Ærzte
Steiermark
|| 09|2013
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datenschutz
Statistik ist notwendig
Dass die Weitergabe vollstän-
dig anonymisierter Daten da-
tenschutzrechtlich unbedenk-
lich ist, wie auch die Daten-
schutzkommission beim Bun-
deskanzleramt im Vorjahr
der Ärztekammer auf An-
frage mitgeteilt hatte, fiel fast
vollständig unter den Tisch.
Dass die Daten des weltweit
agierenden Marktforschungs-
instituts (siehe Kasten „Die
Marktforschungsmaschine“)
auch von öffentlichen Spi-
tälern und der Gesundheit
Österreich GmbH des Bundes
genutzt werden, blieb weitge-
hend unbeachtet. Lediglich
die vorwiegend von Fachleu-
ten gelesene Zeitschrift Me-
dianet berichtete ausführlich.
Einige Planer und Ökonomen,
darunter der Geschäftsführer
des steirischen Gesundheits-
fonds, Harald Gaugg, und der
ansonsten von den Medien
gerne gefragte Ernest Pichl-
bauer, erhoben zwar warnend
ihre Stimmen, wurden aber
kaum gehört. „Wir arbeiten
mit Daten über Belagsdauer
und -dichte, über OP-Me-
thoden, Verbrauchsgüter wie
Medikamente und natür-
lich mit Finanzdaten“, sagte
Gaugg in der Kleinen Zeitung.
Der Gesundheitsminister sei
„glücklich, im Wahlkampf ein
Thema zu haben“. In dieser
aufgeheizten Atmosphäre sei
keine seriöse Debatte zu füh-
ren, bilanzierte Pichlbauer
resignierend im Standard.
Und der SPIEGEL? Widmete
dem Top-Thema in der Woche
darauf keine Zeile mehr. Da-
für gab es in der gedruckten
Ausgabe neue Enthüllungen
über Abhörskandale beim
US-Geheimdienst NSA …
„Es ist traurig, wenn Datenschützer durch das
Werfen von Nebelkerzen (…) das Vertrauen
der Patienten in ihre Apotheken untergraben
und sich selbst dabei so verhalten, dass sie ihre
Rechtsauffassung nur über die Medien und nicht
durch Erlass von Bescheiden zum Ausdruck
bringen, und sich dadurch einer gerichtlichen
Kontrolle zu entziehen versuchen.“
Thomas Kranig, Präsident des bayrischen Datenschutzamtes
200 Milliarden Dollar
könnte sich das US-Ge-
sundheitssystem durch den
verantwor tungsvol leren
Umgang mit Medikamen-
ten ersparen, sagt ein im
Juni 2013 erschienener Re-
port. Dahinter steckt IMS
Healthcare, jenes Unterneh-
men, das nun in Deutsch-
land und Österreich in die
Kritik geraten ist.
Gegründet wurde das US-
amerikanische Spezialun-
ternehmen für Marktfor-
schung im Pharmabereich
1954. „1969 wurde IMS
Health zum Gold Standard
für pharmazeutische Markt-
forschung in Europa und
Asien“ vermeldet die Unter-
nehmenschronik stolz. 1988
kaufte ein noch größerer
Fisch – D&B, das auch hinter
der Nielsen Media Research
steckt – den etwas kleineren,
und zwar um 1,7 Milliarden
Dollar. Von 1998 bis 2009
notierte IMS Health an der
New Yorker Börse. Bis es
von einer Investorengruppe
übernommen wurde, um 6
Milliarden Dollar.
Nach eigenen Angaben ope-
riert IMS in mehr als 100
Ländern, zahlreiche Unter-
nehmensakquisitionen fan-
den im Lauf der fast 60-jäh-
rigen Firmengeschichte
statt. Kunden sind Phar-
maunternehmen, aber auch
Regierungen und staatliche
Gesundheitsagenturen.
Nach eigenen Angaben ver-
folgt IMS die Marktent-
wicklung für 1,4 Millionen
unterschiedliche pharma-
zeutische Produkte und
deckt damit 80 Prozent der
weltweiten Pharma-Umsät-
ze ab. Die Daten kommen
von mehr als 260 Millionen
anonymisierten Patient
Innen.
IMS: Die Marktforschungsmaschine
Die Technik:
Es gibt zwei Arten, die Daten
auf elektronischem Weg zu übermitteln. Ent-
weder sind diese so anonymisiert, dass sie nicht
auf die PatientInnen rückführbar sind oder die
Daten werden nicht anonymisiert übermittelt.
Beim anonymisierten Versenden der Daten wird
der Befund im Arzt- oder Laborsystem erstellt,
auf ein gängiges Übermittlungsformat konver-
tiert und für die Übermittlung bereitgestellt.
Das Befundversende-Modul verschlüsselt die
Dateien und versendet sie. Die/Der berechtigte
Empfänger/in ruft die Dateien ab, entschlüsselt
sie und legt diese ab. Die Daten sollen in der
Arztsoftware idealerweise automatisch der Pati-
entin/dem Patienten zuordenbar sein.
Der Datenschutz:
Für ÄrztInnen ist das
Übermitteln von Daten an Unternehmen sehr
problematisch. Da es sich bei Daten über die
Gesundheit eines Menschen um so genannte
„sensible Daten“ gemäß § 4 Z 2 Datenschutzgesetz
(DSG) handelt, ist hier besondere Vorsicht gebo-
ten. Eine Übermittlung von Patientendaten ohne
Zustimmung der Betroffenen stellt prinzipiell
eine strafbare Verletzung des Datengeheimnisses
gemäß §§ 15 Abs. 1 iVm § 52 Abs. 1 Z 2 DSG
dar. Wird für die Weitergabe der Daten auch
Geld geboten, könnte in der Mitwirkung eines
Arztes/einer Ärztin auch das gerichtlich strafbare
Vergehen der Datenanwendung in Gewinnabsicht
gemäß § 51 Abs. 1 DSG gesehen werden.
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