Ærzte
Steiermark
|| 03|2013
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Die ärztlichen Hausapotheken sind selbstverständ-
lich nicht die einzige Säule der hausärztlichen
Versorgung, haben aber Signalwirkung. Zur Er-
läuterung: Der noch nicht endgültige, aber doch
handfeste Fusionsvorschlag der Landesregierung
gefährdet die Hausapotheken zusätzlich. Das Land
beschleunigt damit die Wirkungen des Bundesapo-
thekengesetzes. Die knapp 170 Hausapotheken (vor
zehn Jahren waren es noch mehr als 200) könnten
ohne Gegenmaßnahmen in absehbarer Zeit auf
nicht viel mehr als 100 reduziert werden.
Wir haben unmittelbar nach Bekanntwerden der
konkreten Fusionspläne unserer steirischen Ge-
meindereformer gemeinsam mit unseren Hausa-
pothekenreferenten auf diese Auswirkungen hin-
gewiesen. Wobei ich betone, dass es nicht darum
geht, grundsätzlich gegen Gemeindereformen
zu sein, aber darum, schädliche Folgewirkungen
abzuwenden. Dabei geht es ganz unmittelbar um
die Versorgung, aber auch um die strukturelle
Bedeutung. In dünn besiedelten Gebieten werden
die Arztpraxen ohne Hausapotheken überhaupt
verlorengehen, weil sie einfach nicht mehr wirt-
schaftlich zu führen sind.
Wirksam soll die Gemeindereform am 1. Jänner
2015 werden. Das klingt nach viel Zeit, aber der
Eindruck täuscht. Schließlich handelt es sich um ein
Bundesgesetz, das es im Sinne der Steiermark zu
adaptieren gilt. Und es gibt unterschiedliche Inte-
ressen, die unter einen Hut zu bringen sind.
Daher ist es notwendig, mit der entsprechenden
Entschlossenheit zu handeln. Zumal ein Haus
apothekensterben, mit verursacht durch die (Pläne
zur) Gemeindereform, auch Wasser auf die Mühlen
jener ist, die diese Reform grundlegend ableh-
nen. Und die Umgangsweise mit den ärztlichen
Hausapotheken ist auch eine Nagelprobe für die
politischen Versprechen, die niedergelassene Ver-
sorgung zu stärken.
Vizepräsident Dr. Jörg Garzarolli
ist Obmann der Kurie Niedergelassene Ärzte.
Die Kronenzeitung hat vor einigen Wochen eine Umfrage ver-
öffentlicht, aus der hervorging, dass Einsparungen im Gesund-
heitsbereich von der Bevölkerung besonders kritisch betrachtet
werden. Zyniker und „Reformintellektuelle“ mögen dieses Ergeb-
nis als die Stimme der Stammtische verächtlich beiseite schieben.
Aber erst dieser Tage kommt eine Umfrage der Wirtschaftskam-
mer und der Industriellenvereinigung Steiermark, die exklusiv
im Wirtschaftsblatt veröffentlicht wurde, zu einem nahezu gleich
lautenden Ergebnis. Auf die Frage, in welchen Bereichen man be-
reit wäre, die Rücknahme
öffentlicher Leistungen
zu akzeptieren, landeten
Landesverteidigung, Kunst
und Kultur bzw. Sport
ganz vorne und Wissen-
schaft, Familie und Ge-
sundheit ganz hinten.
Gleichzeitig steigt das
Bewusstsein, dass diese
Einsparungen im Gesundheitsbereich längst begonnen haben. Die
KAGes hat Budgetzuwächse zu verzeichnen, die weit unter dem
Österreich-Durchschnitt liegen, die steirische Gebietskrankenkas-
se ist Ökonomiesieger unter den sozialen Krankenversicherungen.
Weitere Kürzungen in den nächsten Jahren werden tief ins Fleisch
der Gesundheitsversorgung gehen müssen.
Der Triumph der Politik, die warnende Stimmen, insbesonde-
re aus dem ärztlichen Bereich, im Reformrausch ignoriert hat,
könnte sich so bald als Phyrrussieg herausstellen. Politische Ak-
teure, die hier jegliches Augenmaß vermissen lassen und sogar
Reformen um jeden Preis durchsetzen wollen, die nicht einmal
wirtschaftlich schlüssig erscheinen, handeln gegen den Willen
jener, die sie gewählt haben. Und die sich auch nicht mehr sehr
lange Sand in die Augen streuen lassen und der Versicherung
Glauben schenken werden, dass finanzielle Einschränkungen
überhaupt keinen Einfluss auf die Leistungen haben werden.
Also keine Reformen? Nein, das heißt es nicht. Aber große Wür-
fe, ohne Respekt vor der Realität, immer mehr, immer zentralere
Verwaltung, die viele, die in diesem Gesundheitssystem arbeiten,
nicht nur die Ärztinnen und Ärzte, verärgern und verstören,
sind schlicht der falsche Weg. Die Politik darf sich irren, sie darf
aber nicht im Irrtum verharren, wenn sie ihn bereits erkannt hat.
Dr. Herwig Lindner ist Präsident der
Ärztekammer Steiermark.
extra
Weiterer Kurienbericht ab Seite 38.
Jörg Garzarolli
Hausapotheken: Es
muss gehandelt werden
debatte
s: Ärztekammer Steiermark/Schiffer, beigestellt, Grafik: Mirko Maric´
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Standortbestimmung
Herwig Lindner
„Gesundheitsreform“ –
ein Phyrrussieg der Politik