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Ærzte

Steiermark

 || 07_08|2015

Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte

Mystery Shopping Show

Mystery Shopping bringt kaum Geld,

aber massiven Vertrauensverlust. Die Regierung beharrt darauf, der

Widerstand wird immer größer. Eine Möglichkeit: Nur mehr ChefärztInnen sollen den Krankenstand bestätigen.

Mystery Shopping: Von den

Krankenkassen beauftrag-

te „Spione“ werden in die

Arztpraxen eingeschleust, vor

allem um festzustellen, ob

man sich einen Kranken-

stand erschleichen kann. Laut

Regierung soll das eine der

tragenden Säulen zur Finan-

zierung der Steuerreform wer-

den. Schon die offizielle Rech-

nung der Verantwortlichen

klingt nicht unbedingt nach

tragender Säule: 15 Millionen

Euro will man so pro Jahr

lukrieren.

Schaut man sich die tatsäch-

lichen Ergebnisse an, bleibt

ziner aufgrund der neuen

Kontrollstrukturen sich auch

nur 10 Sekunden (!) länger

als bisher mit einer Patientin

bzw. einem Patienten befas-

sen, bräuchte man 120 zusätz-

liche Hausarztstellen, um das

zu kompensieren. Oder die

Wartezeit pro Jahr würde sich

um mehr als 24.000 Acht-

Stunden-Tage erhöhen. Ande-

re Rechnung von Pichlbauer:

„Wenn nur 10 Prozent der

Patienten, die heute krankge-

schrieben werden, zusätzlich

überwiesen werden, steigen

die Facharzt-Kontakte um

600.000, die 26,4 Millionen

Euro kosten. Und wenn Pati-

selbst von diesen 15 Millionen

Euro kaum etwas übrig: Seit

2008 wurden in Österreich

laut Kurier 39 e-card-Miss-

brauchsfälle angezeigt, der

verursachte Schaden lag bei

durchschnittlich rund 14.000

Euro pro Jahr – und das bei

jährlichen Kasseneinnahmen

von rund 16 Milliarden Euro.

Noch absurder wird das

Projekt „Mystery Shopping“,

wenn man die Auswir-

kungen gegenrechnet, wie

es der Gesundheitsökonom

Ernest Pichlbauer gemacht

hat: Sollten die Allgemein-

medizinerinnen und -medi-

enten in Spitalsambulanzen

überwiesen werden, wird es

noch teurer.“

Der Allgemeinmediziner und

Nationalratsabgeordnete Er-

win Rasinger (er gehört zu

den Politikern, die sich gegen

die Ärztebespitzelung stem-

men) bringt die Kritik auf

den Punkt: „Nicht in Ord-

nung ist es, wenn Ärzte von

Pseudo-Patienten mit gezielt

vorgetäuschten Symptomen

hereingelegt werden und so

das Arzt-Patientenverhältnis

missbraucht wird. Dieses Ver-

trauensverhältnis zwischen

Arzt und Patient muss unbe-

Warnung

Spionage zerstört Vertrauen.

Im Gespräch zwischen Arzt und Patient

geht es um Krankheit und Gesundheit.

Dieses Gespräch braucht Vertrauen,

Diskretion und ist zutiefst privat.

Mystery Shopping

ist systematisches,

per gesetz verordnetes

Spitzelwesen in Arztpraxen.

Das erschüttert das Vertrauen. Wenn hinter jedem

Patienten ein

Spion der Krankenkasse

stecken kann, treten

generalverdacht und Misstrauen an die Stelle von Offenheit und Ehrlichkeit.

aus einem Sozialbetrugsgesetz darf keine

Lizenz zur Zerstörung

der

Arzt-Patienten-Beziehung

werden.

Der Wert ist gering.

Der Preis für die Österreicherinnen

und Österreicher ist jedoch viel zu hoch.

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