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12

Ærzte

Steiermark

 || 05|2016

serie

Arzt im besonderen Dienst

das eine Krankenschwestern-

ausbildung beinhaltet, aber

eben auch eine solide Basis

für ein Medizinstudium legt.

Der Wunsch, noch etwas ganz

Anderes zu machen, bringt Su

nach der Matura nach Graz.

„Ich wollte unbedingt eine

Sprache lernen.“ Dass sie aus-

gerechnet im Jahr der Kul-

turhauptstadt hierher kommt,

kann eigentlich kein Zufall

sein, ist aber nur ein zusätz-

liches Benefit einer bereits

getroffenen Entscheidung.

Mit ganzer Kraft widmet sie

sich dem Spracherwerb und

baut einen beeindruckenden

Wortschatz auf. Ihre Ausspra-

che repräsentiert nach 13 Jah-

ren in Graz die Vielfalt ihres

Lebens – ein bisschen Bosnisch

und ein bisschen Steirisch

dringen durch. Wer weiß, was

noch dazukommen wird?

Die neue Sprache wird zum

Schlüssel für ihr Medizinstu-

dium, das sie 2004 in Graz

beginnt und 2012 mit der

Promotion beendet.

u. jungmeier-scholz

Kindheit am Dorf in der Nähe

von Banja Luka in Nordbos-

nien. Anastasija Sugic – heu-

te als Designerin interna-

tional bekannt unter dem

Namen Anastasia Su – spielt

im Wald um den Bauernhof

der Großmutter, läuft durchs

hohe Gras der Wiesen und

„will Spuren hinterlassen“. Ein

gutes Vierteljahrhundert spä-

ter sind diese Spuren deutlich

zu sehen: In der Kanonenhal-

le des Zeughauses, in Form ei-

ner dominant geometrischen

Schmuckkollektion, oder am

neuen Schwebesessel, auf dem

das Sitzen fast so dynamisch

verläuft wie das Leben der

gebürtigen Bosnierin.

Dazwischen liegen Kindheits-

und Jugenderfahrungen zwi-

schen Entbehrungen im Krieg

und der Fülle an Kreativität,

die ihr die Familie bietet: Die

Mutter, selbst Modedesigne-

rin und Inhaberin mehre-

rer Boutiquen in Banja Luka,

wohin die Sugics schließlich

übersiedeln. Sie ermöglicht

der erst 13-jährigen Tochter,

ihr erstes Kleid zu entwerfen

und auch umsetzen zu lassen.

Anastasija designt ein Kleid

der Zukunft – für eine Er-

wachsene. Mittlerweile ist die

31-Jährige hineingewachsen

und trägt das behutsam auf-

bewahrte Stück selbst.

Der Vater, Musikproduzent

und leidenschaftlicher Rock-

musiker, wird zum Vorbild

des jüngeren Bruders Severin,

dessen Welt die elektronische

Musik ist. Die Eltern lassen

den Kindern freie Hand bei

Kunst auf kranker Haut

Jetzt könnte der Turnus be-

ginnen oder eine Facharzt­

ausbildung als Dermatologin.

Was Sugic besonders faszi-

niert, ist die Haut. „Sie hat

eine spezielle visuelle Kom-

ponente.“ Selbst das Lernen

dermatologischer Erkran-

kungen und des dazu gehö-

renden Hautbildes ist für sie

eine Art Kunst – und geht ihr

deshalb nahezu spielerisch

von der Hand. „Ich habe in

den Hautkrankheiten immer

ein Muster gesehen.“ Dass

sie letztlich den Weg der Me-

dizin (vorerst) nicht weiter

verfolgt, will sie keinesfalls

als Absage an das österrei-

chische Gesundheitssystem

verstehen. Es ist einfach an-

ders gekommen.

Die Weiche stellt ein gewon-

nener Wettbewerb: Zur Zeit

des Studienabschlusses lädt

Martin Lesjak, Architekt und

Gründer des Büros Innocad,

Anastasia Su ein, sich am

Wettbewerb zur Neugestal-

tung der Kanonenhalle im

Grazer Zeughaus zu beteili-

gen. Er will ein interdiszipli-

näres Team zusammenstellen,

das keine gedanklichen Gren-

zen kennt. Sie arbeitet da-

mals schon als selbstständige

Designerin – und die neue

Aufgabe reizt sie sofort. Et-

was zu machen, das sie noch

nie probiert hat – genau das

Richtige für die unbezähmbar

Neugierige.

13&9 statt 0815

Das Siegerprojekt bringt Su

und Lesjak zusammen – zu-

nächst im Job. Die beruflichen

Agenden werden verflochten

der Berufswahl, leben ihnen

die interdisziplinäre Kreati-

vität einfach vor. Was beim

Nachwuchs auf fruchtbaren

Boden fällt: Bei der aktuellen

Ausstellung in Berlin mit dem

Beitrag „Architectural Fa-

shion“ von Anastasia Su (und

Martin Lesjak), der dann zur

Biennale nach Venedig über-

siedeln wird, ist Severins Mu-

sik Teil der Installation.

Zwei Wege, ein Ziel

In welcher Form Anastasija

Sugic ihre Spuren hinterlas-

sen würde, war nicht von

vornherein klar. „Als kleines

Kind habe ich entweder ge-

zeichnet und gemalt oder war

mit meinem Spielzeug-Arzt-

koffer unterwegs und habe

meinen Verwandten Rezepte

ausgestellt“, erzählt sie rück-

blickend.

Beide Passionen verfolgt sie

voll Neugier, aber ebenso ziel-

strebig: Indem sie nicht nur

eigene Kleider entwirft, son-

dern auch eine Art medizi-

nisches Gymnasium besucht,

Anastasija Sugic kam

nach Graz, um Ärztin zu werden, schloss das Medizinstudium ab

und blieb als international gefeierte Designerin.

„Ich will Spuren hinterlassen“

Medizinisches

Wissen fließt

in Möbelkon-

zepte ein …

Anastasija Su-

gic/Anastasia

Su auf einem

Low Lounger

(Viteo).

Fotos: Markus Mansi, Paul Ott