Ærzte
Steiermark
|| 05|2013
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Noch vor wenigen Wochen waren wir höchst be-
sorgt über das Weiterbestehen der Hausapotheken.
Zu den bekannten Mechanismen des Apothekenge-
setzes ist zusätzlich die steirische Gemeindefusion
gekommen, die das Gefährdungspotenzial noch
deutlich erhöht hat.
Die Österreichische Ärztekammer hat sich bemüht,
unsere steirischen Hausapothekenreferenten haben
gemeinsam mit der Kurie über die Medien und
in persönlichen Kontakten auf diese alarmierende
Situation hingewiesen. Die steirische Landesre-
gierung, die mit den Gemeindefusionen nicht die
Versorgung der Bevölkerung gefährden wollte, hat
versprochen, sich des Problems anzunehmen.
Die vereinten Anstrengungen haben zu einem
positiven Ergebnis geführt. Für ärztliche Hausapo-
theken gelten auch in der Steiermark die Gemeinde-
grenzen von 2006. Das heißt, „neue“ durch die Re-
form entstehende Mehr-Ärzte-Gemeinden, werden
im Apothekengesetz so behandelt, als würden die
alten Grenzen noch bestehen. Es gibt keine fusions-
bedingten Schließungen!
Gleichzeitig wurde für alle Hausapotheken die Frist
für den Weiterbetrieb in Zwei-Arzt-Gemeinden bei
Neueröffnung einer öffentlichen Apotheke bis Ende
2018 verlängert. Die bisherige Dreijahresfrist ist da-
mit hinfällig.
Der zweite Punkt ist kein Ruhekissen, sondern ein
Arbeitsauftrag: Bis 2015 soll eine endgültige Lösung
für die Versorgung durch ärztliche Hausapotheken
gefunden werden.
Auch in diesen Zeiten ist also eine auf die Zukunft
gerichtete, konstruktive, sachliche Gesundheitspo-
litik zumindest punktuell möglich. Das Beispiel ist
eine Ermutigung und hoffentlich vorbildhaft für
viele andere Probleme, die es zu lösen gilt.
Vizepräsident Dr. Jörg Garzarolli
ist Obmann der Kurie Niedergelassene Ärzte.
Das Gesundheitsreformgesetz ist beschlossen! Regierungspar-
teien – und mit Vorbehalt die Grünen – sorgten für die notwen-
dige Mehrheit. Die öffentliche Resonanz am nächsten Tag war
bescheiden. Es gab ja keinen Streit mehr, wie Ende letzten Jahres,
es wurde vorwiegend in der Sache argumentiert.
Was aber nichts daran ändert, dass dieses Gesetz eine einschnei-
dende Schlechterstellung für die ÖsterreicherInnen bringt:
Bisher mussten sich die Gebietskörperschaften und die Sozi-
alversicherungen den Kopf zerbrechen, wie sie den rechtlich
abgesicherten Bedarf der
Bevölkerung finanziell
sicherstellen können. Mit
diesem Gesetz ist dieses
Recht verwirkt, die Men-
schen müssen sich nun
den Kopf zerbrechen, wie
sie zu den notwendigen
Gesundheitsleistungen
kommen, wenn die ge-
deckelten, öffentlichen
Budgets aufgebraucht sind. Das ist die Ironie dieses Gesetzes:
Die öffentliche Hand braucht nicht sorgsam zu wirtschaften, sie
braucht keine Sparpotenziale mehr zu nutzen, sie hat sich gesetz-
lich abgesichert aus der Verantwortung gestohlen.
Mehr Qualität, mehr wohnortnahe Versorgung und die Ent-
lastung der Spitäler haben sich zwar als geeignete Marketing-
Worthülsen erwiesen, um dieses Gesetz auch unter dem Applaus
der Medien durchzusetzen, im Gesetz steht davon aber kaum
etwas. Das Zielsteuerungskonstrukt sorgt aber dafür, dass stö-
rende Expertenmeinungen oder gar die Stimmen der Patien-
tinnen und Patienten kaum mehr gehört werden (müssen).
Aber: So wie dieses Gesundheitsreformgesetz nichts mit einer
Gesundheitsreform zu tun hat, so wenig muss dieses Gesetz Re-
formen verhindern. Sie werden nur nicht zentral gesteuert statt-
finden (das funktioniert ja nur in den seltensten Fällen), nein, es
müssen regional Modelle (wie etwa das deutsche Konzept „Ge-
sundes Kinzigtal“ über das Sie in dieser Ausgabe von AERZTE
Steiermark lesen) entwickelt und gelebt werden.
Jedes Krankenhaus, jede Arztpraxis ist ein Inkubator für Re-
formen. Man wird Partner finden und Allianzen schließen.
Auch und vor allem mit den Patientinnen und Patienten. Denn
die haben sehr gut begriffen, dass dieses Gesundheitsreformge-
setz und die Verwaltungsstrukturen, die daraus entstehen, nicht
für sie gemacht wurden.
Dr. Herwig Lindner ist Präsident der
Ärztekammer Steiermark.
extra
Weiterer Kurienbericht ab Seite 47.
Jörg Garzarolli
Hausapotheken: Rezept
für eine gute Politik
debatte
Fotos: Ärztekammer Steiermark/Schiffer, Grafik: Mirko Maric´
Standortbestimmung
Herwig Lindner
Nach dem Gesetz ist vor
richtigen Reformen