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Ærzte
Steiermark
 || 03|2013
interview
Foto: Schiffer
es wenige längerfristig ver-
bindliche Veranlagungsmög-
lichkeiten gibt.
Von den Zahlen zu den Men-
schen: Ein Projekt, das jetzt als
Pilot mit sechs Halbtagsstellen
anläuft, soll für Ärztinnen und
Ärzte ab 50 Jahren Entlastung
bei den Diensten bringen.
Tscheliessnigg:
Mit dem Pi-
loten wollen wir herausfin-
den, wie das funktioniert. Es
muss aber auch gerechnet
werden, es muss sich ja aus-
gehen. Da wir alle wissen,
dass ein Drittel eines Arztge-
halts die Dienste ausmachen,
kann man sie nicht ersatzlos
streichen. Die sechs halben
Dienstposten sind einerseits
eine Abfederung für das Ar-
beitszeitgesetz, auf der an-
deren Seite muss man sich
überlegen, welche Boni man
denjenigen zusätzlich gibt,
damit sie nicht ins Boden-
lose fallen und nur mehr
zwei Drittel vom vorherigen
Gehalt verdienen. Eine Über-
legung ist, das Grundgehalt
als Option individuell zu
erhöhen. Manche wollen aber
gar nicht mit den Diensten
aufhören, das soll auch mög-
lich sein. Einige wollen einen
Dienst pro Monat machen,
um sozusagen drinnen zu
bleiben, andere interessiert
das überhaupt nicht, die wol-
len ins Sanatorium gehen.
Da muss man einen Mit-
telweg finden. Der Vorteil
einer Anhebung des Grund-
gehalts wäre die Ruhegenuss-
fähigkeit. Die Folgekosten
der KAGes und konsekutiv
der MUG, die ja nachziehen
wird müssen, sind zu berech-
nen. Aber es ist ein legitimer
Wunsch der Ärztekammer,
ich weiß wovon ich rede, ich
habe das selbst miterlebt. Es
ist nicht so einfach, eine
Nacht durchzuarbeiten und
dann gleich weiterzumachen.
Es gab bereits zwei Work-
shops dazu, man überlegt
auch Altersteilzeit. Aber auch
das ist mit dem Abhanden-
kommen von Arbeitskraft
verbunden, die durch andere
ersetzt werden muss. Der
Vorteil des Modells könnte
sein, dass jene Kolleginnen
und Kollegen, die aus dem
Dienstbetrieb ausgeschieden
sind, eine gewisse Kontinui-
tät auf den Abteilungen und
Stationen gewährleisten. Wir
hätten eine zufriedenere Kol-
legenschaft. Ich hoffe, dass
wir eine Lösung finden wer-
den – leicht ist es nicht.
Haben Sie schon gerechnet?
Fartek:
Wir müssen die Pi-
loten abwarten. Aber es ist ein
Grundsatz unserer Einspa-
rungsprojekte, dass sie einer-
seits das Landesbudget entla-
sten, aber andererseits auch
Entlastungen an Hotspots
möglich machen. Wir wissen,
dass es in Zeiten begrenzter
finanzieller Möglichkeiten
auch um Umschichtungen
geht – zur möglichst gleich-
mäßigen Belastung von allen
und zur Entlastung in jenen
Bereichen, die derzeit sehr
stark belastet sind.
Im Bereich 50 plus ist das ja
überschaubar, aber die Grund-
einstellung, sich nicht mehr nur
durch den Beruf zu definieren,
sehr wenig Zeit für die eigene
Familie zu haben, betrifft ja
auch oder ganz besonders die
Jüngeren, stark durch Frauen
getrieben, aber nicht nur. Die
Lebensarbeitszeit sinkt mit
der Bereitschaft, Zeit in Ar-
beit zu investieren. Das heißt,
Lösungen wird es auch für die
Jüngeren geben müssen.
Tscheliessnigg:
Man muss
klar sagen, es gehört nun
einmal zum Berufsbild des
Arztes bzw. der Ärztin, Jour-
naldienste oder Nachtdienste
zu machen und dafür bereit
zu sein. Da würde ich we-
nig Verständnis dafür haben,
wenn wir sagen, dass wir
hier auch aufhören. Irgendwo
muss eine Grenze sein. Dass
aber die Arbeitsbelastungen
in den Diensten noch wei-
ter zugenommen haben, das
habe ich gemerkt. Wenn ich
heute jemandem erzähle,­
dass wir durchgearbeitet ha-
ben, und dann normal in
den Dienst gegangen sind,
will das keiner haben. Das
Verständnis ist also da. Auf
der anderen Seite gibt es das
Arbeitszeitgesetz und den
Ermüdungsparagrafen …
… der laut einer Umfrage des
MUG-Betriebsrates nur sehr
begrenzt berücksichtigt wird …
Tscheliessnigg:
… das spricht
aber auch für den hohen
Altruismus, der in der Ärz-
teschaft immer noch vorhan-
den ist. Ärztinnen und Ärzte
sagen oft von sich aus, ich
kann jetzt nicht nach Hause
gehen, ich muss meine Arbeit
zuerst fertigmachen. Das ist
ja kein schlechter Zug. Es ist
nur aufgrund der etwas ab-
sonderlichen Gesetzgebung
fast ein Verbrechen geworden.
Ich plaudere aus dem Näh-
kästchen von früher: Wenn
du transplantierst, musst du
die Arbeitszeit überschreiten.
Aber die Industrie, Spedi-
teure, Fluglinien müssen mit
strengeren Arbeitszeitrege-
lungen auch zurechtkommen.
Tscheliessnigg:
Das ist eben
ein Unterschied. Medizin ist
etwas anderes als die Erzeu-
gung von Leuchtstoffröhren.
Oder Passagiere von A nach
B fliegen.
Dort gibt es diese Arbeitszeit-
beschränkungen ja auch aus
Sicherheitsgründen.
Tscheliessnigg:
Sicherheit ist
ein Thema. Das ist nachzu-
vollziehen. Ich will meinen
alten Spruch, „besser ein mü-
der Profi, als ein ausgeschla-
fener Amateur“ nicht mehr
strapazieren, das passt nicht
mehr hierher.
Das relativieren Sie ja mittler-
weile etwas …
„Ärztinnen und
Ärzte sagen oft von
sich aus, ich kann
jetzt nicht nach
Hause gehen, ich
muss meine Arbeit
zuerst fertigmachen.“
Karlheinz Tscheliessnigg
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