ÆRZTE
Steiermark
|| 03|2017
21
SERIE
PRIMÄRVERSORGUNG 3
Einzel- und Gruppenpraxen,
mit Kassenvertrag. Alle an-
deren Spezialisten arbeiten
im Krankenhaus. Pflegekräfte
(Practice Nurses, Community
Nurses) spielen eine zentrale
Rolle in Sloweniens Primär-
versorgung und übernehmen
viele Aufgaben in der Prä-
vention und Gesundheitsför-
derung, beim Management
chronischer Erkrankungen
und der Betreuung zuhause.
Bis 2010 arbeiteten die ein-
zelnen Berufsgruppen in den
Gesundheitszentren autonom
nebeneinander und stimmten
bei Bedarf die Versorgung an
den Schnittstellen ab. Durch
Einführung von Arzt-Pflege-
Tandems wurde versucht, die
multiprofessionelle Zusam-
menarbeit zu intensivieren.
Diese Entwicklungen sind bis
heute durch Unsicherheiten
über Rollen und Aufgaben-
bereiche der Professionen ge-
prägt und werden in den ein-
zelnen Gesundheitszentren
unterschiedlich gelebt.
Slowenien hat ein striktes
Gatekeeping System. Für die
Konsultation einer Spezialis-
tin bzw. eines Spezialisten im
stationären Bereich bedarf es
die Effekte des Einsatzes von
Pflegepersonen näher zu un-
tersuchen.
Erfahrungsbericht
von Stefan Korsatko:
Bei einer 40-Stunden-Woche
versorgte ich ca. 4–6 Pati-
enten pro Stunde in meiner
Ordination oder an der „Akut
ambulanz“, die gemeinsam
von zwölf KollegInnen rund
um die Uhr betreut wurde.
PatientInnen wurden gemein-
sam mit sehr autonomen
KollegInnen aus der Pflege,
Sozialarbeit, Physio- und Psy-
chotherapie betreut. Akutlabor
im Haus, Ultraschall, Röntgen,
Gipserei und die Möglichkeit
von Kurzkonsilen der Fach-
ärztInnen im Haus ermöglich
ten zumeist eine komplette
Abklärung der PatientInnen.
Fallbesprechungen, Quali-
tätszirkel, super Teamklima,
flache Hierarchie, keine orga-
nisatorischen Aufgaben und
ein super Verdienst … kurz:
Allgemeinmedizin wie im Pa-
radies …
Slowenien – Kommunale
Gesundheitszentren
In Slowenien leben auf einem
Viertel der Fläche Österreichs
2,1 Millionen Einwohner. Un-
ser Nachbarland gibt mit 8,4
Prozent des BIP und € 1.983
pro Kopf deutlich weniger für
das fast ausschließlich über
Sozialversicherungsbeiträ-
ge finanzierte Gesundheits
system aus. Bei der Lebens-
erwartung und den gesunden
Lebensjahren liegen Öster
reich und Slowenien gleichauf.
Slowenien kommt mit weniger
als zwei Drittel der Kranken-
einer Überweisung durch die/
den Hausärztin/-arzt. Auch
die Einschreibung in ein re-
gionales Gesundheitszentrum
ist für alle Versicherten ver-
pflichtend. Die anhaltenden
Wirtschaftsprobleme des Lan-
des und politischen Turbu-
lenzen wirken sich auch di-
rekt auf das Gesundheitssys
tem aus. Ende 2016 streikten
Sloweniens ÄrztInnen. Unter
anderem wurde mehr Zeit
für PatientInnen und eine
Aufhebung der Höchstgrenze
für Ärztegehälter gefordert.
Speziell die niedrigen Gehäl-
ter für JungärztInnen sorgten
in der Vergangenheit für viel
Abwanderung in das benach-
barte Ausland. Derzeit liegt
der durchschnittliche Gehalt
einer/s Ärztin/Arztes in der
Primärversorgung bei 3.700
Euro. Die aktuelle Gesund-
heitsreform 2016 bis 2025 soll
die Primärversorgung als Ar-
beitsplatz attraktiver machen
und Defizite in der Zusam-
menarbeit von Sektoren und
Berufsgruppen minimieren.
a
Quellenzitate zur Erstellung
dieser Publikation finden sich
im Teil 1 dieser Artikelserie,
in der Ausgabe 1/2017 von
AERZTE Steiermark.
b
www.mehrarztleben.de/er-fahrungsbericht-faszination-
allgemeinmedizin
Veranstaltungstipp: Zu-
kunftskonferenz 2.0: In-
terprofessionalität in der
Primärversorgung. 7. und
8. April 2017 an der Meduni
Graz.
hausbetten Österreichs (4,5
statt 7,6 pro 1.000 Einwohner)
aus und liegt auch bei der
Zahl der Krankenhausent-
lassungen deutlich niedriger
(184 statt 263 Personen pro
1.000 Einwohner). Mit 112 pro
100.000 Einwohner liegt die
Zahl der vermeidbaren Kran-
kenhauseinweisungen auf-
grund von Diabetes bei zirka
einem Drittel der Zahlen Ös-
terreichs (296 pro 100.000).
Primärversorgung fällt in die
Verantwortung der 212 „Mu-
nicipalities“. Seit 1926 sind
diese Träger der kommunalen
Gesundheitszentren. 2013 bo-
ten 65 Gesundheitszentren an
fast 500 Standorten ein breites
Spektrum an medizinischen,
pf legerischen, physiothera-
peutischen und anderen Leis-
tungen an. Fast 80 Prozent
(n=987) aller Allgemeinmedi-
zinerInnen, aber auch nieder-
gelassenen PädiaterInnen und
GynäkologInnen arbeiten
als öffentlich Bedienstete in
einem Gesundheitszentrum.
Neben diesen gibt es noch zir-
ka 300 selbstständig arbeiten-
de AllgemeinmedizinerInnen,
zirka 70 PädiaterInnen und
zirka 50 GynäkologInnen in
Primärversorgung fällt
in die Verantwortung
der 212 „Municipalities“.
Seit 1926 sind diese
Träger der kommunalen
Gesundheitszentren.