Ærzte
Steiermark
|| 05|2013
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Foto: Schiffer
gesundheitspolitik
Wir haben ein bedarfsorien-
tiertes System. Wenn man
krank ist, hat man Anspruch
auf Behandlung. Das heißt,
es gibt weder Rationierung
noch Priorisierung. Der Be-
darf ist durch Sachleistungen
abzudecken. Man geht zum
Arzt, weist seine E-Card vor
und wird behandelt. Der Pa-
tient hat Anspruch auf den
Fortschritt der Medizin. Wir
hatten bisher ein System, das
durchaus nicht ganz billig war
– aber nicht zugunsten der
Ärzte, sondern der Patienten.
Es ist schon sehr erstaunlich,
dass eine Organisation, die
ja eigentlich die sozialen In-
teressen vertreten sollte – die
Sozial
versicherung – imGrunde
seit vielen Jahren nichts anderes
tut, als zu sagen „wir müssen
sparen, einschränken, kontrol-
lieren, bürokratisieren.“ Das
hängt damit zusammen, dass
die Sozialversicherungsfunktio-
näre nie direkt gewählt werden.
Das ist kein demokratisches
System. Hier wird sozusagen
die Republik ausgeschaltet, wie
imübrigen festzuhalten ist, dass
in diesem ganzen System einer
nicht vorkommt: der Patient.
Patienten im System
Es gibt natürlich Patienten-
rechte, aber die richten sich
an den Arzt. Der Patient als
wichtigster Faktor im Ge-
sundheitssystem kommt nicht
vor. Nur eine Gruppe haben
die Patienten: die Ärztekam-
mer. Sie vertritt immer wieder
die Interessen der Patienten.
Auch das ist unangenehm
für diejenigen, die heute das
Sagen haben. Auch das ist ein
Grund, warum man die Ärzte
in diesem System an den
Rand drängen will.
Bisher hatte das österrei-
chische System die Arzt-Pati-
entenbeziehung sehr sensibel
und der Behandlungssitua-
tion sehr angemessen aus-
gestaltet. Der Arzt ist eigen-
verantwortlich tätig. Er ist
aus dem Behandlungsvertrag
verpf lichtet, die Interessen
des Patienten zu wahren. Er
ist geradezu der Anwalt des
Patienten.
In der Rechtsprechung hat der
oberste Gerichtshof immer
vertreten, dass der Arzt in
der Praxis eine Ermessens
entscheidung trifft. Es gibt
nämlich keine Möglichkeiten,
die Behandlungssituation bü-
rokratisch zu steuern. Die
niedergelassenen Ärzte sind
daher keine Angestellten der
Sozialversicherung. Sie haben
einen freien Dienstvertrag
und entscheiden über ihre
Tätigkeit in der Praxis selbst.
Wenn man das ändert und
die ärztliche Tätigkeit zuneh-
mend reguliert, kippt man
dieses System der Ermes-
sensfreiheit des Arztes auf-
grund der berufsrechtlichen
Verpf lichtung. Das ist ein
extremer Systembruch. Die
Gesundheitsreform geht in
diese Richtung.
Ich habe geradezu eine ge-
wisse Sympathie für die
Staaten, die Rationierung und
Priorisierung offen diskutie-
ren, weil das ehrlich ist. Hier
übernimmt die Politik die
Es gibt keine Möglichkeiten,
die Behandlungssituation
bürokratisch zu steuern.
Es ist schon sehr erstaunlich,
dass eine Organisation, die
ja eigentlich die sozialen
Interessen vertreten sollte
–
Sozial
versicherung – im
Grunde seit vielen Jahren
nichts anderes tut, als zu
sagen „wir müssen sparen,
einschränken, kontrollieren,
bürokratisieren.“