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Ærzte
Steiermark
 || 03|2013
Foto: Beigestellt
Sucht
„Krieg gegen Drogenkranke
und deren Behandler“
„Die Substitutionstherapie ist
unverzichtbar“ sagt der Re-
ferent für Suchtfragen in der
steirischen Ärztekammer und
Oberarzt an der Universi-
tätsklinik für Psychiatrie in
Graz, Christoph Ebner. Eine
differenzierte Diskussion über
die zum Einsatz kommenden
Medikamente hält er – im
Kreis der Fachleute – aber
durchaus für sinnvoll. Aus-
führlich nimmt der Leiter des
Zentrums für Suchtmedizin
an der LSF, Prim. a.o.Univ.-
Prof. Martin Kurz (er ist Co-
Referent in der ÄK Steier-
mark) dazu Stellung.
AERZTE Steiermark:
Ein
Strategiepapier des Innenmi-
nisteriums sieht laut Medien-
berichten die Abschaffung der
Substitutionstherapie vor. Wie
bewerten Sie das als Experte?
Kurz:
Die vom Innenmini-
sterium ausgegebene Devise
„Weg von den Drogenersatz-
stoffen“ zeigt leider wieder,
wie undifferenziert in maß-
geblichen Bereichen unserer
Gesellschaft mit dem Thema
umgegangen wird. Der in-
ternational gescheiterte „war
on drugs“ wird hierzulande
immer noch viel zu häufig als
Krieg gegen Drogenkranke
und ihre Behandler weiter-
geführt. Als Bürger dieses
Landes und Vertreter sucht-
medizinischer Fachlichkeit
reicht es für mich nicht aus,
zwischen Empörung und
Resignation schwankend
die Wahlkampfrhetorik hei-
mischer Verantwortungsträ-
ger anzuprangern. Ärztinnen
und Ärzte, die mit Drogen-
kranken arbeiten und Dro-
genersatzstoffe verschreiben,
sind nicht ideologisch verirrte
Akteure in einem gesundheits-
politischen Betriebsunfall –
sie erfüllen einen wichtigen
fachlich und gesetzlich klar
geregelten Auftrag, für den
sie Vertrauen und dezidierte
öffentliche Anerkennung ver-
dienen. Nach anfänglichem
Erschrecken – die Reaktionen
aus dem Gesundheitswesen
waren ja eindeutig – sollten
wir aber auch den Vorteil der
öffentlichen Diskussion nüt-
zen. Ich bin sicher, dass z.B.
auch die meisten der mit Dro-
genkranken befassten Exeku-
tivbeamten von der Wortwahl
irritiert waren, sich aber leider
nicht zu Wort gemeldet haben.
Besonders bedauerlich ist die
totale Vermischung von si-
cherheitspolitisch motivierten
primärpräventiven Strategien
mit schadensbegrenzenden
und gesundheitsfördernden
Programmen für chronisch
Kranke. Es würde doch nie-
mandem ernstlich einfallen,
bei adipösen Sportgegnern
systematische HbA1c-Tests zu
machen mit dem Schrei „Weg
von der Insulintherapie“?
Angedacht wird auch ein
Haartest bei „Verdächtigen“.
Was meinen Sie dazu?
Kurz:
Die Aussagekraft von
Drogentests ist ein eigenes
Thema, neben Problembe-
reichen von Spezifität und
Sensitivität kann aus einem
positiven Drogentest nie eine
Diagnose gestellt werden. In
der Suchtmedizin verwenden
wir Drogentests in erster Li-
nie als Diskussionsgrundla-
ge zwischen Behandlern und
Patienten, um den gegensei-
tigen Informationsstand zum
Konsumverhalten und sei-
nen Risiken für die Patienten
möglichst realitätsnah zu hal-
ten. In diesem Fall stellen
sich mehrere Fragen: Wer ist
verdächtig? Jugendliche gene-
rell, verhaltensauffällige Sub-
gruppen, wenn ja welche? Viel
wichtiger ist, was geschieht,
wenn der Test positiv ausfällt.
Ein Drittel aller Österreicher­
innen und Österreicher unter
30 haben Cannabis-Erfah-
rung, müssen dann alle in
Zwangsberatung? Mit welcher
Legitimation? Drogenkonsum
per se ist kein Delikt. Wer
soll die Maßnahmen durch-
führen? Werden wir Sucht-
mediziner dann mit in die
Pflicht genommen, Tausenden
Adoleszenten ihren Gelegen-
heitskonsum per ärztlicher
Autorität auszutreiben?
Wenn man wirksame Dro-
genprävention ernst nimmt,
dann sollten wir Ressourcen
in andere Bereiche umleiten,
in denen Resilienz gegenüber
Die nachträglich relativierte Forderung
aus dem Innenministerium, die Substi-
tutionstherapie für Drogenkranke zu verbieten und systematisch Haartests durchzu-
führen, hat österreichweit medizinische Fachleute und Gesundheitspolitiker empört.
AERZTE Steiermark hat nachgefragt.
„Hätte man
Suchtmediziner
wohlwollender und
umfassender in die
gesundheitspolitische
Planung einbezogen,
wäre schon
lange klar, dass
substitutionsgestütze
Therapie eine breite
Palette von schadens-
begrenzenden Zielen
verfolgt ...“
Martin Kurz
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