

48
Ærzte
Steiermark
|| 07_08|2015
Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte
Mystery Shopping Show
Mystery Shopping bringt kaum Geld,
aber massiven Vertrauensverlust. Die Regierung beharrt darauf, der
Widerstand wird immer größer. Eine Möglichkeit: Nur mehr ChefärztInnen sollen den Krankenstand bestätigen.
Mystery Shopping: Von den
Krankenkassen beauftrag-
te „Spione“ werden in die
Arztpraxen eingeschleust, vor
allem um festzustellen, ob
man sich einen Kranken-
stand erschleichen kann. Laut
Regierung soll das eine der
tragenden Säulen zur Finan-
zierung der Steuerreform wer-
den. Schon die offizielle Rech-
nung der Verantwortlichen
klingt nicht unbedingt nach
tragender Säule: 15 Millionen
Euro will man so pro Jahr
lukrieren.
Schaut man sich die tatsäch-
lichen Ergebnisse an, bleibt
ziner aufgrund der neuen
Kontrollstrukturen sich auch
nur 10 Sekunden (!) länger
als bisher mit einer Patientin
bzw. einem Patienten befas-
sen, bräuchte man 120 zusätz-
liche Hausarztstellen, um das
zu kompensieren. Oder die
Wartezeit pro Jahr würde sich
um mehr als 24.000 Acht-
Stunden-Tage erhöhen. Ande-
re Rechnung von Pichlbauer:
„Wenn nur 10 Prozent der
Patienten, die heute krankge-
schrieben werden, zusätzlich
überwiesen werden, steigen
die Facharzt-Kontakte um
600.000, die 26,4 Millionen
Euro kosten. Und wenn Pati-
selbst von diesen 15 Millionen
Euro kaum etwas übrig: Seit
2008 wurden in Österreich
laut Kurier 39 e-card-Miss-
brauchsfälle angezeigt, der
verursachte Schaden lag bei
durchschnittlich rund 14.000
Euro pro Jahr – und das bei
jährlichen Kasseneinnahmen
von rund 16 Milliarden Euro.
Noch absurder wird das
Projekt „Mystery Shopping“,
wenn man die Auswir-
kungen gegenrechnet, wie
es der Gesundheitsökonom
Ernest Pichlbauer gemacht
hat: Sollten die Allgemein-
medizinerinnen und -medi-
enten in Spitalsambulanzen
überwiesen werden, wird es
noch teurer.“
Der Allgemeinmediziner und
Nationalratsabgeordnete Er-
win Rasinger (er gehört zu
den Politikern, die sich gegen
die Ärztebespitzelung stem-
men) bringt die Kritik auf
den Punkt: „Nicht in Ord-
nung ist es, wenn Ärzte von
Pseudo-Patienten mit gezielt
vorgetäuschten Symptomen
hereingelegt werden und so
das Arzt-Patientenverhältnis
missbraucht wird. Dieses Ver-
trauensverhältnis zwischen
Arzt und Patient muss unbe-
Warnung
Spionage zerstört Vertrauen.
Im Gespräch zwischen Arzt und Patient
geht es um Krankheit und Gesundheit.
Dieses Gespräch braucht Vertrauen,
Diskretion und ist zutiefst privat.
Mystery Shopping
ist systematisches,
per gesetz verordnetes
Spitzelwesen in Arztpraxen.
Das erschüttert das Vertrauen. Wenn hinter jedem
Patienten ein
Spion der Krankenkasse
stecken kann, treten
generalverdacht und Misstrauen an die Stelle von Offenheit und Ehrlichkeit.
aus einem Sozialbetrugsgesetz darf keine
Lizenz zur Zerstörung
der
Arzt-Patienten-Beziehung
werden.
Der Wert ist gering.
Der Preis für die Österreicherinnen
und Österreicher ist jedoch viel zu hoch.
ÖÄK_Kleine_quer_200x135.indd 1
09.07.2015 11:07:31