Weiter verschärfen wird sich
der Engpass bei der schmerz-
ambu lanten Versorgung
durch die Überalterung der
Bevölkerung. Dazu kommt
das neue Arbeitszeitgesetz, das
schon jetzt zu Personalknapp-
Mängel in der Schmerztherapie
Für drei Viertel
der chronischen Schmerzpatientinnen und -patienten gibt es keine ambulante
Schmerztherapie. In den letzten Jahren sind die Angebote weiter gesunken. Das zeigt eine neue
Studie von Andreas Sandner-Kiesling.
Schmerzmediziner ao. Univ.-Prof.
Dr. Andreas Sandner-Kiesling
I. Szilagyi, H. Bornemann-Cimen-
ti, B. Messerer, M. Vittinghoff, A.
Sandner-Kiesling: Schmerzthe-
rapeutische Versorgung österrei-
chischer Gesundheitszentren - Eine
Fragebogenstudie zur Erfassung
des Ist-Zustandes österreichischer
Schmerzambulanzen.
Der Schmerz 2015, in Druck.