Ærzte
Steiermark
 || 06|2013
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Unterinflationäre Abschlüsse für ärztliche
Leistungen sind nur die Spitze des Eisberges. Die
Rückersätze für psychotherapeutische Leistungen
wurden angeblich um 1,8 Prozent erhöht – insge-
samt in zehn Jahren. Manche Gesundheitsberufe
bekommen nicht einmal einen Termin beim
Kassenobmann. Und wenn, werden sie rasch ab-
gefertigt oder mit unannehmbaren Angeboten
abgespeist.
Alle Vertragspartner und letztlich alle Versicherten
haben dafür gesorgt, dass die steirische Gebiets-
krankenkasse schuldenfrei ist und sich über rund
63 Millionen Euro Gewinn freuen darf (und darauf
auch noch sehr stolz ist).
Das Alarmierende ist, dass die steirische GKK als
Wirtschaftsbetrieb betrachtet eine Art „Cash Cow“
unter den Krankenkassen darstellt. Das schafft sie
nicht durch überdurchschnittliche Einnahmen,
denn bei der regionalen Wirtschaftskraft liegt die
Steiermark nur im unteren Mittelfeld Österreichs.
Dieses Ergebnis kommt zustande, weil den Versi-
cherten Leistungen vorenthalten werden, die es in
anderen Bundesländern sehr wohl gibt.
Das ist eine höchst Besorgnis erregende Situati-
on, zu der die Politik öffentlich wenig sagt. Wohl,
weil (auch) sie damit rechnet, sich eine Abfuhr zu
holen oder überhaupt ignoriert zu werden. Denn
die „Selbstverwaltung“ bedeutet, dass es kaum po-
litische Kontrolle gibt und auch (noch) keine ernst-
hafte Selbstvertretung der Versicherten.
Der nächste „High Noon“ naht aber: Wenn nämlich
am 1. Juli die gekündigten Krankentransportverträ-
ge tatsächlich auslaufen sollten. Da wird man dann
ausnahmsweise nicht der „bösen“ Ärztekammer die
Schuld geben können.
Vizepräsident Dr. Jörg Garzarolli
ist Obmann der Kurie Niedergelassene Ärzte.
Generationen von Turnusärztinnen und -ärzten haben sich be-
müht, der Politik begreiflich zu machen, dass Ärztinnen und
Ärzte in Ausbildung keine billigen Systemerhalter, kein Pflege-
hilfspersonal sind, sondern das Recht auf eine umfassende qua-
lifizierte Ausbildung haben. Nun sollen noch billigere – genauer
gesagt, kostenlose – Studierende das System erhalten. Es gibt
bereits Gesetzesentwürfe in diese Richtung.
Damit wird das Problem verschoben und gleichzeitig verschärft:
Ein Staat, der Studierende­
als Hilfskräfte miss-
braucht, betreibt Verrat an
der akademischen Jugend.
Und er schadet allen Men-
schen, die auf eine hoch
qualifizierte ärztliche Hil-
fe angewiesen sind.
Im Bundesheer hat man
ihm Zuge der Volksbefra-
gungsdiskussionen erkannt, dass Grundwehrdiener kein Billig-
personal sein dürfen, zumindest ist das die offizielle Meinung.
Was für Präsenzdiener stimmt, muss für künftige Ärztinnen und
Ärzte selbstverständlich sein. Wir haben aber das Geld nicht?
Diese politische Reaktion ist mehr als kurzsichtig. Denn in Stu-
dium und Ausbildung wird trotzdem investiert. Sie wird nur
ihr Geld nicht wert sein, weil das Ergebnis nicht stimmen kann,
wenn es weniger statt mehr Ausbildung gibt. Das wäre auch ein
reiches Betätigungsfeld für Patientenanwälte. Denn hier geht es
wirklich um Qualitätsverluste, hier geht es um Patientinnen und
Patienten, die in ihrem Recht beschnitten werden, die bestmög-
lich ausgebildeten Ärztinnen und Ärzte auch in Zukunft in den
Krankenhäusern und Praxen vorzufinden.
Viele junge Kolleginnen und Kollegen werden trotzdem den
Weg zu einer guten Ausbildung finden: In Deutschland und
anderen europäischen Ländern erwartet man sie bereits mit
offenen Armen und wird sie auch nicht mehr weglassen wollen.
Wenn dann noch früher als erwartet, in Österreich der Ärz-
temangel schmerzhaft spürbar ist, wird man den ehemaligen
Politikern mangelnde Weitsicht vorwerfen. Die sind dann aber
schon in Pension.
Dr. Herwig Lindner ist Präsident der
Ärztekammer Steiermark.
extra
Weiterer Kurienbericht ab Seite 47.
Jörg Garzarolli
Die Versicherten zahlen
die GKK-Gewinne
debatte
Fotos: Ärztekammer Steiermark/Schiffer, beigestellt, Grafik: Mirko Maric´
Standortbestimmung
Herwig Lindner
Missbrauch der Tunusärzte
und der Studierenden
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