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Ærzte
Steiermark
|| 09|2013
Foto: Schiffer
datenschutz
„Ärzte haben
sehr hohe Daten-
Sensibilität“
Ärztekammer-
Präsident Her
wig Lindner
im
Gespräch über die
Diskussion um die
Datenweitergabe.
AERZTE Steiermark:
Haben
Sie befürchtet, dass der „Skan-
dal“ von Deutschland nach Ös-
terreich überschwappen wird?
Lindner:
In Deutschland ging
und geht die Diskussion aus-
schließlich darum, ob die Da-
ten, die für statistische bzw.
Marktforschungszwecke ver-
wendet werden, ausreichend
anonymisiert sind. In Öster-
reich führt man eine völlig
andere Diskussion. Der Streit
darüber, ob die Erhebung
anonymisierter statistischer
Daten erlaubt ist, hängt wohl
eher mit dem Sommer, dem
Wahlkampf und vielleicht
auch damit zusammen, dass
es manchen Politikern pein-
lich ist, dass sie im Vorjahr
nicht reagiert haben, als die
Ärztekammer öffentlich Be-
denken geäußert hat.
Macht es sich die Ärztekammer
nicht zu einfach, wenn man das
Thema auf das „Sommerloch“
rückführt?
Lindner:
Die Ärztekammer
hat es sich schwer gemacht. Als
dieses Ansinnen im Vorjahr
an die Ärzte gerichtet wurde,
hat man die Datenschutzkom-
mission im Bundeskanzleramt
um Auskunft gebeten. Auf
dieser Basis wurde den Ärzten
empfohlen, nicht an diesem
Projekt teilzunehmen. Nicht
weil die Weitergabe anonymer
Daten rechtswidrig ist – das
ist sie nicht – sondern weil
sich der einzelne Arzt nicht
überprüfen kann, ob diese
Anonymisierung in angemes-
sener Art erfolgt, halten wir
die Beteiligung für zu riskant.
Wie will man in der Ärzteschaft
ein noch höheres Bewusstsein
im Umgang mit Daten schaf-
fen?
Lindner
: Ich denke, dass die
Ärzte eine sehr hohe Sensibi-
lität haben, wenn es um den
Schutz von Patientendaten
geht. Ich bin mir ganz si-
cher, dass die wenigen betei-
ligten Ärzte nur deswegen
teilgenommen haben, weil sie
fest davon überzeugt waren
und sind, dass hier keine auf
einzelne Patienten rückführ-
baren Daten weitergegeben
werden. Statistische Auswer-
tungen schaffen grundsätz-
lich Erkenntnisgewinne, was
sich ja daraus ableiten lässt,
dass sowohl öffentliche als
auch private Auftraggeber di-
ese Daten benützen. Wo sich
Ärzte sicher schwer tun, weil
nicht in ihrer Kernkompetenz,
liegt, die Tragweite elektro-
nischer Datenweiterleitungen
zu überblicken.
Wie kommt es, dass Standes-
vertreter Wörter wie „Berufs-
verbote“ usw. in den Mund
genommen haben, wenn alles
im gesetzlichen Rahmen abge-
laufen ist?
Lindner:
Vertreter der Ärzte-
kammer haben immer davon
gesprochen, dass im Fall der
Verletzung ärztlicher Schwei-
gepflicht (bei rückführbaren
Daten) Sanktionen zu erwar-
ten sind. Es gibt aber keine
Evidenz dafür, dass eine Ver-
letzung des Datenschutzes
tatsächlich stattgefunden hat.
Wie beurteilen Sie das Krisen-
management der Ärztekammer?
Lindner:
Es war in erster Li-
nie eine Krise der Politik, die
in Vorwahlzeiten Pauschal-
verdächtigungen tätigte, die
nicht haltbar sind. Ich gebe
aber zu, dass man offenbar
auch in der Ärztekammer mit
einer derart unqualifizierten
Diskussion nicht gerechnet
hat, weil man ein gewisses
Mindestmaß an Kompetenz
von Politikern erwarten darf.
Daher wurde man ein wenig
überrascht.
Welche Lehren zieht die Ärzte-
kammer aus dieser Diskussion?
Lindner:
Die Frage muss sein:
Welche Lehren ziehen wir
alle daraus? Es gibt jetzt ja
eine nicht allzu laute Diskus-
sion darüber, ob nicht auch
Forschung und Planung im
Gesundheitsbereich gefährdet
sind, wenn man grundsätz-
lich die Verwendung von an-
onymen Daten völlig diskre-
ditiert. Aber man muss sich
bewusst sein, dass im öffent-
lichen Gesundheitswesen auf
gesetzlicher Basis Ärzte dazu
gezwungen sind, nicht ano-
nymisierte Patienten-Daten
(Diagnosen, Therapien usw.)
weiterzugeben. Die Diskussi-
on darüber, ob die Weitergabe
aller dieser Daten tatsäch-
lich notwendig ist, oder ob
man den Schutz der Pati-
enten nicht mehr Augenmerk
schenken muss, die ist noch
zu führen. Und zwar jetzt und
dringend.
Warum wird in der Öffentlich-
keit im Rahmen solcher Dis-
kussionen immer ein negatives
Bild der Ärztinnen und Ärzte
gemalt?
Lindner:
Ärzten steht in sol-
chen Diskussionen ihre in-
tellektuelle Redlichkeit ein
wenig im Weg. Es ist ein
komplexes Thema, das dif-
ferenziert diskutiert werden
müsste. Es geht um den Da-
tenschutz, keine Frage, es
geht auch um Arzneimittel-
sicherheit, die durch solche
Daten unterstützt wird. Von
der Politik und von Experten