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Ærzte
Steiermark
|| 12|2016
Kommunikation
können sich Depressionen,
der Beginn einer Sucht, Ess-
störungen oder Mobbing ver-
bergen.“ Hönigl rät unbedingt
dazu, eine Expertin oder ei-
nen Experten hinzuzuziehen,
wenn das Kind in seinen
Entwicklungsaufgaben ein-
geschränkt ist – beispielswei-
se bei Vernachlässigung der
Freundschaft mit Gleichalt-
rigen oder unregelmäßigem
Schulbesuch.
Auge raus aus der Höhle
Fehlsichtigkeit unterzukor-
rigieren gilt nach wie vor als
Geheimtipp: Die Lesebrille
gegen Altersweitsichtigkeit so
schwach wie möglich wählen
und so spät wie möglich ver-
wenden – und Kurzsichtigkeit
sowieso nie ganz auskorrigie-
ren. „Neueste Studien zeigen,
dass bei Myopie die optimale
Korrektur das Beste ist“, be-
richtet Fachgruppenobmann
Klaus Müllner. „Und ab 45
braucht man so oder so alle
drei bis vier Jahre eine stär-
kere Lesebrille.“ Bei schie-
lenden Babys hoffen Eltern
fälschlicherweise immer noch
darauf, dass sich das Problem
„schon noch auswächst“.
Nach einer Katarakt-OP, so
kursieren Gerüchte, dürfe
man sich nicht bücken, nicht
die Haare waschen und keine
schwere Tasche tragen. „Wird
mit moderner Technik, also
Phakoemulsifikation, ope-
riert, ist das nicht richtig“,
betont Müllner.
Ein extrem skurriler Mythos,
mit dem der Augenarzt trotz-
dem immer wieder konfron-
tiert wird, ist die Vorstellung,
bei einer Operation würde
das Auge herausgenommen
und dann wieder eingesetzt.
Antibiotika
fertig nehmen
„Hartnäckig hält sich das alte
Dogma, Antibiotika seien
bis zum Packungsende zu
nehmen“, berichtet Pädiatrie-
Obmann Hans Jürgen Dorn-
busch. „Hat das Kind abge-
fiebert und erscheint gesund,
kann die antibiotische Thera-
pie meist beendet werden.“
Gleich mehrere – sogar ge-
fährliche – Mythen ranken
sich um das Thema Impfen:
Die bereits als wissenschaft-
licher Betrug entlarvte Studie,
die die Masernimpfung mit
Autismus in Zusammenhang
gebracht hat, kostete vermut-
lich mehrere Kinder das Le-
ben. Auch die viel diskutierte
„Überlastung des kindlichen
Immunsystems“ durch die
zah l reichen Ki nder imp-
fungen ist für Dornbusch
aus wissenschaftlicher Sicht
nicht nachvollziehbar: „Wäh-
rend vor Jahrzehnten in fünf
Impfstoffen 3.500 Antigene
verimpft wurden, enthalten
die heute verfügbaren 17 Imp-
fungen nur etwa 250 Anti-
gene“, stellt Dornbusch klar.
Hartnäckig hält sich auch der
Irrglaube, die Grippeimpfung
könne eine Influenza auslö-
sen und Rauchen am Balkon
sei für die in der Wohnung
befindlichen Kinder unschäd-
lich (vielmehr geben Raucher
noch Stunden später mit der
Zigarette inhalierte Giftstoffe
an ihre Umwelt ab).
Oder: Viel zu trinken sei per
se gesund. „Durch ständiges
Wegspülen des schützenden
Speichels entstehen bei Kin-
dern, die permanent trinken,
Zahnschäden – auch wenn sie
nur Wasser zu sich nehmen.“
Wolfgang Luxenberger: Hörgeräte
verwöhnen das Ohr keineswegs.
Doris Hönigl: Kindliche Ängste
müssen sich nicht auswachsen.
J. Thomas Kainz: Solarien sind
sicher nicht gesund.
Peter Schmidt: Routinemäßige
Schädelröntgen bringen nichts.
„Retrospektive
Untersuchungen
zeigen, dass Suizide
fast nie aus heiterem
Himmel verübt werden,
so gut wie immer
haben die Betroffenen
ihr Vorhaben zuvor
angekündigt.“
Rudolf Hirsch
„Der hartnäckigste aller
Mythen: Es wächst sich
alles aus … aber hinter
Ängsten im Kindesalter
kann oft der Beginn einer
Angststörung stecken.“
Doris Hönigl
Fotos: Sommerauer, Schiffer, privat, Bigshot/Jungwirth, Furgler, Schmickl, Fotolia