Ærzte
Steiermark
|| 09|2013
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Die Initiative für die Erhaltung der landärztlichen
Versorgung in diesem Sommer hat einen breiten
medialen Niederschlag und auch erfreuliche Re-
sonanz in vielen Medien gefunden. Bei den poli-
tischen Entscheidungsträgern gibt es keine Zweifel,
dass niedergelassene Allgemeinmedizinerinnen
und Allgemeinmediziner der „best point of service“
für die wohnortnahe Familienmedizin sind – auch
wenn nicht alle denselben Informationsstand haben,
etwa bei Hausapotheken oder auch der Gruppen-
praxisfrage. Zu verlangen, dass Ärztinnen und
Ärzte Gemeinschaftspraxen bilden, ohne die Rah-
menbedingungen zu verbessern und Job-Sharing-
Modelle zu forcieren, ist halt nur eine politische
Worthülse.
Aber wohnortnahe Medizin erfordert auch ein Be-
kenntnis zur wohnortnahen fachärztlichen Versor-
gung. Natürlich sind Facharztpraxen nicht in jeder
2.000-Einwohner-Gemeinde denkbar. Aber eine
fachärztliche Grundversorgung in mittleren und
größeren Gemeinden ist unverzichtbar. Kinderärz-
tin, Gynäkologe, Orthopädin, Hautarzt, Urologe,
Augenärztin und Co. sind auch Säulen der wohn-
ortnahen Grundversorgung.
In diesem Zusammenhang wird man diesen
ominösen „best point of practice“ sehr rasch klar
definieren müssen. Nähe, Leistungsfähigkeit, Wirt-
schaftlichkeit in Bezug zu realistischen Krankheits-
bildern sind denkbare Kriterien, aber eindeutig
niedergelegt sind sie nicht. So lange das aber nicht
geschieht, kann jeder seinen „best point of practice“
nach Belieben festlegen. Es herrscht damit poli-
tische Willkür. Eine konsensuelle Planung erfordert
jedoch Planungsgrundlagen, die außer Streit stehen.
Ich bin jedenfalls davon überzeugt, dass die fach-
ärztliche Praxis ein „best point of practice“ für ein
breites Spektrum an medizinischen Leistungen sein
muss.
Vizepräsident Dr. Jörg Garzarolli
ist Obmann der Kurie Niedergelassene Ärzte.
Das Vertrauensverhältnis zwischen Ärztin/Arzt und Patient/in ist
ein hohes Gut, vielleicht ist es der wichtigste Faktor für die Hei-
lung. Damit sensibel umzugehen und es nicht durch unbedachte
Äußerungen zu gefährden, sollte daher auch zum Selbstverständ-
nis einer verantwortungsvollen Gesundheitspolitik gehören. Tut
es. Aber leider nur in Deutschland, wo Gesundheitsminister auch
die Medien davor warnen, ÄrztInnen voreilig zu kriminalisieren.
Anders in Österreich: Als in Deutschland eine Diskussion darüber
entbrannte, ob die Anonymi-
sierung von Daten für stati-
stische Auswertungen ausrei-
chend verlässlich sei, wurde
daraus in Österreich ein
massives ÄrztInnen-Bashing,
obwohl es keine gesicherten
Hinweise darauf gibt, dass
aus den Daten Rückschlüsse
auf bestimmte PatientInnen
gezogen werden können. Um
nicht falsch verstanden zu werden: Dort wo, Fehler gemacht wer-
den, muss man darüber sprechen. Dort wo, rechtswidriges Verhal-
ten erkannt wurde, muss es Sanktionen geben. Aber eine fakten-
freie Vorverurteilung ist ein schwerer politischer Kunstfehler.
Ob ein privates Unternehmen kommerziell Daten sammeln und
sich dabei der Daten aus Apotheken, Spitälern und Arztpraxen
bedienen soll, ist eine Frage, die man auch diskutieren darf. Tat-
sache ist aber, dass sich nicht nur die pharmazeutische Industrie,
sondern auch Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitswe-
sens dieser Daten bedienen, um z. B. gesicherte Informationen
über den Generika-Anteil in Österreich zu bekommen. Dass
Daten erhoben und gesammelt werden, ist längst bekannt (zu-
mindest seit mehr als einem Jahr, als die Ärztekammer kritisch
darauf hingewiesen, gewarnt und die Datenschutzkommission
eingeschaltet hat). Dass die Politik ohne neue Erkenntnisse jetzt
gegen die Ärzteschaft schimpft, ist durch die Vorwahl-Nervosität
erklärbar, aber keine Entschuldigung.
Dabei könnte sie etwas ganz Einfaches tun: eine schlagkräftige
Datenschutzbehörde mit weitreichenden Kompetenzen und den
Mitteln dafür ausstatten, diese auch durchzusetzen. ÄrztInnen
und PatientInnen würden das begrüßen.
Dr. Herwig Lindner ist Präsident der
Ärztekammer Steiermark.
extra
Weiterer Kurienbericht ab Seite 44.
Jörg Garzarolli
Bekenntnis zu den
FachärztInnen
debatte
Fotos: Ärztekammer Steiermark/Schiffer, beigestellt, Grafik: Mirko Maric´
Standortbestimmung
Herwig Lindner
Datenschutz statt
ÄrztInnen-Bashing