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Ærzte
Steiermark
|| 12|2016
Kommunikation
U. Jungmeier-Scholz
Manchmal ist es nur ein
kleiner Schreibfehler, der
als Keimzelle für einen Me-
dizinmythos fungiert: Wie
1982 bei jenem frankokana-
dischen Flugbegleiter Gaétan
Dugas, der als „patient zero“
das HI-Virus in die USA
eingeschleppt haben soll und
über drei Jahrzehnte fälsch-
licherweise als Indexpatient
galt. Gestützt und verbreitet
wurde diese Fehlinformation
unter anderem durch den
Bestseller „And The Band
Played On“ des Journalisten
Randy Shilts.
Vor zwei Jahren konnte der
Historiker Richard McKay
klären, dass sich Shilts geirrt
hat und die Centers for Di-
sease Control and Prevention
CDC niemals einen „patient
zero“ gekennzeichnet haben.
Vielmehr wurde in einem
Diagramm, in das ein O für
„Outside of California“ einge-
tragen werden sollte, weil sich
Dugas zuvor außer Landes
aufgehalten hatte, stattdessen
eine Null (0) vermerkt, die
Shilts bei der Recherche für
sein Buch vermutlich miss-
deutet hat. Oder ist auch diese
Story nur ein Mythos? Jeden-
falls hat das Forscherteam um
den Evolutionsbiologen Mi-
chael Worobey anhand alter
Serumproben nachgewiesen,
dass das HI-Virus bereits ein
Jahrzehnt vor dem Fall Dugas
in den USA verbreitet war.
Fachgruppenobleute
berichten
In anderen Fällen verteilt sich
medizinische Fehlinforma-
tion durch Weitererzählen:
Welche medizinischen Fehlinformationen
begegnen Ärztinnen und Ärzten am häu-
figsten? Skurrile, hartnäckige, aber auch gefährliche …? AERZTE Steiermark hat eine
Rundfrage unter den Fachgruppenobleuten durchgeführt.
„Wertschätzende
Aufklärung hilft,
wenn Patienten
beispielsweise an
sinnlose und esoterische
Untersuchungen wie
Bioresonanz glauben.“
Wolfgang Luxenberger
Schreibfehler oder Schneeball:
Ursprünge der Medizinmythen
Foto: Lores