

Ærzte
Steiermark
|| 12|2016
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Kommunikation
Vitamin C heilt Erkältungen,
und Betacarotin schützt vor
Krebs
– klingt das nicht ver-
traut? Und je öfter ein medizi-
nischer Unsinn reproduziert
wird, desto eher wird er von
Laien geglaubt. Denn jeder
hat ihn doch schon einmal
gehört und bei passender Ge-
legenheit wiederholt weiter-
erzählt – nach dem Schnee-
ballprinzip. Je bekannter ein
Medizinmythos, desto häu-
figer konfrontieren die Pati-
entinnen und Patienten die
Ärzteschaft in der Ordination
oder im Krankenhaus damit.
AERZTE Steiermark hat unter
den steirischen Fachgrup-
penvertreterinnen und -ver-
tretern erhoben, mit welchen
hartnäckigen, skurrilen oder
gefährlichen Medizinmythen
sie in ihrem Berufsalltag kon-
frontiert werden.
(Un)gesunde Solarien
„Manche Mythen lassen sich
in einer Generation leider
nicht ausrotten“, erklärt Der-
matologie-Fachgruppenob-
mann J. Thomas Kainz. Wo-
mit er zu kämpfen hat: Der
Irrglaube, ein Muttermal
könne durch eine Operation,
wenn man hineinschneidet,
gefährlich werden, begleitet
Kainz ebenso beharrlich wie
der Mythos, Solarien seien
gesund. „Es stimmt auch
nicht, dass beim Solarium die
Vorteile die Nachteile über-
wiegen“, stellt er klar. Das
ärztliche Heilmittel gegen die
Fehlinformation ist für Kainz
der unermüdliche Versuch,
Patienten aufzuklären und
Stellung zu beziehen.
Ohr nicht verwöhnen
Was Wolfgang Luxenberger,
Fachgruppenobmann der
HNO-ÄrztInnen, immer wie-
der zu hören bekommt, ist die
Verwöhnungstheorie: Durch
Benutzen eines Hörgerätes
würde die eigene Hörfähig-
keit geschädigt, das Ohr wür-
de verwöhnt und gewöhne
sich an die Hilfe. Als gefähr-
lich stuft er den – wie schon
erwähnt auch in der Derma-
tologie verbreiteten – Irrglau-
ben ein, dass man einen Tu-
mor besser in Ruhe lässt und
keine Probe entnimmt, weil er
sonst bösartig werden könne.
„Wertschätzende Aufklärung
hilft, wenn Patienten bei-
spielsweise an sinnlose und
esoterische Untersuchungen
wie Bioresonanz glauben“, er-
klärt Luxenberger. „Dagegen
arbeitet, dass die Kassen-
medizin nichts kostet und
deshalb gefühlt nicht so viel
wert sein kann wie die teure
alternative Methode.“
Das wächst sich aus …
In ihrem Fachgebiet, so die
Obfrau der steirischen Kinder-
und Jugendpsychiater Doris
Hönigl, sei der hartnäckigste
Mythos jener, „dass sich alles
auswächst“ – von den kind-
lichen Ängsten bis zum Rück-
zugsverhalten im Jugendalter.
„Hinter Ängsten im Kindes-
alter kann oft der Beginn
einer Angststörung stecken,
die sich bei Fortbestand in der
Persönlichkeitsentwicklung
festschreibt“, erklärt Hönigl.
„Hinter Rückzugsverhalten
„Manche Mythen lassen
sich in einer Generation
leider nicht ausrotten.“
J. Thomas Kainz
„Zu den häufigsten Mythen in der Plastischen
Chirurgie zählt, dass Frauen nach Brustkorrekturen
mit Implantaten nicht mehr fliegen dürfen, weil die
Implantate platzen können.“
Helmut Hoflehner
„Neueste Studien
zeigen, dass bei Myopie
die optimale Korrektur
das Beste ist.“
Klaus Müllner
HIV-Mythos: Der franko-
kanadische Flugbegleiter
Gaétan Dugas galt viele
Jahre als erster Aids-
Patient der USA – weil
ein ‚O‘ mit einer Null
verwechselt wurde –
tatsächlich gab es den
„patient zero“ nie.