Ærzte
Steiermark
|| 06|2013
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Foto: BMG/Elisabeth Grebe
Thema
A
uch heute, wo
eine Vielzahl
von industriell
gefertigten Fertigarz-
neimitteln zur Verfü-
gung steht, machen
Anfertigungen und
Abfüllungen 3-5%
des Apothekenum-
satzes aus. Haus-
spezialitäten sind
Eigenherstellungen,
die nach AGES-Zulassung im Apo-
thekenlabor angefertigt werden. Dabei
werden bewährte und sichere Arznei-
stoffe zu Tees, Salben, Tropfen und
Säften verarbeitet.
Bei der Elaboration werden Arzneimit-
tel nach der Vorschrift des amtlichen
Arzneibuchs in größerem Maßstab
hergestellt. Beispiele dafür sind Baldri-
antropfen, fixe Heilkräutermischungen
aber auch Sirupe, Zäpfchen, Salben,
Kapseln und andere Arzneiformen,
die oft einen Platz in der Volks- und
Naturheilkunde haben.
Individualanfertigungen von Medika-
menten auf ärztliche Verschreibung,
weil diese Zusammensetzung oder
Wirkstärke nicht industriell hergestellt
wird, laufen in der Apotheke unter „ma-
gistrale Rezeptur“. Magistrale Verord-
nungen finden sich besonders häufig
bei Haut-, Augen- oder Kinderärzten:
Da werden in eigenen Sterilkammern
Augentropfen ohne schwer verträgliche
oder allergisierende Konservierungs-
mittel hergestellt, Salbenmischungen
mit speziell abgestuftem Wirkstoffge-
halt angefertigt oder auch Kapseln,
Sirupe, Pulver und Zäpfchen mit
Arzneistoffmengen, die genau auf das
Körpergewicht eines Kleinkindes abge-
stimmt sind. Auch für Krisensituationen
sind wir mit unseren Apothekenlabors
und dank unserer universitären Aus-
bildung auf diesem Gebiet gerüstet:
Wenn der Nachschub durch eine
Naturkatastrophe unterbrochen ist
oder die Industrie wegen eines Produk-
tionsausfalls die benötigten Arzneimittel
nicht zur Verfügung stellen kann, wird in
unseren Labors
gerührt, gelöst,
gemischt und
abgefüllt. Apo-
theken sind also
nicht nur Logi-
stiker, sondern
auch Hersteller.
Anzeige
Apotheken-
Herstellungen
Mag.pharm. Dr.
Gerhard Kobinger
Schulze formuliert es in einem Arti-
kel im Deutschen Ärzteblatt im Mai
2013 ähnlich: „Priorisierung hat nach
unserer Auffassung das Potenzial, zur
Klärung einer ganzen Reihe von aktu-
ell die Gesellschaft und insbesondere
auch die Ärzteschaft beschäftigenden
Fragen beizutragen:
Was sind die zentralen Ziele der ärzt-
lichen Tätigkeit? Was ist ihr zentraler
Aufgabenbereich? In welchem Verhält-
nis stehen der in der MBO (Musterbe-
rufsordnung, red.) genannte Dienst für
die Gesundheit des ‚einzelnen Men-
schen‘ und der für die des ‚ganze(n)
Volk(es)‘ zueinander? Was sind die
Grenzen einer ‚wunscherfüllenden
Medizin‘? …“
Das Problem der Priorisierungsdebat-
te: Die nordischen Länder, die sich da-
mit befassen, haben eine gut gelernte
Kultur der unmittelbaren politischen
Beteiligung, auch wenn es um heikle
und emotionalisierende Fragen geht.
Die Entscheidungen über die Gesund-
heitsversorgung fallen weitgehend auf
regionaler Ebene. Und Norwegen zählt
zu den reichsten Ländern der Welt.
Und so vernünftig der Vorschlag einer
wissenschaftlich gut begründeten „ge-
sundheitspolitischen Triage“ auf den
ersten Blick auch klingen mag, in der
Praxis tun sich massive Fragen auf.
Das zeigt etwa eine Bevölkerungsum-
frage einer deutschen Forschungs-
gruppe, die im Jahr 2010 veröffentlicht
wurde. Darin wurden (was das Priori-
sierungskonzept allerdings weitgehend
ausschließt) auch Bevölkerungsgrup-
pen abgefragt, die bei knappen Res-
sourcen bevorzugt behandelt werden
sollten. Hier landen alte Menschen
knapp vor PatientInnen mit einge-
schränkter Lebensqualität, Personen
mit Kindern und solchen mit geistigen
Behinderungen, aber hinter Menschen
mit körperlicher Behinderung.
Bei einer internationalen Konferenz der
europäischen Gesellschaft für Philoso-
phie in der Medizin und im Gesund-
heitswesen und des Instituts für biome-
dizinische Ethik der Universität Zürich
2011 war genau das das Problem. Die
Konferenz habe „gezeigt, dass es nicht
einfach ist, Priorisierungskonzepte in
die Praxis umzusetzen“ bilanziert die
Neue Züricher Zeitung.
Angesichts der komplexen Problema-
tik ist es schon fast bewundernswert,
wie leicht es sich ein österreichischer
Gesundheitsminister macht: „Es hat
keine Debatte gegeben, aber es gibt
Priorisierungen. Das ist genau die Auf-
gabe von Gesundheitspolitik“, antwor-
tete er vor einigen Monaten in einem
Interview mit der Österreichischen
Krankenhauszeitung.
Vielleicht hat er auch nur etwas ver-
wechselt: „Priorisierung ist ein sehr
viel anspruchsvolleres Unternehmen
als Prioritätensetzung: Bei dieser bleibt
die Menge der zu vergegenwärtigenden
Objekte im Dunkeln. Prioritätenset-
zung zielt generell darauf ab, wenige
ausgewählte Objekte (zum Beispiel
Politikziele einer neuen Regierung), oft
freihändig und in werbender Absicht,
als besonders wichtig und dringlich
herauszuheben“, sagen die Experten
Schulze und Raspe im Ärzteblatt.
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„Es hat keine Debatte gegeben, aber es
gibt Priorisierungen. Das ist genau die
Aufgabe von Gesundheitspolitik.“
Gesundheitsminister Alois Stöger in der ÖKZ